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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
»Sie werden dieser Kanaille, diesem Schmutzfinken, diesem Lumpen von Preussen sagen, dass ich niemals wollen werde. Verstehen Sie wohl, nie, nie, niemals!«
Der dicke Wirt ging hinaus. Nun wurde Fett-Kloss von allen Seiten umringt, mit Fragen bestürmt, und energisch aufgefordert endlich das Geheimnis zu lüften, das über ihrer ersten Besprechung mit dem Offizier schwebte. Anfangs sträubte sie sich noch, aber der Ärger riss sie schliesslich mit fort. »Was er will? … Was er möchte? … Er will mit mir schlafen,« schrie sie auf. Niemand nahm an den Worten Anstoss, so groß war die Erregung über den Offizier. Cornudet stiess seinen Schoppen so heftig zurück, dass er vom Tisch fiel und klirrend zersprang. Das war ein Geschimpf über diesen elenden Schmutzian, ein zorniges Gemurmel, eine einstimmige Aufforderung zur Standhaftigkeit, als ob von jedem Einzelnen ein Teil dieses Opfers verlangt worden wäre. Der Graf erklärte mit Abscheu, dass diese Leute da schlimmer hausten, wie die Barbaren, Die Frauen namentlich bezeugten Fett-Kloss eine warme wohltuende Teilnahme. Die Ordensschwestern, die nur zu den Mahlzeiten unten erschienen, hatten den Kopf gesenkt und sagten nichts.
Als der erste Zorn verraucht war, setzte man sich nichtsdestoweniger zu Tische; aber alle waren einsilbig und nachdenklich.
Die Damen zogen sich frühzeitig zurück. Die Herrn, die nun sämtlich rauchten, arrangierten eine Partie Ecarté, zu der auch Herr Follenvie aufgefordert war. Man gedachte bei dieser Gelegenheit ihn geschickt über die Mittel auszufragen, wie man den Eigensinn des Offiziers brechen könnte. Aber er war nur auf sein Spiel bedacht und gab zerstreute Antworten. »An’s Spiel, meine Herrn; an’s Spiel!« wiederholte er stets. Seine Aufmerksamkeit war so gefesselt, dass er sogar das Ausspucken vergass, obgleich sich wahre Orgeltöne in seiner Brust entwickelten. Seine keuchende Kehle gab die ganze Skala des Asthma’s, von den höchsten bis zu den niedrigsten Noten wieder.
Sogar als seine Frau, die vor Müdigkeit umfiel, ihn holen wollte, weigerte er sich mit heraufzugehen. Da ging sie allein, denn sie pflegte früh als die erste mit der Sonne aufzustehen, während ihr Mann ein Nachtvogel war, der bis zur spätesten Stunde gern mit Bekannten aufzubleiben pflegte. »Leg’ mir mein Federbett an den Ofen,« rief er ihr nach und wandte sich dann wieder den Karten zu. Als man endlich einsah, dass aus ihm nichts herauszukriegen war, erklärte man, es sei Zeit zum Schlafengehen; und jeder suchte sein Bett auf.
Am anderen Morgen war alles bei Zeiten auf; man hegte eine unbestimmte Hoffnung, ein noch grösseres Verlangen nach der Abreise, einen Schrecken vor einem zweiten langweiligen Tage in dieser kleinen Herberge.
Aber ach! die Pferde blieben im Stalle, der Kutscher war nirgends zu sehen. Müssig umstand alles den Wagen.
Das Frühstück verlief sehr traurig. Gegen Fett-Kloss war eine gewisse Erkältung eingetreten; denn in der Nacht, die so manchen Ratschluss birgt, hatte man seine Ansicht etwas gemässigt. Man war jetzt fast ärgerlich gegen dieses Mädchen, weil sie es nicht verstanden hatte, heimlich dem Preussen zu Willen zu sein. Welch angenehme Überraschung wäre das am Morgen für ihre Reisegefährten gewesen. Was konnte es einfacheres geben? Wer hätte übrigens etwas davon erfahren? Warum konnte sie nicht den Schein wahren, und dem Offizier sagen, dass sie nur der Not weichend sich ihm ergebe? Übrigens für sie war das doch überhaupt nur nebensächlich.
