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Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer
Читать онлайн.Название Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke
Год выпуска 0
isbn 9788027206223
Автор произведения Ida Pfeiffer
Жанр Книги о Путешествиях
Издательство Bookwire
Ich konnte vom Verdecke unseres Schiffes einen großen Theil der Stadt und ihrer öden Umgebung überschauen. Erstere scheint ziemlich groß und ganz nach europäischer Art gebaut zu seyn.
Von der Türkenstadt, die mehr im Hintergrunde liegt, sieht man nichts, eben so wenig vom eigentlichen Hafen, welcher sich um die andere Seite der Stadt zieht, und von welchem nur die Spitzen der Masten herüberblicken. Vor allem andern fallen zwei hohe Sandhügeln in's Auge, auf deren einem das Fort Napoleon steht, während auf dem andern bloß mehrere Kanonen aufgepflanzt sind; im Vordergrunde ziehen niedere Felsenreihen hin, an deren einem Ende der Leuchtthurm sich erhebt, am andern die neuen Quarantaine-Gebäude sich entfalten. Diesen gegenüber liegt die alte Quarantaine. Vieles ist mit kleinen Bosketten von Dattelpalmen umgeben, was einen sehr angenehmen Eindruck macht, da sie für Europäer etwas Neues sind.
8. August 1842.
Heute also wurden wir des Morgens um 7 Uhr abgeladen und mit Sack und Pack in die Quarantaine geliefert.
Ich betrat nun abermals einen neuen Welttheil, nämlich “Afrika“. Oft, wenn ich so einsam meinen Gedanken nachhänge, kann ich es selbst kaum glauben, daß mich Muth und Ausdauer in keiner Lage verließen, und daß ich meinem vorgesteckten Ziele Schritt vor Schritt entgegen ging. Dies dient mir zur Überzeugung, daß der Mensch mit festem Willen beinahe Unmögliches leisten kann.
In der Quarantaine erwartete ich weder etwas Gutes noch etwas Bequemes zu finden, und leider hatte ich mich nicht getäuscht. Der Hof, in welchen wir gewiesen wurden, war von allen Seiten geschlossen und mit hölzernen Gittern versehen, die Zimmer bestanden aus vier leeren Wänden, die Fenster waren ebenfalls mit hölzernen Gittern verwahrt. Gewöhnlich werden mehrere Personen auf ein Zimmer gewiesen, und dann der Preis desselben unter ihnen in gleiche Theile getheilt. Ich begehrte ein Zimmer für mich allein, was man auch erhält, nur natürlich um einen höhern Preis. Allein von einem Tische oder Sessel, oder einem andern Möbel ist gar keine Rede; wer dergleichen haben will, muß sich schriftlich an einen Wirth in der Stadt wenden, der dann alles liefert, aber zu einem enorm hohen Preise. Eben so macht man es mit der Kost. In der Quarantaine selbst ist kein Wirth, man muß alles von außen verschreiben. Für Mittag- und Abendkost fordert ein Wirth gewöhnlich zwischen dreißig und vierzig Piaster [In Egypten gilt der Piaster 6 kr. C.M.] pr. Tag. Dieß war mir ein Bischen zu viel, ich bestellte mir daher einige Lebensmittel durch einen Quardian. Er versprach mir, Alles genau zu besorgen; vermuthlich hatte er mich aber nicht verstanden, denn ich wartete vergebens, und erhielt am ersten Tage nichts. Am zweiten Tage war mein Appetit maßlos, ich wußte mir gar nicht mehr zu helfen. Ich ging also zu der arabischen Familie, welche die Reise ebenfalls auf dem griechischen Schiffe machte, und folglich mit in der Quarantaine war; ich bat die Frau um ein Stück Brot, gegen Bezahlung. Aber nicht nur Brot gab mir diese gute Frau, sie theilte mir auch von allen Speisen mit, die sie für sich bereiten ließ, und nahm durchaus kein Geld dafür; im Gegentheil gab sie mir durch Zeichen zu verstehen, ich möchte nur immer zu ihr kommen, wenn ich etwas bedürfe.
Erst am Abende des zweiten Tages, als ich sah, daß ich durch meinen Esel von Quardian nichts erhalten konnte, wendete ich mich an den Oberaufseher des Lazarethes, der täglich vor Sonnenuntergang kam, uns alle besichtigte und dann in die Zimmer sperrte. Bei ihm bestellte ich meine Lebensbedürfnisse, die ich von nun an auch immer zur rechten Zeit bekam.
Die Quardiane waren lauter Araber, von denen kein einziger eine andere Sprache außer arabisch verstand oder sprach; ebenfalls wieder eine echt egyptische Einrichtung. Ich glaube, in eine solche Anstalt, wo Reisende aus allen Weltgegenden zusammenkommen, sollte doch wenigstens ein Mensch hingegeben werden, der italienisch versteht, wenn auch nicht spricht. Solch ein Individium wäre sehr leicht zu finden, da Italienisch im ganzen Orient, besonders aber in Alexandrien und Kairo eine so heimische Sprache ist, wie ich mich später überzeugte, daß man unter der gemeinsten Klasse genug Leute trifft, die selbe verstehen und sprechen.
