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und Leon kamen gleichzeitig zu dem Ergebnis, dass es dringend geboten war, einzugreifen, bevor die Situation weiter aus dem Ruder lief. Es gab immer wieder heftige Streits zwischen Antonia und ihrem Vater, weil beide von aufbrausendem Temperament waren und dann Dinge sagten, die sie später bereuten. Sie liebten einander, aber sie wussten auch um ihre wechselseitigen Schwächen, so dass sie sich schlimmere Verletzungen zufügen konnten, als Fremde es vermocht hätten. Der Hinweis, dass Joachim Kaysers Bruder Bert seiner Nichte damals das Geld für die Eröffnung ihrer Praxis gegeben hatte, war so ein Punkt: Joachim Kayser wurde nur sehr ungern daran erinnert.

      Aber bevor er reagieren konnte, sagte Teresa: »Hört auf zu streiten, bitte. Ich möchte, dass dieser Abend friedlich zu Ende geht.«

      Und Leon setzte hinzu: »Wir sollten uns auf den Heimweg machen, Antonia, es ist schon spät geworden.«

      Aber Antonia blieb stur. Ihr Vater war zu weit gegangen, sie wollte jetzt nicht zurückstecken und gute Miene zum bösen Spiel machen. Im Gegenteil: Etwas reizte sie, die Sache auf die Spitze zu treiben. Sie wusste, dass es unklug war, sie fand sich selbst sogar ein wenig kindisch, aber sie blieb sitzen.

      »Ich will noch nicht nach Hause«, sagte sie störrisch. »Ich will, dass wir das mal zu Ende diskutieren. Sag mir eins, Teresa: Hast du nie bereut, deine Boutique aufgegeben zu haben? Es war doch klar, dass ihr beiden keine Kinder mehr bekommt, ihr habt ja erst kurz vor uns geheiratet. Und du hast sehr an deinem Geschäft gehangen. Trotzdem bist zu nach deiner Heirat zu Hause geblieben. Warum?«

      »Antonia!«, rief Leon warnend.

      Er sah das Unheil kommen. Sein Schwiegervater war nun einmal ein konservativer Mann, er würde sich jetzt, mit über siebzig, nicht mehr ändern. Wozu also eine solche Diskussion? Abgesehen davon hatte Antonia ihre Stiefmutter mit dieser Frage in eine unangenehme Situation gebracht. Er verstand nicht, warum sie das tat.

      »Weil ich deinen Vater liebe«, antwortete Teresa ganz ruhig, und wieder einmal war seine Bewunderung für sie grenzenlos.

      Er hatte Teresa schon gekannt, bevor sie seine Schwiegermutter geworden war, denn bei ihr waren seine Schwester Sandra und er aufgewachsen, nachdem sie ihre Eltern durch einen tödlichen Unfall verloren hatten. Sie war die beste Freundin ihrer Mutter gewesen und hatte nicht gezögert, die beiden Waisenkinder zu sich zu nehmen und großzuziehen.

      Er hing mit zärtlicher Liebe an ihr. Dass das Schicksal es dann so gefügt hatte, dass Teresa auch noch seine Schwiegermutter geworden war, sah er bis heute als Glücksfall an. Sandra und er waren seinerzeit der Grund dafür gewesen, dass sich Teresa von ihrer Jugendliebe Joachim Kayser getrennt hatte. Und dann waren sie, viele Jahre später, doch noch ein Paar geworden – und zwar ein sehr glückliches.

      »Ist es dir schwer gefallen?«, fragte Antonia weiter.

      Teresa lächelte. »Ja und nein. Ich habe an meiner Boutique gehangen, das weißt du. Aber ich wusste, dein Vater würde es nicht verstehen, wenn ich weiterhin arbeite. Und ich wollte mit ihm zusammen sein. Also habe ich eine Entscheidung gefällt.«

      »Du hättest versuchen können, ihn zu überzeugen, dass dir die Boutique sehr wichtig ist.«

      »Ja, das hätte ich«, erwiderte Teresa. »Heute würde ich es vielleicht tun, weil sich, wie du richtig festgestellt hast, die Zeiten geändert haben. Aber damals habe ich nicht einmal darüber nachgedacht.«

      Leon sah den Gesichtsausdruck seines Schwiegervaters: Offenbar war es Joachim Kayser noch nie in den Sinn gekommen, dass seine geliebte Teresa vielleicht gerne ihre Boutique behalten hätte, auch als seine Ehefrau. Er sah noch fassungsloser aus als zu Beginn dieses Gesprächs, und es hatte ihm tatsächlich die Sprache verschlagen.

      Antonia schien endlich genug zu haben, denn sie stand auf. »Ich werde jedenfalls wieder eine Praxis eröffnen, Papa, gewöhn dich also besser an den Gedanken.« Sie klang sehr viel friedfertiger als zuvor.

