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von E-Mails, SMS und Messenger-Chats sowie 22 Minuten für Zeitungen und Zeitschriften.8 Bücher haben es immer schwerer, im Medienwettbewerb zu bestehen – und finden entsprechend von Jahr zu Jahr immer weniger Käufer.9

      Konzentrationsprozesse in der Medienbranche haben ebenfalls Auswirkungen auf die Lesekultur. Auf der einen Seite verdrängen wenige große Buchhandelsketten viele mittelständische Buchhandlungen. Auf der anderen Seite versammeln große internationale Verlagskonzerne zahlreiche #Imprints unter ihrem Dach, die sich auf immer kleinere Zielgruppen spezialisieren. Doch damit sinken die Verkaufszahlen pro Titel, verstärkt durch die digitale Konkurrenz – eine schwierige Situation für Verlage. Für die Programmmacher stellt sich daher die Frage: Wie muss ein Buch aussehen, damit es den Nerv der Zielgruppe trifft? Der Handel hat dabei hohe Erwartungen an die Verlage: schnelle Verkäuflichkeit bei guter inhaltlicher und herstellerischer Qualität. Aber soll es überhaupt noch ein gedrucktes Buch sein?

      Verlage stehen vor der schwierigen Aufgabe, den zahlreichen Novitäten weitere Titel hinzuzufügen – für deren Lektüre niemand so recht Zeit hat. Den richtigen Riecher haben nur wenige; der hängt mehr von glücklichen Umständen ab als von durchdachter #Programmplanung. Darauf können #Verleger und Lektoren also ebenso wenig bauen wie darauf, dass sie die richtigen Bücher schon irgendwie finden werden. Denn in einem heiß umkämpften Markt, in dem gleichzeitig um die Aufmerksamkeit der Leser und der Medien sowie um knappe Regalflächen im Handel gerungen wird, sind erfolgreiche Verlagsprodukte fast immer das Ergebnis klarer Konzepte. Das Stichwort lautet Programm- beziehungsweise Produktpolitik. Sie ist Teil des klassischen Marketingmix, dem 4-P-Konzept.10 Eine Neuinterpretation, welche die Kundeninteressen mehr in den Vordergrund rückt, bietet das hier integrierte SAVE-Modell:11

      4-P-KONZEPTDieses Konzept als klassische Säule des Marketingmix stammt ursprünglich aus dem Jahr 1960 von Edmund Jerome McCarthy Perreault, damals Professor für Marketing an der Harvard University. Das Modell hat seitdem einige Erweiterungen und Abwandlungen erfahren, zum Beispiel als 7 P (zusätzlich People, Process und Physical Evidence), oder Neuinterpretationen wie den SAVE-Ansatz (Solution, Access, Value, Education).

      •ProduktWelche Produkte (Buch, Hörbuch, E-Book oder App) oder Dienstleistungen (Aktualisierungen via Internet, Diskussionsforen oder anderes) sollen zu welchen Themen und für welche Zielgruppen angeboten werden? Noch mehr als das einzelne Produkt muss eine Lösung (Solution) im Hinblick auf die Kundenbedürfnisse im Vordergrund stehen.

      •PlatzierungWelches sind die geeigneten Absatzkanäle (Buchhandel, Online-Shops, Direktvertrieb, Nebenmärkte wie Lebensmittelgeschäfte, Apotheken oder Tankstellen)? Optimale Verfügbarkeit und Zugänglichkeit (›Access‹) spielen für Kunden dabei eine wichtige Rolle.

      •PreisWas ist der richtige #Ladenpreis? Wie sind die Lieferbedingungen (Rabatte, Valuta oder Skonto)? Dabei sind für die Kunden weniger der Preis oder die Kosten entscheidend als Nutzen und Wert (›Value‹) des Angebots.

      •PromotionWelche Bestandteile hat das Kommunikationskonzept (Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit oder Social Media)? Was sind die Werbebotschaften? Welches sind die optimalen Medien für Marketing und PR? An die Stelle mehr oder weniger aufdringlicher Werbebotschaften tritt Wissen (›Education‹) in Form attraktiver und hochwertiger Inhalte, die Kunden inspirieren, unterhalten oder informieren.

