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      Ein stummer Schrei entrang sich meiner Brust, versiegte Tränen flossen über meine Wangen – umsonst all mein zagend Bangen, mein Kampf, mein Hoffen.

      Und all meine Fragen – nach Recht und Gerechtigkeit, nach Gott und Gottes Wille – offen.

      So unendlich offen.

      Ohne Antwort, ohne Hoffen.

      REINHARD:

      Armen-Begräbnis

      Das also ist von dir geblieben, der du gelebt, geliebt, gehofft, gebangt.

      Weil alle, die einst waren deine Lieben, sind gestorben, haben sich von dir gewandt, gibt es nun hienieden keinen, der noch den Weg zu deinem Grabe fand.

      Sozialbestattung wird genannt, wie man dich nun verscharrt – damit du, voll des Dankes, weißt, welch staatlich Wohlfahrt deiner, noch nach dem Tode, harrt.

      Früher wurd in geliehnem Sarg, im Pappkarton begraben. Heute, welch Fortschritt, sollst du ´ne richtge Urne haben.

      Der Totengräber trägt sie, unwillig, schlecht bezahlt. Schnell die Urne senkt sich ins kleine Urnen-Grab.

      Das also war´s.

      Nichts von dir geblieben, ein bisschen Asche nur, der Rest von dem, was einst der Liebe Gott dir gab:

      Dein Leben, deine Hoffnung und dein Mut – welch gewaltig Gut, von dem nichts blieb, nur dies erbärmlich kleine Grab.

      Hier also ruht nun deine arme Seele, nur Not war ihr Geleit.

      Die schlich bis hin zu deinem Grab; dann schlich sie weiter und überließ dich ewiger Vergessenheit.

      Auch wenn hienieden kaum einer dich vermisst: Nun schmerzt dich nichts mehr, und ich hoffe, dass süß dein Schlummer ist – durch diesen Schlaf, den nur der Tod verleiht, als letzter Engel der Barmherzigkeit.

      REINHARD:

      So denn mein Vermächtnis sei:

      Wenn ich selbst, dereinst, gestorben bin – ich bitte euch, ich bitte dich, betrauert und beweint mich nicht.

      Am Grab lasst keinen Pfaffen aus der Bibel lesen, der euch dann sagt, wie gut ich doch gewesen.

      Sei.

      Als ob dies wahr, zudem nicht gleichermaßen wäre einerlei.

      Was ihr begrabt ist ohnehin nur Hülle. Für meine Seele, meinen Geist. Für das, was man, eigentlich, den Menschen heißt.

      Und das fortleben soll in eurem Kopf, in euren Herzen, anfangs zwar mit vielen Schmerzen, dann aber, nach und nach, sich wandle in Gedenken.

      An einen Menschen. Das möcht der Herrgott euch, als mein Vermächtnis, schenken.

1. AKT

      REGIEANWEISUNG:

      Die Moldau – I (https://www.outube.com/watch?v=_zuCPYxnqH4: Anfang bis 2.12 min.)

      MARIA:

      Ein neues Leben

      Es kommt von einer weiten Reise, aus einem unbekannten Land.

      Im Irgendwo von Gott der Schöpfung aufgegeben, entstand ein neues Leben, das seinen Weg dann fand in dieses karge Land, das man die Welt genannt.

      In dieses Jammertal, wo viele Menschen leiden, überall, zu allen Zeiten, gar unermesslich Qual.

      Es schrie, das neue Leben, als seine Mutter es gebar.

      Als es ward ausgestoßen. Ungefragt.

      Darum, ihr Eltern und ihr Menschen, die kreuzen seinen Weg:

      Versteht, dass jedes neue Leben ist kostbar, heilig gar.

      Wie jedes Leben eben gar einzigartig.

      Wie jedes Leben, schlechthin, schlichtweg, gar wunderbar.

      Deshalb erspart Ihm allzu viele Sorgen.

      Ansonsten, kaum das neue Leben ward geboren, erleidet seine Seele einen frühen Tod:

      Falls allzu groß die Not, so existiert der Leib zwar noch als Hülle, doch dieser Hülle Seele ist und bleibet tot.

