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Kellerkinder und Stacheltiere. Группа авторов
Читать онлайн.Название Kellerkinder und Stacheltiere
Год выпуска 0
isbn 9783967075205
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия CineGraph
Издательство Bookwire
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Heinrich Mann beginnt seinen Roman mit einer Charakterisierung Diederich Heßlings, von der Staudte den ersten Satz und eine Reihe weiterer Zitate wörtlich übernimmt:4 »Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt. Ungern verließ er im Winter die warme Stube, im Sommer den engen Garten, der nach den Lumpen der Papierfabrik roch und über dessen Goldregen- und Fliederbäumen das hölzerne Fachwerk der alten Häuser stand. Wenn Diederich vom Märchenbuch, dem geliebten Märchenbuch, aufsah, erschrak er manchmal sehr. Neben ihm auf der Bank hatte ganz deutlich eine Kröte gesessen, halb so groß wie er selbst! Oder an der Mauer dort drüben stak bis zum Bauch in der Erde ein Gnom und schielte her! Fürchterlicher als Gnom und Kröte war der Vater, und obendrein sollte man ihn lieben. Diederich liebte ihn. Wenn er genascht oder gelogen hatte, drückte er sich so lange schmatzend und scheu wedelnd am Schreibpult umher, bis Herr Heßling etwas merkte und den Stock von der Wand nahm. Jede nicht herausgekommene Untat mischte in Diederichs Ergebenheit und Vertrauen einen Zweifel. Als der Vater einmal mit seinem invaliden Bein die Treppe herunterfiel, klatschte der Sohn wie toll in die Hände – worauf er weglief. Kam er nach einer Abstrafung mit gedunsenem Gesicht und unter Geheul an der Werkstätte vorbei, dann lachten die Arbeiter. Sofort aber streckte Diederich nach ihnen die Zunge aus und stampfte. Er war sich bewußt: ›Ich habe Prügel bekommen, aber von meinem Papa. Ihr wäret froh, wenn ihr auch Prügel von ihm bekommen könntet. Aber dafür seid ihr viel zu wenig.‹«5
Der Untertan (1951, Wolfgang Staudte): Werner Peters
Und über Diederichs Verhältnis zu seiner Mutter: »Ihre zärtlichen Stunden nutzte er aus; aber er fühlte keine Achtung vor seiner Mutter. Ihre Ähnlichkeit mit ihm selbst verbot es ihm. Denn er achtete sich selbst nicht, dafür ging er mit einem zu schlechten Gewissen durch sein Leben, das vor den Augen des Herrn nicht hätte bestehen können. […] Nach so vielen furchtbaren Gewalten, denen man unterworfen war, nach den Märchenkröten, dem Vater, dem lieben Gott, dem Burggespenst und der Polizei, nach dem Schornsteinfeger, der einen durch den ganzen Schlot schleifen konnte, bis man auch ein schwarzer Mann war, und dem Doktor, der einen im Hals pinseln durfte und schütteln, wenn man schrie – nach all diesen Gewalten geriet nun Diederich unter eine noch furchtbarere, den Menschen auf einmal ganz verschlingende: die Schule. Diederich betrat sie heulend, […] Denn Diederich war so beschaffen, daß die Zugehörigkeit zu einem unpersönlichen Ganzen, zu diesem unerbittlichen, menschenverachtenden, maschinellen Organismus, der das Gymnasium war, ihn beglückte, daß die Macht, die kalte Macht, an der er selbst, wenn auch nur leidend, teilhatte, sein Stolz war. Am Geburtstag des Ordinarius bekränzte man Katheder und Tafel. Diederich umwand sogar den Rohrstock.«6
Manche der Änderungen im Film gegenüber dem Roman scheinen ohne größere dramaturgische Bedeutung, so wohnt Diederich in Berlin bei Mann in der Tieckstraße, bei den Staudtes in der Schlegelstraße. Man darf einen kleinen Gag unter Theaterleuten oder Germanisten in Bezug auf die berühmten Schlegel-Tieck-Übersetzungen von Shakespeares Werken vermuten.
Einige Elemente des Romans wurden, wenngleich nicht mit der gleichen Ausführlichkeit, so doch mit derselben Aussage in den Film übernommen. So sind die Absprachen und Intrigen Diederichs mit dem Werkmeister Napoleon Fischer im Roman noch ausführlicher dargestellt. Dagegen wird die Beeinflussung der Presse im Film ebenso wenig gezeigt wie die Verheiratung seiner Schwester Magda aus geschäftlichen Gründen.
