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dieser beiden ersten, später auch internationalen Beatles-Hits, die den Beginn der Fab-Four-Karriere markieren. Der Gestus ist bei beiden Stücken derselbe: direkte Ansprache der weiblichen Fans. Liebt uns! Aber die Wirkung ist grundverschieden. Hier der brave Paul, der 21-mal »love« wiederholt, da der spitzbübische John, der mit einer Gospel-Stimme Zweideutigkeiten schreit (You don’t need to show me the way, love, was frei interpretiert bedeutet: »Du brauchst mir nicht zu zeigen, wie man Liebe macht«) und mit seiner Mundharmonika ein Markenzeichen setzt. Vom Einsatz der Mundharmonika auf Platten, dem ersten Instrument, das er als Kind spielt, verabschiedet er sich erst zwei Jahre und insgesamt sieben Beatles-Songs später im August 1964 mit »I’m A Loser«.

      John Lennon schreibt »Please Please Me« in Liverpool in der Menlove Avenue mit 22 Jahren. Zwei Lieder beeinflussen ihn dabei: »Only The Lonely« von Roy Orbison – er mag die oft trübsinnigen und grüblerischen Eigenkompositionen voller Melancholie und Weltschmerz und will es dem vier Jahre älteren Texaner gleichtun – sowie »Please« von Bing Crosby. Mutter Julia singt ihrem erstgeborenen Kind, ihrem einzigen Sohn (es folgen drei Töchter) den Crosby-Hit aus dem Jahr 1932 mit der Zeile »Oh please, lend your little ear to my pleas« vor; Sohn John ist schon als Kind begeistert von Wortspielen. Homonyme und Polyseme faszinieren ihn sein Leben lang und werden bei seinen Sprachspielereien immer wieder eingesetzt. Gleich im Auftakt des Liedes klingen Verb (please=bitte) und Substantiv (Pleas=Bitten, Gesuche) gleich, bedeuten aber etwas anderes. 30 Jahre nach Bing Crosby, im Winter 1962, treibt John Lennon das Wortspiel weiter: please, please me – bitte, erfreu mich – bitte, gefalle mir – bitte, mach mir die Freude – bitte, sei mir gefällig – bitte, stell mich zufrieden … Bitte, befriedige mich?

      Paul hat in jenen Jahren die Angewohnheit, neue Kompositionen, die John und er eingeübt haben, einer Freundin vorzuspielen. Fast jede Woche ist er bei ihr und spielt ihr etwas auf der akustischen Gitarre vor. Dieses Mal liest er ausnahmsweise nur den Text, denn es sind Johns Worte und Paul ist unsicher, ja ratlos; er legt die Gitarre beiseite, denn er versteht den Text nicht ganz. Und seine Freundin kann auch nichts damit anfangen. Was soll dieses »Please Please Me« genau heißen?

      Schon in Lennons erstem Hit öffnet er Spekulationen Tür und Tor und provoziert. Was oberflächlich wie ein unschuldiger Popsong mit einer Eröffnungsfanfare und hohem Wiedererkennungswert klingt, wird später von der New Yorker Zeitung »Village Voice« als erotisch, ja als Aufforderung zum Sex – präziser noch – zum oralen Sex verstanden.

      Viermal wird das sich steigernde »C’mon« jeweils wiederholt. Im Gospel-Stil mit Crisp singt John es vor, Paul und George echoen ihn. Ein elektrisierendes Crescendo. Eine seltsame Kombination aus aufpeitschender Musik und gut singbaren, aber nicht ganz klaren Wortspielereien. Ein neuer Sound, eine neue Mischung. Liverpool als Ursprungsort eines neuen Lebensgefühls. Das Phänomen Liverpop ist geboren. Das Ergebnis von »Please Please Me«: starke Emotionen – Freude, Glück, Sex, ein Hauch Trauer – und der Wunsch nach mehr.

      John Lennon fordert nicht nur das weibliche Publikum auf, er stachelt auch seine Kumpels an. »C’mon!« Mit diesem Song wollen wir an die Spitze: »C’mon!« Mädchen, gebt es mir. Ich will es machen wie Elvis, Gene, Buddy und Roy, und ihr helft mir dabei. Denn es gibt keine schönere Art, sein Geld zu verdienen, als sich Songs auszudenken, sie auf der Bühne zu spielen und euch damit zur Raserei zu bringen.

      C’mon! Yeah!

      George Martin spürt, dass etwas Außerordentliches in der Luft liegt, etwas Unerhörtes, ein britischer Rock’n’Roll besonderer Güte, und er prophezeit es den vier Jungen nach dem letzten Take in den Abbey Road Studios am 11. Februar 1963: »›Please Please Me‹ wird ein Nr.-1-Hit«, sagt er, und er behält recht. Der gebürtige Londoner ist gelernter Oboist, ein Musiker mit fundierter Kenntnis der Klassik und Produzent mit abgeschlossener Ausbildung an der Guildhall School of Music. Er ist 14 Jahre älter als John, arbeitet seit 1950 für das Plattenlabel Parlophone, das zu EMI gehört, und sorgt dafür, dass die Beatles den Song schneller spielen, als von Lennon ursprünglich vorgesehen.