      REGIEANWEISUNG:

      Die Moldau – II (https://www.outube.com/watch?v=_zuCPYxnqH4: 4.10 min bis 6.18 min)

      REINHARD:

      An einen neuen Erdenbürger

      Licht im Dunkel, Geborgenheit im Chaos, Erkenntnis in Verwirrung, Liebe trotz allenthalben Hass, Freunde unter Feinden, allzeit Wärme in der Kälte des Lebens, schlichtweg den Himmel auf Erden wünsche ich Dir, der Du, ungefragt, geboren.

      Auf dass Du nicht verzagst am schier Unerträglichen, das wir nennen eines Menschen Leben.

      REGIEANWEISUNG:

      Die Moldau – III (https://www.outube.com/watch?v=_zuCPYxnqH4: 6.26 min bis 8.28 min)

      MARIA:

      „´Am Abend des 6. Juni warf eine Frau AI. Pr. ihre zweijährige Tochter Marie und ihren halbjährigen Sohn Reinhold in die Spree. Passanten verhinderten, dass den drei ältesten Kindern das gleiche geschah.´

      Dr. Alice Vollnhals, die Leiterin der Schwangerenfürsorge der Krankenkassen Berlins, kommt in einem Bericht über diesen Fall zu dem Ergebnis: ´Die Verzweiflungstat einer Mutter hat die Öffentlichkeit aufgewühlt; aber wie oft sind Mütter, gute, sanfte Frauen, ebenfalls am Rande eines Abgrunds! Gibt es da keine wirkliche Hilfe? Doch! Geburtenregelung im weitesten Sinn des Wortes, Zerstörung der Unwissenheit in diesen Dingen!´ (´Berliner Tageblatt´ vom 26. Juni 1928.)

      ´Hier starb unter auffallenden Umständen ein siebzehnjähriges Mädchen innerhalb einer Stunde. Eine amtliche Untersuchung ergab einen unerlaubten Eingriff zur Abtreibung der Leibesfrucht. Die Mutter der Verstorbenen wurde unter dem Verdacht der Beihilfe in Haft genommen.´ (´Schwäbische Tagwacht´ vom 21. Mai 1929.)

      ´... dort lernte er die Kassiererin M. F. kennen. Als nun die F. wieder in andern Umständen war, machte er auf deren eigenes Betreiben einen Abtreibungsversuch. Dabei wollte er von dem Sanitätssergeanten A. den Rat erhalten haben, er solle die Abtreibung mit Cyankali bewerkstelligen. Die F. ist dann an dem Gift nach schwerem Todeskampf gestorben.´ (´Süddeutsche Arbeiter-Zeitung´ vom 1. März 1929, Bericht über die Verhandlung des Schwurgerichts Augsburg, Mordprozess G.)

      Der 45. Deutsche Ärztetag in Eisenach schätzt die Zahl der jährlichen Abtreibungen in Deutschland auf eine halbe Million bis 800.000, darunter 10.000 Todesfälle (!) und 50.000 Erkrankungen. ´Man rechnet in Deutschland jährlich mit 50.000 Erkrankungsfällen nach Fehlgeburten.´ (Berichterstatter Lonne im Preußischen Landesgesundheitsamt.)

      ´Ich verstehe nicht, dass die armen, arbeitenden Klassen ein so schreckliches Leben führen müssen, während die Reichen, die Kinder haben könnten, entweder keine oder nur ein paar haben. Ich wollte, ich könnte mich auf die Dächer stellen und den armen Frauen verkünden, was sie tun müssen.´ (Brief einer New-Yorker Arbeiterin an die Fürsorgerin von New York, Margaret Sanger, aus: ´Zwangsmutterschaft´.)

      ´Eine Schwangere, welche ihre Frucht vorsätzlich abtreibt oder im Mutterleib tötet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Dieselben Bestimmungen finden auf denjenigen Anwendung, welcher mit Einwilligung der Schwangeren die Mittel zur Abtreibung oder Tötung bei ihr angewendet hat´ (§ 218 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich).“

      (Friedrich Wolf: Cyankali. Drama, 1929.)

      REGIEANWEISUNG:

      Michael Hoppe, Martin Tillman, Tim Wheater:

      A Thousand Whispers

      (https://www.youtube.com/watch?v=BNbb1PlP4AU)

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