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ebenso wie die des Brockhaus und der Britannica. Diese Enzyklopädien bieten auf ihrer Internetplattform kostenpflichtige Abonnements an. Einen anderen Weg ging das Haus Larousse, das ab 2008 eine Plattform lancierte, auf der kostenlose Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Das ursprüngliche Konzept, einen Teil der Artikel durch CrowdsourcingCrowdsourcing erstellen zu lassen, wurde jedoch zugunsten des Autorenprinzips wieder zurückgenommen. Wiederum einen anderen Weg gingen die italienischen Verlage. De Agostini bietet mit der Seite sapere.it ein kostenloses Wissensportal an, das neben einer Enzyklopädie und Wörterbüchern auch Spiele beinhaltet. Im Gegensatz zu vielen anderen etablierten Verlagen setzt das Istituto dell’Enciclopedia Italiana weiterhin auf die gedruckte Ausgabe der Enciclopedia Treccani, die einen großen Teil des Umsatzes ausmacht. Begleitet wird die Printversion von einem kostenlosen Onlineangebot auf der Seite treccani.it und einer App für die mobile Konsultation. Angesichts der Entwicklungen im Bereich der PrintenzyklopädienEnzyklopädie– Print-~, aber auch im Bereich der Onlineauftritte nationaler Enzyklopädien stellt der Fall der Enciclopedia Treccani eine Ausnahme dar. Die hohe Akzeptanz der Printenzyklopädie in Italien hängt einerseits mit einer verlangsamten Entwicklung und einer schlechteren digitalen Infrastruktur im Land zusammen, andererseits aber auch mit der außergewöhnlichen kulturellen Bedeutung der Enzyklopädie. Denn nicht nur die Printausgabe, sondern auch der Internetauftritt erfreut sich großer Beliebtheit und erreichte im Jahre 2014 10 Millionen Nutzer, was zwar im Vergleich zur italienischen Wikipediaausgabe sehr gering, im Vergleich mit den Auftritten anderer Verlagshäuser jedoch enorm ist.

      2.7 Resümee

      Insgesamt lässt sich sagen, dass die Bezeichnung enzyklopaedia eine Schöpfung der Humanisten ist (um 1490) und von diesen in der Bedeutung ʻumfassendes pädagogisches Programm, das den Zusammenhang des Wissens betontʼ verwendet wird. Erst mit AlstedAlsted, Johann Heinrich wird der Ausdruck zur Bezeichnung von Nachschlagewerken benutzt und es entsteht ein Enzyklopädiebegriff, in dessen Folge im 19. Jahrhundert die Geschichte der Gattung Enzyklopädie geschrieben werden kann.

      In der Antike vermittelten enzyklopädische Werke vor allem Wissen zu den Sieben Freien Künsten, denen einzelne thematische Bücher gewidmet wurden (CatoCato, Marcus Porcius, VarroVarro, Marcus Terentius, PliniusPlinius der Ältere). Im Mittelalter wurde enzyklopädisches Wissen aus einer christlichen Sicht präsentiert und diente der Bildung von Geistlichen (CassiodorCassiodor, Isidor von SevillaIsidor von Sevilla, Vinzenz von BeauvaisVinzenz von Beauvais). Die Werke der Antike und des Mittelalters sind auf Latein abgefasst. Mit LatinisLatini, Brunetto Livres dou trésor begann die volkssprachlichevolkssprachlich Enzyklopädik und in der Renaissance wurde die zunehmende Fokussierung auf wissenschaftliche Inhalte durch Abhandlungen in der VolksspracheVolkssprache begünstigt. Im 17. Jahrhundert begann sich die Form des alphabetischen LexikonsLexikon– alphabetisches durchzusetzen. Als direkte Vorläufer der Enzyklopädien der Aufklärung gelten die Werke von MorériMoréri, Louis, FuretièreFuretière, Antoine und insbesondere das kritische Lexikon von BayleBayle, Pierre. Auf dieses bezog sich auch Vincenzo CoronelliCoronelli, Vincenzo.

      Mit ChambersChambers, Ephraim Cyclopaedia setzte die Tradition der aufklärerischen Enzyklopädien ein. Diese systematisierten die Wissensgebiete nach erkenntnistheoretischen Prinzipien und stellten dem Werk häufig einen Baum des Wissens voran. Die bekannteste unter diesen ist die Grande Encyclopédie ou Dictionnaire raisonnée des arts, des sciences et des métiers von DiderotDiderot, Denis und d’Alembertd’Alembert, Jean le Rond, die aufgrund ihrer polemischen Artikel auch häufig als „Bollwerk der Aufklärung“ gilt. In etwa zeitgleich entstand das Dizionario PivatisPivati, Gianfrancesco, das den Verhältnissen in Italien Rechnung trägt und den Primat der katholischen Religion mit aufklärerischen Ideen zu vereinbaren sucht.

