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meine ich, ist unser auffälliges Benehmen in Triest erklärt. Wir konnten nicht glauben, daß uns die Freude bestimmt sein sollte, Athen zu sehen. Daß das Stück Realität, das wir ablehnten, zunächst nur eine Möglichkeit war, bestimmte die Eigentümlichkeiten unserer damaligen Reaktion. Als wir dann auf der Akropolis standen, war die Möglichkeit zur Wirklichkeit geworden, und die Reaktion äußerte sich in veränderter Form aber weit deutlicher erkennbar von Neuem. Ihr richtiger, unentstellter Ausdruck hätte lauten sollen: Ich hätte wirklich nicht gedacht, daß es mir je gegönnt sein würde, Athen mit meinen eigenen Augen zu sehen, wie es doch jetzt der Fall ist. Wenn ich mich erinnere, welch glühende Sehnsucht zu reisen und die Welt zu sehen, mich in den Gymnasialjahren beherrschte, und wie spät sie sich in Erfüllung umzusetzen begann, verwundere ich mich dieser späten Nachwirkung – ich war damals 48 Jahre alt – nicht. Ich habe meinen um ein Dezennium jüngeren Bruder nicht befragt, ob er Ähnliches wie ich verspürt. Eine gewisse Scheu lag über dem ganzen Erlebnis, sie hatte bereits in Triest unseren Gedankenaustausch behindert.

      Wenn wir aber als den Sinn meines »Einfalls« auf der Akropolis richtig erraten haben, er drücke meine freudige Verwunderung darüber aus, daß ich mich an diesem Ort befinde, so wendet sich unser Interesse zur Frage, warum dieser Sinn im Einfall eine so entstellte und entstellende Einkleidung gefunden hat.

      Der wesentliche Inhalt des Gedankens ist auch, in der entstellten Äußerung erhalten geblieben, ein Unglaube. (»Nach dem Zeugnis meiner Sinne befinde ich mich jetzt auf der Akropolis, allein ich kann es nicht glauben.«) Dieser Unglaube, dieser Zweifel an einem Stück der Realität, wird in der Äußerung aber in die Vergangenheit gerückt und von meiner Beziehung zur Akropolis auf etwas anderes, auf die Existenz der Akropolis selbst, verschoben. So kommt etwas zustande, was der Behauptung gleichkommt, ich hätte früher an der wahren Existenz der Akropolis gezweifelt, was die Erinnerung aber als unrichtig, ja unmöglich ablehnt. Man kann versuchen, sich in den Umsetzungsprozeß weiter zu vertiefen. Das Ursprüngliche mag eine Empfindung gewesen sein wie: an dieser Situation ist etwas unglaubwürdig, etwas unwirklich. Die Situation besteht aus meiner Person, der Akropolis und meiner Wahrnehmung derselben. Ich kann diesen Zweifel nicht gut unterbringen, ich kann ja meine Sinneseindrücke von der Akropolis nicht bezweifeln. Aber ich erinnere mich, daß ich in ferner Vergangenheit an etwas gezweifelt habe, was mit eben dieser Akropolis zusammenhängt. Also finde ich die Auskunft, den Zweifel in die Vergangenheit zu versetzen. Aber ich erinnere nicht einfach, woran ich damals gezweifelt, nämlich ob ich je die Akropolis sehen würde, sondern der Zweifel ändert seinen Inhalt, ich behaupte jetzt, daß ich damals an der wirklichen Existenz der Akropolis gezweifelt hatte. Das kann nur unter dem Einfluß der gegenwärtigen Situation möglich geworden sein, in ihr muß sich ein solcher Zweifel an einer Realität finden lassen. Kurz, die ganze anscheinend verworrene und so schwer darstellbare psychische Situation klärt sich durch die Annahme, daß ich auf der Akropolis stehend einen Moment lang das Gefühl hatte: was ich da sehe, ist nicht wirklich – man nennt das ein Entfremdungsgefühl – und daß ich einen Versuch machte, dieses Gefühl abzuwehren. Es gelang auf Kosten einer falschen Aussage über die Vergangenheit.

      II

      Die synthetische Funktion

      Das Ergebnis vorstehender Untersuchung ist also, ich hätte in jenem Moment auf der Akropolis die Idee – und das sie begleitende Gefühl – haben sollen: was ich da sehe, ist nicht real, ist vielleicht geträumt oder ich hätte mir selbst merkwürdig verändert vorkommen müssen, als wäre ich nicht derselbe, was sich viel schwerer in Worte fassen läßt. Das erstere schlage ich vor, als Entfremdung zu bezeichnen im effektiven Sinn, das andere als Depersonalisation. Beide Phänomene scheinen einander sehr nahe zu stehen. Ich kenne eigentlich keines von beiden aus unzweideutiger eigener Erfahrung; ich stelle mir vor, es mag oft nicht leicht sein, sie zu unterscheiden. Was ich auf der Akropolis wirklich erlebt habe, war ja eine Abwehr eines solchen Fremdheitsphänomens, eine ungewöhnliche Entstellung desselben. Aus dem Studium dieser Entstellung hoffe ich etwas Einsicht in die Entstehung der typischen Phänomene zu gewinnen.

