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      Das Leben besteht aus Extremen. Leben ist die Spannung zwischen den Gegensätzen. Ständig genau in der Mitte zu sein wäre der Tod. Die Mitte ist nur eine theoretische Möglichkeit. Nur ab und zu befindest du dich in der Mitte, als vorübergehende Phase. Es ist wie Seiltanzen: Du kannst nicht lange genau in der Mitte sein. Wenn du das versuchst, stürzt du ab.

      In der Mitte zu sein ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamisches Phänomen. Balance ist kein Hauptwort, sondern ein Zeitwort – eigentlich ist es ein Balancieren. Der Seiltänzer bewegt sich ständig von links nach rechts, von rechts nach links. Wenn er spürt, dass er sich zu sehr nach einer Seite gelehnt hat und Gefahr läuft abzustürzen, gleicht er es sofort aus und lehnt sich nach der anderen Seite. Beim Übergang von links nach rechts, von rechts nach links, genau in diesem Augenblick, ist der Seiltänzer in der Mitte. Wenn er sich aber zu sehr nach einer Seite gelehnt hat und Angst haben muss, zu fallen und das Gleichgewicht zu verlieren, verlagert er sein Gewicht nach der anderen Seite, und dabei ist er wieder für einen kurzen Augenblick in der Mitte.

      Das ist gemeint, wenn ich sage, Balance ist kein Hauptwort, sondern ein Zeitwort. Es geht um ein Balancieren, einen dynamischen Prozess. Du kannst nicht exakt in der Mitte bleiben. Du bewegst dich ständig von links nach rechts und von rechts nach links – das ist die einzige Möglichkeit, in der Mitte zu bleiben.

      Vermeide nicht die Extreme. Und wähle keines der Extreme. Bleibe offen für beide Pole – darin besteht die Kunst, das Geheimnis des Balancierens. Ja, manchmal bist du total glücklich, und manchmal bist du total traurig – und beides hat seine Schönheit.

      Der Verstand wählt ständig. Dadurch entsteht das Problem. Bleibe wahlfrei. Egal was geschieht, egal wo du bist – rechts oder links, in der Mitte oder nicht in der Mitte: Genieße diesen Augenblick in seiner Totalität. Wenn du glücklich bist und tanzt und singst und Musik machst – sei einfach glücklich! Und wenn die Traurigkeit kommt – und sie wird kommen und muss kommen, das ist unvermeidlich, das kannst du nicht verhindern … Sobald du versuchst, es zu verhindern, machst du damit die ganze Möglichkeit zunichte, glücklich zu sein.

      Der Tag kann nicht ohne die Nacht existieren, der Sommer kann nicht ohne den Winter existieren. Das Leben kann nicht ohne den Tod sein. Nimm diese Tatsache der Polarität tief in dein Wesen auf. Es gibt keine Möglichkeit, ihr zu entgehen. Die einzige Möglichkeit wäre, sich immer mehr abzutöten – nur ein Toter kann in einer statischen Mitte sein. Ein lebendiger Mensch ist stets in Bewegung – vom Zorn zum Mitgefühl, vom Mitgefühl zum Zorn … Und er akzeptiert beides, er identifiziert sich weder mit dem einen noch mit dem anderen. Er bleibt distanziert, aber dennoch involviert, nicht identifiziert und dennoch engagiert. Ein lebendiger Mensch genießt alles und verweilt darin wie eine Lotusblüte – im Wasser lebend, aber vom Wasser dennoch unberührt.

      Dein Bemühen, in der Mitte zu sein und für immer und ewig in der Mitte zu bleiben, erzeugt dir nur unnötigen Stress. Eigentlich ist dieser Wunsch, immer in der Mitte zu sein, ebenfalls ein Extrem, das schlimmste überhaupt, weil es in die Kategorie des Unmöglichen fällt. Es lässt sich einfach nicht bewerkstelligen. Stell dir mal eine dieser Großvateruhren vor: Wenn du das Pendel genau in der Mitte festhältst, bleibt sie stehen. Eine solche Uhr funktioniert nur, wenn sich das Pendel ständig von links nach rechts und von rechts nach links bewegen kann. Natürlich geht es dabei jedes Mal durch die Mitte, und für einen Augenblick ist es völlig zentriert, aber nur für einen kurzen Augenblick.

      Und das ist schön so! Beim Übergang vom Glücklichsein zum Traurigsein, vom Traurigsein zum Glücklichsein gibt es einen Augenblick der absoluten Ruhe – genau in der Mitte. Das kannst du genießen. Das Leben muss in all seinen Dimensionen gelebt werden, nur dann wird es ein reiches Leben sein. Wer nur auf der linken Seite bleibt, ist arm, wer nur auf der rechten Seite bleibt, ist arm, und wer sich nur in der Mitte aufhält, ist tot! Ein lebendiger Mensch ist weder ein Linker noch ein Rechter, noch ist er ein Anhänger des Zentrums. Er bleibt ständig in Bewegung, er ist im Fluss.

