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um in das frische, gesundrote Gesicht des Hochgewachsenen zu sehen. Ein unbestimmtes Gefühl oder vielleicht der Ausdruck strengen, harten Willens über dem breiten Kinn sagte ihr, dass er hier Herr sei. Auch errötete das bedienende Mädchen wie in Verlegenheit, als der Mann ihm mit kurzem Griff Nadeln und Massband aus den Händen nahm.

      Fridas Antwort wartete er nicht ab. Er fasste nach dem Gürtelband über ihren Hüften, glättete mit den Fingern Falten und zog einen Kreidestrich über das Tuch. Niederkniend zupfte er am Rocksaum mit der knappen Frage:

      „Länge richtig?“

      „Etwas kürzer wäre mir lieber.“

      Wieder zog er flink einen Kreidestrich und hob sich hinter ihrem Rücken auf die Füsse.

      Im Spiegel sah sie, dass er den Oberleib zurückbog. Sein Blick prüfte, ob der Rock gut hing, mit grauen Augen, die weit auseinander standen, als könnten sie nichts aus engem Gesichtswinkel schauen. Ärgerlich schüttelte er den Kopf und kniete nochmals nieder. Auch zwischen Hüften und Knien warf das Tuch wohl Falten. Um den Fehler des Zuschneiders zu finden, tasteten dort seine Finger von unten nach oben über ihre Glieder.

      Tief musste Gutschmidt den Kopf senken. Ein Gefühl der Verlegenheit oder gar Beschämung kam. Der Frauenschneider, dessen Hände einst täglich, aber stets gleichgültig, über das Tuch auf Frauenkörpern geglitten waren, fühlte das Blut zu den Wangen steigen. Seine Finger begannen zu zittern.

      Er war fertig und stand hochatmend auf. Das Mädchen griff zum zweiten Kostüm. Sonst wäre Gutschmidt hier geblieben, während eine Kundin den Rock wechselte. Tausend Frauen hatte er im Unterrock gesehen. Heute fühlte er sich nicht als Schneider, sondern als Mann und trat aus der Tür. Als das Mädchen wieder öffnete, trug Frida von Hemmern das nach ihrer Skizze geschnittene Kleid. Von den Schultern liefen nach des Jahres Mode zwei Bänder zu einem runden Kragen im Rücken zusammen. Er legte sie aneinander und wollte mit der Schere einen Streifen vom unteren Saum des Kragens trennen. Fräulein von Hemmern sah es im Spiegel und hob die Hand:

      „So gibt’s einen Buckel!“

      Überrascht trat er zurück. Eine Belehrung hatte er lange nicht gehört. Doch schien ihm der Einwand berechtigt:

      „Sicheres Auge, meine Gnädigste. Überhaupt verstehen Sie sich auf die Schneiderei. Das sah ich an der Skizze.“

      Er prüfte und fühlte weiter. Ihr schmeichelte seine Anerkennung. Sie empfand nicht, dass sie neben einem Lieferanten stand:

      „Die war schnell aus Journalen zusammengestoppelt.“

      Er lächelte: „Ich weiss, wie schwer solch Stoppeln ist.“

      Da kamen sie ins Plaudern über die beiden liebe Schneiderei. Während er heftete und schnitt, betrachtete sie im Spiegel den Mann aus einer fremden Welt, die sie mit Samt und Seide, mit Putz und Tand stets gelockt hatte. Ein merkwürdiger Schneider! Natürlich anders als die Herren, mit denen sie verkehrte, und doch erinnerte seine derbe straffe Männlichkeit an Gefährten vom Sportplatz. In Gottes freier Luft, nicht in der Werkstatt schien auch sie gereift. Keineswegs plump, aber gedrungen sah er aus und schien nicht gemacht, um zu gewinnen, wo feingeklügelte Satzungen das Spiel regelten, sondern gewohnt, seinen Weg mit der Faust zu bahnen.

      Auch über die Kleider der Mutter plauderten sie. Sie freute sich seiner Komplimente noch, während er sie zum Fahrstuhl geleitete. Es schien nicht wunderlich, dass die Gestalten von Männern und Frauen vor dem Vorüberschreitenden in Ehrerbietung erstarrten.

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