Скачать книгу

Nach­den­ken. »Sehr ein­fach: Wir müs­sen ein Fest ar­ran­gie­ren, wenn es der Herr Ma­jor ge­stat­tet.«

      »Was für ein Fest?« frag­te der Ma­jor, die Pfei­fe aus dem Mun­de neh­mend.

      »Ich neh­me al­les auf mich, Herr Ma­jor,« sag­te der Haupt­mann sich ihm nä­hernd. »Ich wer­de den Quar­tier­meis­ter nach Rou­en schi­cken, um uns von dort Da­men zu ho­len, ich weiß schon, wo sie zu fin­den sind. In­zwi­schen tref­fen wir hier die Vor­be­rei­tun­gen zu ei­nem so­len­nen Sou­per. Im Üb­ri­gen ha­ben wir an nichts Man­gel und wer­den we­nigs­tens einen fi­de­len Abend ver­le­ben.«

      »Aber Herr Haupt­mann«; sag­te der Graf Farls­berg ach­sel­zu­ckend »das geht doch et­was zu weit.«

      In­des­sen wa­ren alle Of­fi­zie­re auf­ge­sprun­gen. »Las­sen Sie den Herrn Haupt­mann nur ma­chen, Herr Ma­jor«; ba­ten sie »es ist zu lang­wei­lig hier.«

      Sch­liess­lich gab der Ma­jor nach. »Also mei­net­we­gen denn!« sag­te er, und so­gleich wur­de der Quar­tier­meis­ter ge­ru­fen. Es war dies ein al­ter Un­ter­of­fi­zier, den man nie­mals hat­te la­chen se­hen. Er war ge­wohnt, alle Be­feh­le sei­ner Vor­ge­setz­ten ohne Zö­gern zu er­fül­len, moch­ten sie lau­ten, wie sie woll­ten.

      In stram­mer Hal­tung, ohne eine Mie­ne zu ver­zie­hen, emp­fing er die An­wei­sun­gen des Barons. We­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter fuhr ein Re­qui­si­ti­ons-Wa­gen, mit ei­ner Mül­ler-Pla­ne über­spannt und von vier mun­tren Pfer­den ge­zo­gen im Ga­lopp durch den strö­men­den Re­gen nach Rou­en.

      Es war, als ob der Plan des Haupt­man­nes die Geis­ter neu be­lebt hät­te. Man rich­te­te sich aus der nach­läs­si­gen Hal­tung auf, die Ge­sich­ter er­hell­ten sich und ein lus­ti­ges Ge­plau­der be­gann.

      Ob­schon der Re­gen nach wie vor in Strö­men fiel, woll­te der Ma­jor be­mer­ken, dass es we­ni­ger düs­ter sei; und der Lieu­ten­ant Otto ver­si­cher­te so­fort im Tone der Über­zeu­gung, dass der Him­mel sich auf­klä­re. Auch Mam­sell Fifi dul­de­te es nicht län­ger auf ih­rem Plat­ze. Bald sprang sie auf, bald setz­te sie sich wie­der hin. Ihr hel­ler kla­rer Blick such­te nach ei­nem ge­eig­ne­ten Ge­gen­stand für ihre Zer­stö­rungs­lust. Plötz­lich zog der jun­ge Of­fi­zier, das Auge auf die Dame mit dem Schnurr­bart hef­tend, sei­nen Re­vol­ver. »Du sollst das heu­te Abend nicht mehr se­hen,« mur­mel­te er für sich hin, und ziel­te, ohne sei­nen Platz zu ver­las­sen. Zwei Ku­geln durch­lö­cher­ten hin­ter­ein­an­der die bei­den Au­gen des Bil­des.

      »Le­gen wir eine Mine« rief er dann. Und plötz­lich brach jede Un­ter­hal­tung ab, als ob ein neu­es ge­wal­ti­ges In­ter­es­se sich der gan­zen Ge­sell­schaft be­mäch­tigt hät­te.

      Die »Mine« war sei­ne Er­fin­dung, sei­ne Art zu zer­stö­ren, sei­ne be­son­de­re Lieb­ha­be­rei.

      Graf Fer­di­nand d’A­moys d’Uville hat­te beim Ver­las­sen des Schlos­ses nicht Zeit ge­fun­den, aus­ser­dem in ei­nem Mau­er­loch ver­senk­ten Sil­ber­zeug, ir­gen­det­was zu ber­gen oder mit­zu­neh­men. So bot bei sei­nem großen Reich­tum und sei­ner Sam­mel­lust, der weit­läu­fi­ge Saal in Uville, wel­cher an den Spei­se­saal an­s­tiess, auch nach sei­ner has­ti­gen Flucht den An­blick ei­nes klei­nen Kunst­mu­se­ums. An den Wän­den hin­gen wert­vol­le Öl­ge­mäl­de, Zeich­nun­gen und Aqua­rel­le, wäh­rend auf den Mö­beln auf Eta­ge­ren und in ge­schmack­vol­len Glas­schrän­ken sich tau­sen­der­lei Nipp­sa­chen, Va­sen, Sta­tu­et­ten, Meiss­ner Fi­gür­chen, chi­ne­si­sche Tel­ler, al­tes El­fen­bein und Ve­ne­tia­ni­sches Glas sich ver­ein­ten, um dem wei­ten Rau­me ein eben­so kost­ba­res wie selt­sa­mes Ge­prä­ge zu ver­lei­hen.