      Joachim Kayser erhob sich, er sah müde und ein wenig verwirrt aus, Leon empfand beinahe Mitleid mit ihm.

      Auf dem Heimweg fragte Leon: »War das nötig? Ich meine, musstest du Teresa da mit hineinziehen? Du hast sie in eine unangenehme Situation gebracht, das muss dir doch klar gewesen sein.«

      »Na, und?«

      Beinahe hätte er gelacht. Antonia war Mitte vierzig, aber ihre Antwort klang ganz nach der jungen Frau, in die er sich damals verliebt hatte. Sie hatte ihn ja wochenlang so kühl und abweisend behandelt, dass er manchmal gedacht hatte, es werde ihm nie gelingen, sie für sich zu gewinnen.

      Aber so einfach wollte er sie nicht davonkommen lassen. »Du solltest sie da nicht hineinziehen. Ich meine, in diesen Konflikt zwischen dir und deinem Vater. Sie hat damit nichts zu tun. Und wenn du wissen willst, ob es ihr schwer gefallen ist, damals ihre Boutique aufzugeben, dann frag sie danach, ohne dass dein Vater dabei ist. Wie die beiden das untereinander regeln, ist ihre Sache. So wie es unsere Sache ist, wie wir das machen.«

      Sie schwieg. Erst als sie schon fast zu Hause waren, sagte sie: »Du hast Recht, das war kindisch. Aber er hat mich so auf die Palme gebracht wie früher! In welcher Welt lebt er denn? Merkt er nicht, dass sich alles verändert hat? Muss er immer noch den Chef herauskehren, sogar bei sich zu Hause? Und dann diese Rede an dich! Ich dachte, ich platze! Diese Vorstellung, der Mann haut mit der Faust auf den Tisch, und danach wird gemacht, was er für richtig hält!« Sie redete sich schon wieder in Rage.«

      »Dein Vater ist alt und wird seine Ansichten nicht mehr ändern.«

      »So alt ist er nun auch wieder nicht, dass er nicht noch dazu lernen könnte«, erklärte Antonia kämpferisch. Doch nach einer Weile setzte sie mit einem halben Lächeln hinzu: »So wie du, zum Beispiel.«

      »Ich bin um einiges jünger, und ich habe auch immer noch Schwierigkeiten, mir vorzustellen, wie es sein wird, wenn ich nach Hause komme, und du bist noch in deiner Praxis.«

      »Du wirst dich daran gewöhnen«, erklärte Antonia.

      »Muss ich ja wohl«, brummte er, als er die Haustür aufschloss.

      Sie schlang beide Arme um seinen Hals. »Danke, dass du mich verteidigt hast, ich weiß, dass dir das nicht ganz leicht gefallen ist«, flüsterte sie, bevor sie ihn küsste.

      Als sie sich von ihm löste, lauschte sie. »Da redet doch noch jemand! Das muss Kaja sein!«

      Mit schnellen Schritten lief sie zur Treppe, eilte hinauf und öffnete die Tür zum Zimmer ihrer älteren Tochter.

      Kaja versuchte noch, ihr Handy zu verstecken, aber sie war nicht schnell genug.

      »Weißt du, wie spät es ist?«, fragte Antonia. »Du musst morgen früh raus, und da telefonierst du noch mitten in der Nacht?«

      »Es war wichtig«, erwiderte Kaja störrisch. »Und ich kann es nicht leiden, wenn du hier einfach reingerauscht kommst. Du willst auch, dass man deine Privatsphäre achtet.«

      »Ich bin erwachsen, du nicht. Mach das Handy aus und gib es mir.«

      »Nein, ich …«

      »Mach es aus und gib es mir! Wir hatten eine klare Abmachung, an die du dich nicht gehalten hast. Also …«

      Leon erschien neben Antonia, er hatte genug gehört, um zu wissen, worum es ging. »Mach schon, Kaja«, sagte er ruhig.

      Schimpfend schaltete Kaja ihr Handy aus und gab es ihrer Mutter. »Ihr benehmt euch, als wäre ich noch ein Baby! Keine meiner Freundinnen wird so bevormundet wie ich.«

      Konstantin erschien auf dem Flur, Kajas Zwillingsbruder. »Was ist denn los?«, fragte er verschlafen. »Warum macht ihr hier so einen Stress mitten in der Nacht?«

      »Bedank dich bei Kaja«, erwiderte Antonia. »Aber der Stress ist schon vorüber. Gute Nacht.«

      Als sie im Bett lagen, schmiegte sich Antonia in die Arme ihres Mannes.

      »Was sollen wir nur mit Kaja machen? Sie wird jeden Tag aufmüpfiger. Manchmal erkenne ich sie gar nicht wieder.«

      »Du

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