      Die nachfolgenden Werke im 19. Jahrhundert bezogen sich zwar auf die Grande Encyclopédie, lehnten aber die kritische Vorgehensweise weitestgehend ab. Modellbildend wurden das KonversationslexikonKonversationslexikon, das breiten sozialen Schichten ein gesichertes Wissen vermitteln wollte, und das enzyklopädische Wörterbuchenzyklopädisches Wörterbuch von Larousse. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden Enzyklopädien als nationale Projekte. Als Modell wirkte die Encyclopædia Britannica. Die bekannteste Enzyklopädie dieses Zeitalters ist jedoch die Enciclopedia Italiana di scienze, lettere ed arti, die dem italienischen Faschismus verpflichtet ist. In der Folge weitete sich der Fokus und es existieren eine Vielzahl von Formaten nebeneinander.

      Mit dem Siegeszug digitaler Technologien findet ein MedienwechselMedienwechsel statt. Die etablierten Verlage gehen zunehmend dazu über, Enzyklopädien zunächst auf CD-ROM, später Onlineversionen, kostenpflichtig anzubieten. Eine Zäsur stellte die Entstehung der WikipediaWikipedia im Jahre 2001 dar, die Standards für digitale Enzyklopädien setzt und aufgrund ihrer Kostenlosigkeit und schnellen Erreichbarkeit zum Verschwinden der Printenzyklopädien führt.

      Die durch Wikipedia ausgelöste Zäsur wird insbesondere vor dem Hintergrund der Geschichte der Enzyklopädie sichtbar. Lässt sich durch die Geschichte hindurch eine Anpassung der Enzyklopädien an ein verändertes Zielpublikum erkennen, so bleibt doch der Produktionsprozess konstant. In Wikipedia folgt der Produktionsprozess durch CrowdsourcingCrowdsourcing und KollaborationKollaboration hingegen der Logik digitaler Plattform-Industrien.

      3 Wikipedia und der Wandel der Diskurstradition Enzyklopädieartikel

      In WikipediaWikipedia werden EnzyklopädieartikelEnzyklopädieartikel kollaborativ auf einer WikiplattformWikiplattform erstellt. Dadurch befinden sich die Artikel zum einen in der technischen Umgebung eines WikisWiki, die die Funktionalitäten der Artikel prägt. Zum anderen ermöglicht diese Technologie spezifische kommunikative und soziale Praktiken, die den Erstellungsprozess eines EnzyklopädieartikelsEnzyklopädieartikel grundlegend verändern. Dazu gehören die multiple Autorschaftmultiple Autorschaft durch relativ anonym und dezentral agierende Benutzer, die anhaltenden ModifikationenModifikation der Artikel, die an der VersionsgeschichteVersionsgeschichte nachvollziehbar werden und die intensiven AushandlungsprozesseAushandlungsprozess, die die Erstellung begleiten, und an Kommentaren in der VersionsgeschichteVersionsgeschichte oder auf den Diskussionsseiten der ArtikelDiskussionsseite sowie der NutzerprofileNutzerdiskussion sichtbar werden. In welchem Maße sich nun diese veränderten Bedingungen auswirken, und inwiefern sich WikipediaartikelWikipediaartikel von gedruckten Artikeln unterscheiden, wird in der Forschungsliteratur unterschiedlich eingeschätzt, wobei die Bewertungen von geringfügigen Abweichungen gegenüber PrintartikelnPrintartikel (cf. Fandrych/Thurmair 2011: 104) bis hin zu einer völlig neuen DiskurstraditionDiskurstradition (cf. Herring 2013: 15) reichen.

      3.1 Diskurstraditionen

      In der vorliegenden Studie werden Veränderungen in WikipediaartikelnWikipediaartikel vor dem Hintergrund des Konzepts der „Diskurstradition“ betrachtet, da sich dieses in besonderem Maße dazu eignet, Veränderungen in Enzyklopädieartikeln nachzugehen.

      3.1.1 Konzept

      Der Terminus DiskurstraditionDiskurstradition ist mit der Vorstellung verbunden, dass Diskurse nicht nur individuelle Realisierungen von Sprache sind, sondern dass sie durch Mustersprachliche Muster geprägt sind und deswegen Traditionen folgen. Es zeigt sich,

      daß in Diskursen nicht nur einzelsprachliche Regeln zur Anwendung gebracht werden, sondern daß Diskurse notwendig ganz bestimmte Textmuster, Textschemata oder Textmodelle realisieren – eben Diskurstraditionen folgen (Oesterreicher 1997: 20).

      Dieser Umstand führt dazu, dass Koch die historische Ebene in Coserius Modell des Sprachlichen doppelt, weil dieses den Diskurs lediglich auf der aktuellen Ebene der Realisierung sieht und somit die Traditionalität von Diskursen nicht erklären kann. Diese Traditionalität von Diskursen zeigt sich bei konkreten Texten anhand rekurrenter MerkmaleRekurrenz. Anhand dieser Merkmale wiederum können einzelne Texte einer Diskurstradition zugeordnet werden. Der Terminus Diskurstradition wird in der vorliegenden Studie bevorzugt verwendet, obwohl die Termini GattungGattung, GenreGenre, TextsorteTextsorte oder TexttypTexttyp ebenso zur Klassifizierung von Texten dienen. Jedoch

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