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      Sigmund Freud

      Unglaube auf der Akropolis

       Ein Urtext und seine Geschichte

      Herausgegeben, eingeleitet und mit

      einem Nachwort von Alexandre Métraux

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      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

      Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

      sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      © Wallstein Verlag, Göttingen 2021

       www.wallstein-verlag.de

      Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf

      ISBN (Print) 978-3-8353-3859-3

      ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-4581-2

      ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-4582-9

      Inhalt

       Vorwort

       Sigmund Freud Brief an Romain Rolland

       Sigmund Freud Unglaube auf der Akropolis

       Akropolis-Reminiszenzen in zwei Fassungen

       Die Textzeugen

       Abbildungsnachweise

       Bibliographie

      Vorwort

      Zwei verwandte Texte Sigmund Freuds werden auf den nachfolgenden Seiten zum Vergleich durch Lektüre angeboten. Obwohl der Wortlaut einzelner Passagen beider Fassungen unverkennbar der gleiche, folglich die Verwandtschaft der beiden Texte offenkundig ist, wird keinem ein Vorrecht eingeräumt. Sie mögen als gleichwertige Zeugnisse von Freuds Bearbeitung eines Themas – der Reminiszenzen an die Reise nach Athen im Jahr 1904 – gelesen werden.

      Was deren Entstehung betrifft, liegt ein unbezweifelbarer Beweis nicht vor, welche Fassung der Entwurf und welche die letzte Bearbeitung ist. Je nachdem, welches Merkmal für das entscheidende gehalten wird (Datierung einerseits, Umstände, unter denen Freud den jeweiligen Text aus der Hand gegeben hat, andererseits), kann die eine Fassung als die erste, die andere als die nachträgliche – oder umgekehrt – gelten. Da diese Merkmale weder gleichgewichtig noch unerheblich sind, werden beide Texte in engster Nachbarschaft wiedergegeben.

      Diese Verfahrensweise mag befremdlich anmuten. Denn wirklich zeitgleich können die beiden Fassungen ja nicht gelesen werden. Sie entziehen sich, wie man sagen könnte, der synthetischen Lektüre. So stellt sich die Frage: Was besagen diese Texte, wenn sie nacheinander, wechselweise Absatz um Absatz oder auf andere Weise rezipiert werden?

      Welche Art der Lektüre gewählt wird, bleibt dem Belieben der Lesenden vorbehalten. Ungeachtet dieser Wahl kann die Frage auch anders beantwortet werden – in Anknüpfung an eine Episode aus dem Leben Arthur Rimbauds.

      Der Satz ist oft zitiert und oft kommentiert worden. Gewissheit, dass er von Rimbaud im überlieferten Wortlaut gesagt wurde, gibt es keine. Dies schmälert die Richtigkeit der in dem Satz enthaltenen Leseanweisung aber nicht. Wer ausschließlich auf Wortwörtlichkeit besteht, wird beispielsweise Johann Christoph Gottscheds Schrift Reinecke der Fuchs von 1752 missverstehen, und schon im Alltag wird das Mitsprechen und Hören sprachlicher Äußerungen scheitern – Umschreibungen, Metaphern, Witze, Gefühlsbekundungen und andere Sprechakte verfremden sich in reiner Wortwörtlichkeit zu zwecklosen Worthülsen.

      Ohne Wörtlichkeit, gleichviel, ob gelesen oder gehört, ergibt sich kein anderer und noch weniger ein womöglich vielfach anderer Sinn. Nicht jeder andere Sinn, von dem angenommen wird, er wohne Sprachgebilden inne, ist jedoch sofort erkennbar, und unstrittig braucht er sowieso nicht zu sein.

      Wie sich anderer Sinn hinter der Wortwörtlichkeit manifestiert, hängt sicherlich davon ab, ob beim Lesen eines Sprachgebildes die innere Stimme nach- oder mitspricht, ob Gedankenassoziationen nicht verhindert werden, ob Identifikationsprozesse stattfinden usw. Was bei wem der Fall ist, lässt sich vorab nicht festlegen, es sei denn, man entwickelt für sich ein Verfahren, an das man sich dann hält, oder man übernimmt ein vorhandenes Verfahren und lässt sich bei der Begegnung von Texten davon leiten.

      Das von Freud entwickelte Verfahren der Literaturrezeption beruhte auf der Annahme, vereinfachend gesagt, dass literarische Texte sich wie Traumberichte lesen ließen, die er sich von Patientinnen und Patienten in der Ordination anhörte. Freud las die von ihm untersuchten Werke in einer Rezeptionshaltung, welche die Wörtlichkeit an den Textoberflächen zum Ausgangspunkt nahm, diese Textoberflächen selbst indes als Ergebnis unterschwellig stattfindender Bedeutungsverschiebungen und -verfremdungen deutete, ähnlich den Verschiebungen und Verfremdungen im Traumgeschehen.

      Von der Frage, wodurch sich narrative Texte als dichterische auszeichnen, wollte Freud absehen. Es ging ihm nicht um die Bestimmung von Sprachgebilden als Wortkunst. Ihn interessierten die Motive, die Aussagetaktiken, die Diskursbrechungen, die er aus vorliegenden Texten ans Licht heben konnte. Kurz: Freud beschäftigte sich mit den Hintergründen des psychischen Apparats, der sich in belletristischen Texten jedoch auf Umwegen äußerte.

      Freud machte kein Hehl aus seiner literatur- und kunsttheoretischen Laienhaftigkeit. Er habe an sich bemerkt, meinte er, dass er auf Inhalte, nicht auf formale und technische Eigenschaften von Werken Wert legen würde. Und zu bedenken gab er zuerst sich selbst und dann jenen, die seinen methodischen Ratschlägen Gehör schenkten, dass die ästhetische Würdigung der Werke und die Aufklärung ästhetischer Begabungen als Aufgabe für die Psychoanalyse nicht in Betracht kämen.

      Freuds Bericht über die Athenreise von 1904 in der Fassung des Briefs an Romain Rolland ist, gerade weil er narrativ angelegt ist und sich wie eine kleine Erzählung ausnimmt, verschiedentlich zum Gegenstand gerade solcher Untersuchungen gemacht worden, die es auf die psychische Realität unter dem Text abgesehen hatten. Formale Eigentümlichkeiten, der Stil, einzelne Textmerkmale (beispielsweise die Tatsache, dass die Verse aus dem Klagelied der spanischen Mauren Ay de mi Alhama ohne Übersetzung auskommen mussten) haben in diesen Untersuchungen keine Beachtung gefunden. Hinter den gedruckt vorliegenden Äußerungen und unter der Wortwörtlichkeit wurden Prozesse der psychischen Realität Freuds identifiziert und beschrieben. Ausgangspunkt dieser Untersuchungen war aber stets die von Freud gewählte Wortwörtlichkeit an der Textoberfläche,

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