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Er wurde fast genau ein Jahr vor Ihrem Mann zum Tode verurteilt und an der gleichen Stelle enthauptet.

      Sie wissen, dass ich damals bei der ersten Besprechung mit Ihrem Mann 2 ½ St. das Für und Wider seines Entschlusses durchsprach. Als ich ihn nach acht Tagen wieder besuchte, fand ich ihn bei seinem gleichen festen und unabänderlichen Entschluss in den Tod zu gehen. Ich erzählte ihm dann vom Tode seines österreichischen Landmannes Franz Reinisch. Sie können sich gar nicht denken, wie er da aufatmete und hoch erfreut war und mir sagte: „Das habe ich mir immer gesagt, ich kann doch nicht auf einem falschen Wege sein, wenn aber sogar ein Priester sich so entschieden hat und dafür in den Tod gegangen ist, dann darf ich es auch tun.“ Als er am 9.8.1943 starb, da war es mir klar, dass der Tod des Priesters Franz Reinisch ein Abbild gefunden habe in einem schlichten Manne aus dem Volke und dass Gottes Kraft und Gnade sich den Kleinen nicht weniger offenbart, wenn sie Gottes Wege gehen und sein Wort ernst und heilig nehmen. Seien Sie überzeugt, so wie Ihr Mann gestorben ist, sind nicht Viele gewesen in Deutschland. Er starb als ein Held, als ein Bekenner, Märtyrer und Heiliger! Damals sagte ich Ihrem Manne noch: „Dieser Priester hiess Franz wie Sie! Und er stammt aus Österreich wie Sie! Und wenn Sie nun wirklich in den Tod gehen wollen, dann gehen Sie so tapfer und gross wie er hinüber in die Ewigkeit!“

      Ich habe kaum einen glücklicheren Menschen gesehen im Gefängnis als Ihren Mann nach den wenigen Worten über Franz Reinisch. Das alles konnte ich Ihnen früher nicht mitteilen, aber jetzt dürfen wir offen reden, nachdem das verbrecherische System hinweggefegt ist. Die einstigen Führer haben sich vor der Welt gerichtet durch Flucht und Selbstmord, und dem Gerichte Gottes werden sie nicht entgehen können.

      Ich würde glücklich sein, auch von Ihnen ein Lebenszeichen zu erhalten und die Gewissheit, dass sie noch alle da sind.

      „Franz II.“, so nenne ich Ihren Mann gerne, wenn ich im kleinen Kreise von ihm spreche. Er wird seine schützende Hand über uns halten, wie er es versprochen hat.

      Wenn Sie eine Photographie von ihm haben oder ein Bild vervielfältigen könnten, würde ich mich sehr freuen, ein solches Bild später mal von ihm zu besitzen. Es hat aber keine Eile damit. Für heute verbleibe ich mit herzlichem Gruss

      Ihr Heinrich Kreutzberg, Pfr.67

      Wie im Wochenverkündbuch der Pfarre St. Radegund nachzulesen ist, teilte Vikar Ferdinand Fürthauer68 am 9. Sonntag nach Pfingsten, zugleich dem Hochfest Mariä Himmelfahrt, 15. August 1943, den Tod Franz Jägerstätters mit der für alle im Krieg Verstorbenen üblichen Formulierung öffentlich mit: Es wird gebetet und die Sterbeglocke geläutet für […], für Franz Jägerstätter, welcher im 36. [sic] Lebensjahre selig im Herrn verstorben ist.69

      Fürthauer vermied hier jeden Hinweis auf die näheren Umstände seines Todes, welche der Radegunder Bevölkerung allerdings bekannt waren. Für Dienstag, 17. August 1943, wurden Rosenkranz, Requiem und Libera für den Verstorbenen angekündigt und auch gehalten; vielleicht wusste man um die Bestattung der Urne am Friedhof in Brandenburg, oder es ist die Datumsgleichheit ein Zufall, die Einäscherung hatte bereits am 11. August stattgefunden.70 In den folgenden Tagen wurden eine Reihe von hl. Messen für Franz Jägerstätter ins Intentionenbuch71 eingetragen, und in den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde am 9. August jeweils eine von Franziska Jägerstätter für ihren verstorbenen Ehemann bestellte Messe gelesen.

      Im Juli 1945 kehrte mit Josef Karobath jener Pfarrer nach St. Radegund zurück, der Franz Jägerstätter persönlich über viele Jahre als Seelsorger betreut hatte und sich das Andenken Jägerstätters zu seiner Lebensaufgabe machte.72 In den Unterlagen im Pfarrarchiv liegt für diese Zeit ein Curriculum vitae vor, das Karobath selbst geschrieben hat:

      Geboren bin ich in Neukirchen bei Altmünster am 9.1.1898. Mein Vater war Mesner und Drechsler. Wir waren 7 Geschwister; 3 Schwestern wurden Klosterfrauen. Das Gymnasium machte ich im Kollegium Petrinum. 1910 bis 1918. 1917 bis 1918 musste ich Kriegsdienst leisten, wobei ich 1918 den rechten Fuß verlor. Trotzdem konnte ich Priester werden. 1918–1923 Theologiestudium im Linzer Priesterseminar. Am 24.6.1923 wurde ich zum Priester geweiht. Ich hatte folgende Posten in der Seelsorge: Mehrnbach 15 Tage, Hofkirchen i. M. 7 Monate, St Peter b. Linz 3 Jahre 5 M. Haag a H 1 Jahr 10 Monate, dann Provisor in St. Radegund 9 Monate. Koop. in Perg 2 Jahre, Provisor in Dorf a Pram 6 Monate. Kooperator und dann Provisor in Gunskirchen ca 2 Jahre. Pfarrer in St. Radegund bin ich seit 1.11.1934. 1940 erzwang ich eine Verhaftung durch eine Predigt über die 10 Gebote Gottes. Nach 2 Monate Haft bekam ich Bezirksverbot. Ich war dann Kooperator in Wolfern und 1941 bis 1945 Kooperator in Laakirchen. Im Juli 1945 kam ich wieder in meine Pfarre St. Radegund und wurde sehr enttäuscht. Josef Karobath, Pfarrer.73

      Nach St. Radegund zurückgekehrt fuhr Karobath mit jenem Predigtzyklus über die Zehn Gebote fort, deren Beginn im Jahr 1940 seine Verhaftung zur Folge hatte.74 Als Vorlage diente ihm die in Münster in deutscher Übersetzung veröffentlichte Predigtsammlung zu den Zehn Geboten von Tihamér Tóth, einem Professor der Universität Budapest. Inhalt dieser ersten Predigt in Fortsetzung des Predigtzyklus war das Gebet als Quelle der Kraft, wobei in der Zusammenfassung das Beispiel des Märtyrers Ignatius erläutert wird, von dem berichtet wird, dass er im Gebet alle Kraft für sein Martyrium schöpfte.75

      In das Taufbuch der Pfarre (Tomus V, pag. 10) vermerkte dieser mit fester Überzeugung: Franz Jägerstätter starb am 9. August 1943 in Brandenburg den Märtyrertod.76

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      Abb. 15: Pfarrer Josef Karobath

      Als Karobath im Dezember wegen einer Erkrankung längere Zeit das Bett hüten musste, trug er in die besagte Pfarrchronik77 am 19. Dezember 1945 eine kurze Lebensbeschreibung von Franz Jägerstätter nach, die deutlicher und prägnanter nicht sein könnte und bereits auf eine künftige Seligsprechung verwies:

      Jägerstätter. Wenn es in diesem gemeinen Krieg einen Helden gegeben hat, dann war es Jägerstätter Franz. Er war ganz sicher ein Heiliger von Format. Geboren ist er am 20.5.1907. In seiner Jugend war er, vor allen anderen Burschen, etwas rauflustig u. auch leichtsinnig. 1934 wurde er ernst. Damals hatte er vor, in ein Kloster als Laienbruder zu gehen. Ich habe ihm abgeraten. Am Gründonnerstag 1936 heiratete er ein sehr braves, ideales Mädchen. Die Trauung war in aller frühe, dann machte er eine Hochzeitsreise nach Rom. Er übernahm dann den kleinen Bauernhof (Lehenbauer)[sic]. Er las jetzt viel, bes. Heiligenlegenden. (Hümmeler, Helden u. Heilige.)78 Er wollte ein Heiliger werden. Mann und Frau waren sich in diesem Ziel ganz einig. Täglich geht er mit seiner Frau zur hl. Kommunion. Der Einmarsch der Nazi in Österreich 1938 machte ihn tief traurig. Er kannte die Gottlosigkeit u. das Neuheidentum dieser Eindringlinge. Bei der Abstimmung wählte er ungültig; er nahm keine Kinderbeihilfe für seine 3 Kinder an, er gab auch keine Spenden für den Nazismus. Aber den Armen half er, wo er konnte. Schon 1939 sagte er, dass er das Ende dieses Systems nicht erleben möchte. 1940 musste er zum 1. Mal einrücken, kam aber bald wieder zurück. 1941 rückte er das 2. Mal ein, diesmal nach Enns; er besucht mich in Wolfern. Er erzählte mir von der Gottlosigkeit u. Sittenlosigkeit des Militärismus. Für dieses System wollte er nicht kämpfen. Wieder kommt er frei, aber sein Vorsatz war auch schon gefaßt: wenn ich wieder Befehl zum Einrücken bekomme, so werde ich nicht Folge leisten. Ich habe diesen Vorsatz nicht so ernst genommen. In Tittmoning trafen wir uns zu einer Aussprache. Aber er macht mich mundtot. Ich muss ihm recht geben, aber ich möchte ihn retten. Immer wieder sagte er: Ich werde diese Irrlehre nicht unterstützen.

      Die Lage fürs Hitlerreich wird kritisch und die Gefahr, daß er einrücken muß wächst. Er geht zum Bischof um sich ganz klar zu werden. Er übt Busse, er fastet, er verdoppelt sein Beten. Nun bekommt er Einrückungsbefehl: Am 25.2.1943 soll er in Enns sein. Ganz schwer ist diese Zeit für ihn. Ich bekomme am 27.2. einen mutigen, aber tapferen Abschiedsbrief. Nun telefoniere ich mit Gen.[damerie] Inspektor Püringer. Er teilt mir mit hörbarer Ergriffenheit mit, daß Jägerstätter doch eingerückt ist. Nach einigen Tagen schreibt mir Inspektor Püringer einen Brief u. teilt mir mit, daß Jägerstätter zwar eingerückt ist,

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