Für den Bedarf an Wasser ist ebenfalls sehr schlecht gesorgt. Jeden Morgen, gleich nach Sonnenaufgang, werden einige Schläuche Meerwasser, das zum Reinigen der Geschirre gehört, gebracht; gegen 9 Uhr Früh und Nachmittags um 5 Uhr bringen einige Kameele mehrere Schläuche mit süßem Wasser, das in zwei steinerne Tröge geschüttet wird, die im Hofe stehen. — Da füllen alle ihre Trink- und Kochgefäße, wobei es so unsauber zugeht, daß man alle Lust zum Trinken verliert. Der Eine schöpft das Wasser mit schmutzigen Töpfen, der andere langt mit seinen Händen hinein, ja, einige setzten sogar ihre schmutzigen Füße auf den Rand des Troges und wuschen sich dieselben, daß ein Theil des Wassers von ihren Füßen wieder in den Trog floß. Das Wassergefäß wird nie gereinigt, so bleibt Schmutz auf Schmutz, und man kann nur dann reines Wasser haben, wenn man es filtrirt.
Am zweiten Tage unseres Aufenthaltes sah ich zu meiner Verwunderung den Hof, die Stiege, die Zimmer u.s.w. somit einer außerordentlicher Sorgfalt kehren und reinigen. Das Räthsel wurde bald gelöst; der Kommissär erschien mit einem großen Stocke versehen, und begab sich unter die Thüre jedes Zimmers, um hinein zu sehen, ob man Wäsche, Kleider u.s.w. aufgehangen habe, ob die Bücher aufgeschlagen, und die Briefe oder Schriften an Bindfaden gereiht und ebenfalls aufgehangen seyen? Von der dummen Ängstlichkeit eines solchen Kommissärs kann man sich keine Vorstellung machen. Nur ein Beispiel: Als er durch das erste Zimmer gehen mußte, um an meine Thür zu gelangen, sah er den Stengel einer Traube an dem Boden liegen. Mit einer Hast sondergleichen schleuderte er diese Kleinigkeit mit dem Stocke auf die Seite, damit ja sein Schuh nicht daran streife und stets hielt er den Stock in Bereitschaft, um uns arme Verpestete in gehöriger Entfernung zu halten.
Am siebenten Tage unserer Gefangenschaft wurden wir Alle, Morgens um 9 Uhr, auf unsere Zimmer gewiesen. Thüren und Fenster wurden geschlossen, große Räucherfässer gebracht, und ein gräßlich stinkender Rauch von Schwefel, Asand, Federn u. dergl. gemacht. In diesem erstickenden Qualm mußten wir vier oder fünf Minuten aushalten, dann wurde wieder Alles geöffnet. Ein Lungenkranker hätte diese kanibalische Expedition schwerlich ausgehalten.
Am neunten Tage mußten sich die Männer in eine Reihe stellen, um sich der Musterung des Arztes zu unterwerfen. Da kam der alte Herr, eine Lorgnette in der einen, und einen Stock in der andern Hand haltend, und musterte die Truppe. Jeder mußte sich mit der Faust auf die Brust und in die Seite schlagen; fühlte er dabei keine Schmerzen, so war dies ein Zeichen der Gesundheit, indem sich an diesen Theilen des Körpers die ersten Pestbeulen bilden. An demselben Tage wurden auch wir Frauen in ein großes Zimmer geführt, wo ein wahrer Dragoner von einem Frauenzimmer unser harrte, und dieselbe Untersuchung mit uns anstellte. Doch dürfen sich weder Männer noch Frauen dabei entkleiden.
Einige Stunden später wurden wir an das hölzerne Gitter beschieden, das uns Verpestete von den Gesunden trennte, außerhalb desselben saßen einige Beamte, denen man den Betrag für Zimmer und Quardian zu entrichten hat, eine wahre Kleinigkeit. Mein Zimmer sammt der Bedienung kostete täglich nur drei Piaster. Doch wie gerne wurde jeder Reisende mehr geben, wenn er in dem Zimmer wenigstens einen Tisch und einige Stühle fände, und einen Quardian, der doch verstände, was man ihm sagt.
Die Reinlichkeit anbelangend, konnte man zufrieden seyn, sowohl Zimmer, als auch Stiegen und Hof wurden äußerst nett gehalten, ja der Letztere sogar täglich zweimal reichlich mit Wasser begossen. Von Insekten hatten wir gar nichts, von der Hitze nur wenig zu leiden. In der Sonne hatten wir nie über 33 Grad, und im Schatten nie über 22 Grad R.
17. August 1842.
Früh um 7 Uhr wurde endlich unser Käfig geöffnet. Nun stürmte alles herein; da kamen die Verwandten und Bekannten, die Abgesandten der Wirthe, die Träger und Eseltreiber, Alles war fröhlich und heiter, und Jedes fand eine befreundete oder bekannte Seele, nur ich allein stand freundlos und verlassen, Niemand drängte sich an mich, Niemand nahm Antheil an mir — nur die Abgesandten der Wirthe, die Träger und Eseltreiber, dieses blutige Geschlecht, das man überall findet, stieß und zankte sich um die arme Verlassene.
Ich packte meine