      Der Kern verlegerischer Aktivitäten ist die Programmgestaltung. Hierzu zählen die Entwicklung und Herstellung sämtlicher Produkte und Dienstleistungen, die ein Verlag anbietet. Daran orientieren sich die anderen Instrumente des Marketingmix. Auch der umgekehrte Weg ist möglich: Die Marketingstrategie verlangt unter Umständen eine bestimmte Gestaltung des #Covers, unterschiedliche Vertriebskanäle erfordern unterschiedliche Ausstattungen, und nicht zuletzt hat der Ladenpreis großen Einfluss auf die Aufmachung eines Buchs. Die Grundlinien der Programmpolitik werden vom Lektorat oder von der Verlagsleitung festgelegt, oft in enger Abstimmung mit der Marketingabteilung. Dabei lauten die beiden wesentlichen Fragen:

      •TitelpositionierungWie lassen sich einzelne Titel innerhalb des eigenen Verlagsprogramms und nach außen in Abgrenzung zum konkurrierenden Gesamtmarkt eindeutig positionieren?

      •ProgrammentwicklungWie wird aus der Vielzahl der Einzeltitel ein profiliertes und erfolgreiches Verlagsprogramm?

      Bei jedem Buchprojekt werden Lektoren immer auch mit Fragen der Programmentwicklung konfrontiert. Das gilt umso mehr, wenn sie neue Reihen oder gar Programmbereiche planen. Umgekehrt hat das Programmprofil ebenfalls entscheidenden Einfluss auf Auswahl und #Positionierung einzelner Titel.

       1.1

       Programmentwicklung

      Stärker als ein einzelnes Buch prägt das Gesamtprogramm das Erscheinungsbild eines Verlags. So gehört das kritische Sachbuch zum Westend Verlag wie modische Kochbücher zu Gräfe und Unzer. Während bei Westend der aufklärerische Anspruch im Vordergrund steht, beruht die Programmplanung bei GU auf intensiver Marktforschung. Beiden ist jedoch ein Ziel gemeinsam: Trends rechtzeitig erkennen, teure Flops vermeiden und aus einzelnen Büchern ein erfolgreiches, gewinnbringendes Programm mit unverwechselbarem Profil machen.

      Bei Verlagen mit einem hohen Titelausstoß geht die Zahl der lieferbaren Bücher leicht in die Hunderte oder gar Tausende, und auch #Self-Publisher tragen ihren Teil zur Titelflut bei. Doch damit stellt sich die Frage: Wie kann die langfristige Programmstrategie eines Verlags aussehen, welche Veränderungen sind notwendig? Alle Verlage wünschen sich, dass sich ein neu erschienenes Buch möglichst lange und erfolgreich am Markt behaupten kann. Doch kaum ein Titel verkauft sich auf unbegrenzte Zeit. Wichtig ist also, in einem überschaubaren Zeitraum einen ausreichenden Umsatz zu erzielen, der die Entwicklungskosten ausgleicht und einen Gewinn abwirft.

       Produktlebenszyklus

      Jedes Buch hat einen charakteristischen Lebenszyklus. Dieser zeigt, wie Absatz und Gewinn über die gesamte Lebensdauer verlaufen. Der Produktlebenszyklus, für den es unterschiedliche Modelle gibt, teilt sich üblicherweise in fünf Phasen, deren Dauer je Titel unterschiedlich ausfallen kann. Dieses Konzept aus der Marketingpraxis bietet eine nützliche Orientierungshilfe, nicht mehr und nicht weniger. Entscheidend ist, rechtzeitig zu erkennen, an welcher Stelle sich einzelne Reihen oder Titel befinden – um die programm- und absatzpolitisch passenden Entscheidungen zu treffen.

      PRODUKTLEBENSZYKLUSKONZEPTEin ›Urheber‹ lässt sich nicht benennen. Erste Ansätze hierzu finden sich schon Anfang des 20. Jahrhunderts, ausführliche Darstellungen seit den 1950er und 1960er Jahren. Somit gibt es kein verbindliches ›Urmodell‹, sondern diverse Ausprägungen, die sich hinsichtlich der Zahl und Benennung der Phasen unterscheiden. Oft werden fünf Hauptphasen genannt: Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung und Degeneration, wobei die beiden letzten manchmal zusammengefasst werden. Hinzu können vorgelagerte Phasen (Beobachtung, Entwicklung) ebenso kommen wie nachgelagerte Phasen (Entsorgung, Desinvestition).

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      Produktlebenszyklus12

      •ProduktentwicklungEin neues Buchprojekt entsteht und verursacht Kosten, zum Beispiel für Honorarvorschüsse, Übersetzung, Lektorat oder Herstellung, aber es gibt noch keine Verkaufserlöse.

      •MarkteinführungDie Neuerscheinung wird dem Handel angeboten, und das Buch erscheint. Noch decken die Einnahmen nicht die Kosten für Projektentwicklung und Marketing.

      •WachstumDie Markteinführung ist erfolgreich verlaufen, das Buch wird von den Lesern

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