      Es ist nicht zu gewagt anzunehmen, daß gewisse Erinnerungstäuschungen wie das Déjà vu trotz ihrer anscheinend gegensätzlichen Richtung der gleichen Reihe angehören. Einen allgemeinen Charakter der Fremdheitsphänomene haben wir an unserem Beispiel mühelos erkannt, ihre Absicht, sie diene der Abwehr, es soll etwas fern gehalten werden. Mit einem raschen Schritt stellen wir sie an die Seite der Mechanismen, die Ähnliches bezwecken wie Verdrängung und Verleugnung. Da sie aber ganz anders aussehen und ein wesentlich verschiedenes Ergebnis liefern als die Verdrängung, müßten sie sich auch in einem maßgebenden Punkt von den anderen Vorgängen mit ähnlicher Absicht unterscheiden.

      Ein Schritt weiter: Dieser Unterschied ist am ehesten ein logischer. Die Verdrängung vollzieht sich zwischen Vbw und Ubw. Nichts dergleichen bei den Entfremdungen. Aber da das Ergebnis des Entfremdungsvorgangs stets ein Unglaube ist, ein Zweifel an der Realität, so liegt es nahe, ihn dorthin zu verlegen, wo es sich um die Funktion der Realitätsprüfung handelt, also in das Ich selbst, das, obwohl dem Vbw soviel näher, doch auch soviel wenig bekannte Pro…ngen und Funktionen umschließt. Also die Entfremdungsphänomene sind Abwehrvorgänge innerhalb des Ichs, in denen sich ein Theil des Ichs gegen einen anderen Theil kehrt und ihm etwas verweigert. Das Ergebnis ist, daß entweder ein Stück des Ichs fremdartig erscheint – dem anderen, oder daß ein Stück der objektiven Außenwelt für unreal gehalten wird. Man soll dieses Dilemma aber nicht in seiner Bedeutung überschätzen. Die Fälle unterscheiden sich nur durch eine Projektion, denn die Außenwelt ist uns nur durch unsere Wahrnehmungen gegeben, und an einem Stück von ihr zweifeln heißt doch nur, an jenem Stück von unserem Ich, an jenen Wahrnehmungen zweifeln, durch die jene Außenwelt repraesentirt ist. Der Zweifel ist also immer im Ich. Es fragt sich dann, was die beiden Teile des Ichs einander verweigern.

      Unter allen Vorwürfen, die die Psychoanalyse seit ihrem Beginn hat hinnehmen müssen, ist einer ganz besonders flach und unhaltbar, weil er ohne Beziehung auf den Sachverhalt nur aus dem Namen geschöpft ist. Er lautet, die Psychoanalyse sei ein unvollständiges Verfahren, sie bedürfe zu ihrer Ergänzung eines gegensinnigen Eingriffs einer Psychosynthese! Sonst wirke sie schädlich her…end. Als hätte die Analyse jemals angestrebt, die einzelnen seelischen Elemente sauber herauspraeparirt, aus dem Zusammenhang gelöst, vielleicht die gleichartigen zu Bündeln verschnürt oder in Häufchen angeordnet an gesonderte Stellen im psychischen Raum hinzulegen oder hätte es erreichen können, wenn sie es gewollt hätte. Der unsinnige Einwand übersieht, daß im Seelenleben, genauer gesagt in unserem Ich, unausgesetzt und unaufhaltsam ein Vorgang der Synthese am Werk ist, so daß ein Element, kaum aus seinem bisherigen Zusammenhang gelöst, von einem neuen ergriffen wird und in ihm seine Einreihung findet. Von dieser synthetischen Funktion des Ichs wissen wir freilich lange nicht genug, aber wir haben nie ihre Bedeutung unterschätzt. Sie mag wie alle anderen seelischen Leistungen ihre Bedingungen und ihre Schwierigkeiten haben. Phänomene wie die Entfremdungen werden wahrscheinlich dazu verhelfen, diese zu studiren. Im folgenden werde ich versuchen, jene Grundvorstellungen anzugeben, die wir an ein solches Studium heranbringen.

      a). Ein solcher Prozeß der Synthese geht nur in dem Theil der Seele vor sich, den wir das Es heißen. Wir haben von ihm nur eine unbestimmte Empfindung, auf die wir unseren Glauben an eine Einheit des Ichs gründen. Störungen desselben machen sich viel deutlicher fühlbar. Im Es giebt es diesen Prozeß nicht, ja das Fehlen desselben stellt einen der wesentlichen Unterschiede der beiden seelischen Formationen dar. Nur dies Fehlen ermöglicht es, daß im Es die einzelnen Triebregungen im Allgemeinen unabhängig von einander bestehen und vereinzelt ihrer Erfüllung nachstreben.

      b). Diese synthetische Funktion wird bestritten von einer überall im Ich wirksamen, nach unserer Terminologie dazugelieferten Libido, die den Hauptcharakter der Libido, die Tendenz zur Herstellung immer größerer Einheiten, in besonders plastischer Weise zeigt. Es besteht keine Schwierigkeit, diese Libido aus dem Vorrat des ursprünglichen Narzißmus hervorgehen zu lassen.

      c). Auf welche Weise diese Libido ihre Ziele erreicht, wäre eines der interessantesten Probleme unserer metapsychologischen Spekulation, die derzeit leider nur auf unbestimmte Annäherungen beschränkt ist und in Wahrheit nicht weit über die theoretischen Vorstellungen hinausreicht, die vor 40 Jahren von Breuer in seinem theoretischen

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