      Warum willst du überhaupt in der Mitte sein? Weil du Angst hast vor den Schattenseiten des Lebens. Du willst nicht unglücklich, willst nicht verzweifelt sein. Aber das ist nur möglich, wenn du bereit bist, auch auf die Ekstase zu verzichten. Einige Menschen entscheiden sich dafür – es ist der Weg des Mönchs. Seit vielen Jahrhunderten ist das der Weg des Mönchs: Er ist bereit, jede Möglichkeit für Ekstase zu opfern, nur um der Seelenpein zu entgehen. Er ist bereit, sämtliche Rosen zu vernichten, nur um den Dornen zu entgehen. Aber das macht sein Leben schal und eintönig, ein ödes Dasein voller Stagnation und Langeweile. Er lebt nicht wirklich. Er hat Angst vor dem Leben.

      Das Leben enthält beides: Es bringt großen Schmerz und es bringt auch große Lust. Schmerz und Lust sind die zwei Seiten einer Münze. Wenn du das eine ausschließt, musst du auch das andere ausschließen. Das war seit jeher eines der grundlegenden Missverständnisse: zu meinen, man könne den Schmerz loswerden und die Lust behalten, man könne der Hölle entgehen und den Himmel erlangen, man könne das Negative vermeiden und nur das Positive wählen. Das ist ein großer Irrtum. Es ist unmöglich. Es liegt nicht in der Natur der Sache. Das Positive und das Negative gehören zusammen, unvermeidlich und unteilbar zusammen. Es sind die beiden Aspekte ein und derselben Energie. Wir müssen beides akzeptieren. Schließe alles mit ein, sei alles. Wenn du auf der linken Seite bist, lass dir nichts entgehen – genieße es! Auf der linken Seite zu sein hat seine eigene Schönheit, und diese Schönheit entgeht dir, wenn du auf der rechten Seite bist. Dort sieht es ganz anders aus. Und in der Mitte zu sein hat eine Stille und einen Frieden, den du bei keinem der Extreme finden wirst. Darum genieße alles. Bereichere dadurch ständig dein Leben.

      Kannst du nicht auch in der Traurigkeit eine Schönheit sehen? Meditiere darüber. Wenn du das nächste Mal traurig bist, kämpfe nicht dagegen an. Verschwende keine Zeit damit, dich dagegen zu wehren. Akzeptiere sie, heiße sie willkommen, lass sie ein willkommener Gast sein. Schau sie dir an, voller Liebe und Wohlwollen, in ihrer ganzen Tiefe. Sei ihr ein guter Gastgeber. Du wirst dich wundern! Du wirst eine unbegreifliche Überraschung erleben: Die Traurigkeit hat ein paar schöne Seiten, wie sie die Fröhlichkeit nie haben kann. Die Traurigkeit hat eine Tiefe – dagegen ist die Fröhlichkeit nur oberflächlich. Die Traurigkeit bringt Tränen, die viel tiefer gehen als jedes Lachen. Die Traurigkeit hat ihre eigene Stille, ihre eigene Melodie, die die Fröhlichkeit niemals haben kann. Die Fröhlichkeit hat auch ihre Musik, aber sie ist lauter, nicht so still.

      Ich sage nicht, dass du die Traurigkeit wählen sollst. Ich sage nur, dass du auch sie genießen kannst. Wenn du fröhlich bist, genieße die Fröhlichkeit. Schwimme an der Oberfläche, aber manchmal tauche im Fluss ganz tief hinunter. Es ist derselbe Fluss! An der Oberfläche genießt du das Spiel der Wellen und die Schaumkronen, die Sonnenstrahlen und den Wind – sie haben ihre eigene Schönheit! Aber tief ins Wasser hinabzutauchen hat seine eigene Qualität, sein eigenes Abenteuer, seine eigenen Risiken.

      Und halte nichts fest. Manche Menschen halten zu sehr an ihrer Traurigkeit fest. Die Psychologen kennen das und bezeichnen solche Leute als Masochisten: Sie kreieren sich ständig Situationen, in denen sie permanent unglücklich sein können. Unglücklich zu sein ist das Einzige, was sie genießen können. Sie haben Angst davor, glücklich zu sein. Im Unglück fühlen sie sich zu Hause. Viele Masochisten werden fromm, weil die Religion für ihre psychische Verfassung einen wunderbaren Deckmantel bereitstellt. Die Religion liefert eine großartige Rationalisierung für Masochismus.

      Ohne religiöse Verbrämung fühlt sich ein Masochist schnell verurteilt und unbehaglich – ihm ist nicht wohl in seiner Haut, er fühlt sich krank. Irgendwie weiß er, dass er nicht normal ist. Er fühlt sich schuldig für die Art, wie er sein Leben lebt, und trachtet es zu verbergen. Wird ein Masochist aber religiös, so kann er seinen Masochismus stolz zur Schau stellen. Dann ist er kein Masochist mehr – er ist ein Asket! Er lebt ein frommes, enthaltsames Leben. Das nennt sich dann „Selbstdisziplin“, nicht Selbstquälerei. Geändert hat sich aber nur die Bezeichnung.

      Einen solchen Menschen wird niemand als abnorm bezeichnen – er ist ja ein Heiliger! Niemand wird ihn als Psychopathen bezeichnen, denn er ist fromm geworden, ein Heiliger. Die Masochisten haben sich schon immer zur Religion hingezogen gefühlt. Für sie besitzt die Religion eine große Anziehungskraft.

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