Einer der wichtigsten Kritikpunkte Manns richtet sich gegen den wilhelminischen Chauvinismus gegenüber Frauen. Eine bedeutende Nebenfigur ist Kätchen Zillich, die im Film nicht aufgenommen wird. Ihr Weg von einer Pastorentochter zur Edel-Prostituierten berührt die Biografie Diederich Heßlings über eine Reihe von Jahren mehrfach. Das Thema der Unterdrückung der Frau konzentriert sich im Film auf Agnes Göpel sowie die Mutter und die Schwestern Diederich Heßlings. Im Roman wird Diederich zitiert: »Weibern glaube ich überhaupt nichts, und mit Mama ist es nun mal nicht richtig.«7 Die Fragen des gemeinsamen Erbes Diederichs, seiner Mutter und seiner Schwestern Magda und Emmi, werden gar nicht besprochen. Es steht von vornherein fest, dass Diederich alles entscheidet und alleine regelt.8
In seiner Beziehung zu Agnes Göpel ist Diederich zunächst verliebt, verlässt sie aber nach sexuellem Kontakt zu ihr, mit dem Hinweis gegenüber Agnes’ Vater: »mein moralisches Empfinden verbietet mir, ein Mädchen zu heiraten, das mir ihre Reinheit nicht mit in die Ehe bringt.«9 Genauso ergeht es ihm selbst, als er den Liebhaber seiner Schwester Emmi zur Rede stellt; er erhält die Antwort: »Der Ehrenkodex meines Regimentes verbietet mir, ein Mädchen zu heiraten, das mir ihre Reinheit nicht mit in die Ehe …«10 Aber all dies, die Schmach und der Schmerz der Frauen, ist für Diederich, stellvertretend für die wilhelminische Männerwelt, weniger wichtig als die männliche Ehre, er stellt fest: »den preußischen Leutnant, den macht uns keiner nach«.11 Auch zum Thema Frauenfeindlichkeit verdichtet der Film die Aussagen des Romans.
Sowohl Mann als auch Staudte waren die Erzählstränge der Neuteutonen-Zugehörigkeit und des Militärdienstes ausgesprochen wichtig. Hier wird das, was Tucholsky als »Kollektivität« bezeichnet, ausführlich ausgearbeitet. Im Film heißt es, fast wörtlich von Mann übernommen: »Voll Dankbarkeit erhebt er gegen jeden, der ihn dazu anregte, sein Glas. Das Trinken, das Sprechen, das Singen, das Stehen und Sitzen, alles wird kommandiert. Und wenn man es befolgt, lebt man mit sich und der Welt in Frieden.«12 Verkürzt zwar, aber doch mit vielen wörtlichen Zitaten Manns, erzählt der Film diese Schulung Diederichs sehr ausführlich, unterstützt von decouvrierenden Kameraeinstellungen.
Auch die Darstellung von Diederichs Militärdienst und der Loslösung davon durch einen Medizinalrat, einem Alten Herrn der Neuteutonia, wird in den Film mit gleicher Technik übertragen. Wieder gibt es wörtliche Übernahmen der Formulierungen des Romans, so z.B.: »Welche Katastrophe! Er hatte in seiner Ahnungslosigkeit vorwitzig das Wort an eine Macht gerichtet, von der man stumm und auf den Knien des Geistes nur Befehle entgegenzunehmen hatte!«13 Die Technik der Adaptation dieser Sequenzen für den Film entspricht im Wesentlichen der ersten Sequenz, der Charakterisierung Diederichs während der Kindheit.
Für die Aussage des Films ist neben dem Drehbuch auch die Arbeit des Kameramanns Robert Baberske entscheidend. Schon in den ersten Einstellungen, bei der Darstellung von Diederichs Kindheit, arbeitet er mit extremen Aufnahmen von oben oder unten, um die jeweilige Position Diederichs zu zeigen. Verstärkt wird diese Technik während der Darstellung der Militärzeit. Ganz besonders deutlich wird dies in der Sequenz, in der Diederich Heßling dem Kaiser in Rom begegnet. Hier wird Diederich zum Untertan par excellence.14
Auch auf andere Weise werden die Bilder zum Mittel der Satire: Eine Theaterszene mit dem jungen Herrn Buck, dem schauspielernden Rechtsanwalt, endet mit einem heruntergeklappten Visier. Der Demokrat