      Allein in seinem Zimmer, auf dem Bett, dessen Decke ein rotes Lochmuster ziert, denkt Lennon beim Komponieren von »Please Please Me« an einen schwermütigen Song voller unerfüllter Sehnsucht. An einen Schmachtfetzen à la Roy Orbison, eine Klage ähnlich wie »Only The Lonely«, die er übertreffen will. Aber er will seinem Einsamkeitsgefühl authentischer Ausdruck verleihen als Orbison.

      Doch die Stimmung im Studio bei den Kumpels und beim Produzenten ist eine andere: Klar kann man versuchen, die schöne Ballade auf Touren zu bringen. Offen für Neues und geübt im Variieren der Tempi – schon das Intro zu ihrer allerersten, in Deutschland aufgenommenen Single »My Bonnie« beginnt pathetisch langsam, um dann aufzudrehen –, greifen die Rock’n’Roller George Martins Beschleunigungsvorschlag für »Please Please Me« auf. Beschleunigte Schwermut. Highspeed-Melancholie.

      Die späteren Filmaufnahmen zeigen Ringo Starr, wie er wie in Ekstase im Rücken seiner drei Freunde wirbelt, immer wieder von seinem Hocker abhebt und kraftvoll jedes »C’mon!« befeuert, so dass man all die Anfangsdiskussionen um seine Qualitäten als Drummer nur noch schwer nachvollziehen kann. Wer drischt denn schon derart dramatisch wie Ringo Starr auf der Anthology-Fassung von »Strawberry Fields« auf sein Schlaginstrument? Und selten trommelt jemand ein Solo auf Bassdrum, Standtom und Toms ohne Hi-Hat und ohne Becken wie er in »The End«. Virtuoseste Jazz-Drummer kommen in Verlegenheit, wenn sie ringoesk spielen sollen. Schade, dass der Mann mit dem markanten Schnauzer nicht öfter »Starr-Times« bei den Beatles bekommt, so wie früher als »Ringo the Hurricane« bei Rory Storm, als die »Starr-Time« Höhepunkt bei Live-Auftritten in Liverpool war.

      Nach dem vierten durchgetrommelten »C’mon!« kulminiert der Ruf im kollektiven Falsettgeschrei Whoa yeah!

      In allen Live-Auftritten steht John bei diesem Song allein am Mikro, etwas entfernt von ihm teilen sich Paul und George den anderen Schallwandler. Lennon, breitbeinig, allein und kurzsichtig in das Publikum blickend, in diese unbekannte Menschenmenge, die es zu erobern gilt, die etwas Lockendes, aber auch etwas Bedrohliches hat. Ein schwer fassbares Wesen, von dem so viel abhängt – Erfolg, Geld, Macht, Ruhm –, das er mit seinen Songs umwirbt und das er von Anfang an auch verachtet. Ein Wesen, dem John Lennon Grimassen schneidet, dem er Rätsel mit seinen Texten aufgibt, dem er sich ganz und gar öffnen wird – bis auf die Haut (»Lennon Naked« heißt ein Dokumentarfilm der BBC von 2010), um es zu verführen und vor dem er sich dann aber auch vollkommen zurückziehen wird, um seinen eigenen kleinen Familienschonraum zu gründen. Anziehung und Abstoßung, Nähe und Ferne: Das Publikum – die Summe aller Menschen, die John Lennon erreicht – bleibt bis zuletzt, bis zum 8. Dezember 1980 seine größte Leidenschaft und Bedrohung – in der Masse ebenso wie in der Vereinzelung, in der kollektiven Verehrung wie in der individuellen Ausprägung des einsamen und verrückten Fans.

      Das erste Album »Please Please Me« profitiert von der Erfahrung als Live-Band in Hamburg und in Liverpool. Es bleibt bis zuletzt Lennons Lieblingsalbum der Beatles, da es ein wenig von der Reeperbahn-Live-Atmosphäre wiedergebe. Nach einer ersten Nr.-1-Single ist es für Musiker üblich, ein Album folgen zu lassen. George Martins ursprüngliche Idee besteht darin, einen Auftritt der Band im Cavern aufzuzeichnen, ein Club, der 1957 in Anlehnung an die Pariser Jazzkeller gegründet worden war und 1960 mit Rory Storm & The Hurricanes mit Ringo Starr am Schlagzeug seine erste Beatnacht erlebte. Die Beatles füllen schon Stadien, als Bands wie The Kinks, The Rolling Stones oder The Yardbirds im Cavern auftreten. Gefilmt werden die Beatles zwar im Cavern, aber die fehlenden zehn Songs nimmt man nicht in diesem Club, sondern in den Abbey Road Studios an nur einem Tag auf. George Martin besteht darauf, dass John Lennon »Twist And Shout« zuletzt singt, um seine Stimme für die anderen Stücke zu schonen, für die Komposition »There’s A Place« beispielsweise, für jenen Platz, wohin der Musiker gehen kann, wenn er schlecht drauf ist, wenn er traurig ist.

      Schon in diesen harmlos poppigen Anfangszeiten setzt Lennon einen nicht nur im Sinnzusammenhang schrägen Vers in den Song, der für die Oberflächlichkeit der Unterhaltungsindustrie ungewöhnlich ist. Unvermittelt heißt es: And it’s my mind, and there’s no time when I’m alone. Zwischen den Polen Einsamkeit und Bühnenpräsenz, Zurückgezogenheit und dem Bad in der Menge, zwischen stiller Reflexion und medialer Selbstdarstellung, zwischen

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