      Jetzt war so gut wie nichts mehr da­von üb­rig. Nicht als ob man et­was ge­stoh­len hät­te; das wür­de der Ma­jor Graf Farls­berg nicht ge­dul­det ha­ben. Aber Mam­sell Fifi leg­te dort hin und wie­der eine »Mine« und alle Of­fi­zie­re fan­den dann je­des Mal für ei­ni­ge Zeit ihr Ver­gnü­gen da­bei.

      Der klei­ne Lieu­ten­ant be­gab sich in den Sa­lon, um zu su­chen, was er brauch­te. Bald kam er mit ei­ner zier­li­chen chi­ne­si­schen Tee­kan­ne wie­der, die er mit Schiess­pul­ver an­füll­te. Durch den Schna­bel steck­te er vor­sich­tig ein lan­ges Stück Pfei­fen­schwamm, zün­de­te es an, und leg­te die­ses höl­li­sche Zer­stö­rungs­in­stru­ment schleu­nigst im Sa­lon wie­der nie­der.

      Dann kehr­te er zu­rück und schloss die Tür. Die Deut­schen stan­den mit lä­cheln­der Mie­ne und war­te­ten auf den Er­folg die­ser kin­di­schen Spie­le­rei. So­bald die Ex­plo­si­on im Schlos­se wie­der­hall­te, stürz­ten alle zu­gleich vor.

      Mam­sell Fifi trat zu­erst ein und klatsch­te aus­ser sich vor Ver­gnü­gen in die Hän­de, als sie eine Ve­nus aus Ter­ra­cot­ta be­merk­te, der end­lich der Kopf ab­ge­sprun­gen war. Je­der nahm ir­gend ein Stück Por­zel­lan in die Hand und be­trach­te­te mit Er­stau­nen die selt­sa­men Ris­se, wel­che die Ex­plo­si­on her­vor­ge­ru­fen hat­te, prüf­te die neu­en Sprün­ge und stell­te ein­zel­ne Ver­let­zun­gen fest, die an­schei­nend schon von frü­he­ren Ex­plo­sio­nen her­rühr­ten. Mit vä­ter­li­cher Mie­ne be­sah sich der Ma­jor die Ver­wüs­tung, wel­che die­ses Scheu­sal von ei­nem zwei­ten Nero be­reits in dem großen Rau­me an­ge­rich­tet hat­te. »Dies­mal war die Wir­kung groß­ar­tig,« sag­te er wohl­wol­lend, als er beim Hin­aus­ge­hen noch einen letz­ten Blick auf das Trüm­mer­feld warf.

      Im Spei­se­zim­mer war es in­des­sen kaum mehr zum Aus­hal­ten, denn eine un­ge­heu­re Dampf­wol­ke war durch die of­fe­ne Saal­tü­re ge­drun­gen und hat­te sich mit dem Ta­ba­krau­che ver­mischt. Der Ma­jor öff­ne­te das Fens­ter und alle Of­fi­zie­re, die zu ei­nem letz­ten Gla­se Co­gnak zu­rück­ge­kehrt wa­ren, eil­ten dort­hin.

      Die feuch­te Luft drang in das Zim­mer und führ­te eine Art Was­ser­staub mit sich, der die Bär­te der Of­fi­zie­re näss­te, wäh­rend sie be­gie­rig den Duft der über­schwemm­ten Flu­ren ein­so­gen. Sie be­trach­te­ten die großen Bäu­me, die sich un­ter ih­rer Re­gen­last beug­ten, das wei­te Tal, wel­ches bei die­sem Er­guss der dunklen nied­ri­gen Wol­ken förm­lich dampf­te, und den Kirch­turm in der Fer­ne, des­sen graue Spit­ze sich dun­kel von dem Re­gen­schlei­er ab­hob.

      Seit ih­rer An­kunft hat­ten die Glo­cken des­sel­ben nicht mehr ge­läu­tet. Dies war aber auch das ein­zi­ge Zei­chen von Wi­der­stand, dem die Ein­dring­lin­ge sei­tens der Be­woh­ner der Um­ge­gend be­geg­net wa­ren. Der Pfar­rer hat­te sich nie­mals ge­wei­gert, preus­si­sche Sol­da­ten bei sich auf­zu­neh­men und zu ver­pfle­gen; er hat­te so­gar mehr­mals der Ein­la­dung zu ei­ner Fla­sche Bier oder Bor­deaux beim feind­li­chen Kom­man­deur ent­spro­chen, der sich öf­ters sei­ner wohl­wol­len­den Ver­mitt­lung be­dient hat­te. Nur um eins durf­te man ihn nicht er­su­chen, die Glo­cken zu läu­ten; lie­ber hät­te er sich er­schies­sen las­sen. Dies war so sei­ne Art, ge­gen den Ein­fall der Preus­sen zu pro­tes­tie­ren; ein still­schwei­gen­der Pro­test, der ein­zi­ge, wie er zu sa­gen pfleg­te, der dem Pries­ter als Mann des Frie­dens zu­käme. Und auf zehn Mei­len in der Kun­de rühm­te alle Welt die Fes­tig­keit und den Hel­den­mut des Abbé Chan­ta­voi­ne, der es wag­te, den Schmerz des Vol­kes in die­ser Wei­se zu ver­kün­den, ihm durch den stum­men Wi­der­stand sei­ner Kir­che Aus­druck zu ver­lei­hen. Das gan­ze Dorf, be­geis­tert durch die­sen Wi­der­stand, wäre be­reit ge­we­sen,

Скачать книгу