Aber noch sprach niemand seine Gedanken offen aus.
Am Nachmittage, als man sich zum Sterben langweilte, schlug der Graf einen Spaziergang in der Umgegend vor. Jeder hüllte sich sorgfältig ein und die kleine Gesellschaft trat ihren Weg an, ausser Cornudet; der den Platz am Feuer vorzog, und den beiden Schwestern, die ihre Zeit in der Kirche oder der Pfarrwohnung zubrachten.
Die Kälte, die von Tag zu Tag intensiver wurde, prickelte ihnen empfindlich in Nase und Augen; jeder Schritt wurde ihren kalten Füssen zur Plage. Als sie nun draussen das weite Feld vor sich sahen, erschien ihnen die unbegrenzte weiße Fläche so öde und traurig, dass man sofort wieder den Rückweg einschlug.
Die vier Damen gingen voraus, während die drei Herren in einiger Entfernung folgten.
Loiseau, der die Lage erfasst hatte, fragte plötzlich, ob »dieses Mädchen da« sie noch lange in dieser Patsche sitzen lassen wollte. Der Graf, stets ritterlich, erklärte, man könne von einem Weibe ein solches Opfer nicht verlangen, es müsse von ihr selbst ausgehen. Herr Carré-Lamadon meinte, dass wenn die Franzosen, wie verlautete, einen Offensiv-Rückstoss von Dieppe aus machen würden, so könne das Treffen entschieden nur bei Tôtes stattfinden. Diese Ansicht machte die anderen bedenklich. »Ob man sich nicht zu Fuss davon machen wollte?« meinte Loiseau wieder. Der Graf zuckte die Achseln. »Woran denken Sie bei dem Schnee? Mit unseren Frauen? Und dann würde man sofort die Verfolgung aufnehmen, uns einholen, und als Gefangene der Gnade und Ungnade der Soldateska überliefern.« Das war richtig und man schwieg.
Die Damen sprachen von Toilette; aber ein gewisser Zwang schien auf ihnen zu lasten.
Plötzlich an der Strassenecke erschien der Offizier. Sein hoher schlanker Wuchs hob sich bei dem lichten Schnee noch deutlicher ab; er ging mit gebogenen Knien mit jener eigentümlichen Haltung der Soldaten, die ihre sorgfältig gewichsten Stiefel nicht beschmutzen wollen.
Er grüsste flüchtig die Damen und sah hochmütig auf die Herrn, welche übrigens noch Selbstgefühl genug besassen, den Hut nicht zu lüften, wenngleich Loiseau schon mit der Hand nach dem Kopfe fuhr.
Fett-Kloss war bis über die Ohren rot geworden; den drei Frauen war es ein peinliches Gefühl, von dem Offizier so in Gesellschaft dieser Prostituierten getroffen zu werden, gegen die er sich so unritterlich benommen hatte.
Das Gespräch drehte sich jetzt natürlich um ihn, um seine Haltung, sein Gesicht. Madame Carré-Lamadon, die ja viel mit Offizieren verkehrte und sie als Kennerin beurteilte, fand ihn durchaus nicht übel. Sie bedauerte sogar, dass er kein Franzose sei. Er würde jedenfalls einen hübschen Husaren abgegeben haben, in der alle Damen sich vernarrt hätten.
Zu Hause angekommen wusste man wieder nicht, was beginnen. Scharfe Worte fielen sogar wegen ganz nebensächlicher Dinge. Das Diner verlief rasch und fast schweigsam. Jeder ging bald zu Bett, in der Hoffnung die Zeit mit Schlafen totzuschlagen.
Am anderen Morgen erschien alles mit abgespannten Mienen und in verdriesslicher Stimmung. Die Damen sprachen kaum noch mit Fett-Kloss.
Eine Glocke läutete; in