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Wert und Würde der Person hochhält und zu verantwortungsvollem Handeln anhält, welche Würde und Individualität des Menschen nicht zu verletzen beabsichtigt.

      Franz Jägerstätter begründete seine Haltung dem NS-Regime gegenüber mit seinem Glauben. „Hätte mir Gott nicht die Gnade und Kraft verliehen …“13, merkt er in einem seiner letzten Schreiben an, um deutlich zu machen, dass er diesen Weg des Widerstandes und der Verweigerung nicht einfach von sich aus gesucht hatte. Erst die in der Gottesbeziehung geschenkte Erkenntnis und Kraft ermöglichte ihm den inneren und äußeren Widerstand. Im Todesurteil des Reichskriegsgerichtes wird Jägerstätters Haltung und Aussage damit begründet,

      dass er gegen sein religiöses Gewissen handeln würde, wenn er für den nationalsozialistischen Staat kämpfen würde. […] Er erklärte sich jedoch bereit, als Sanitätssoldat aus christlicher Nächstenliebe Dienst zu tun. In der Hauptverhandlung wiederholte er seine Erklärungen und fügte hinzu: Er sei erst im Laufe des letzten Jahres zu der Überzeugung gelangt, dass er als gläubiger Katholik keinen Wehrdienst leisten dürfe; er könne nicht gleichzeitig Nationalsozialist und Katholik sein; das sei unmöglich. Wenn er den früheren Einberufungsbefehlen Folge geleistet habe, so habe er es getan, weil er es damals für Sünde angesehen habe, den Befehlen des Staates nicht zu gehorchen; jetzt habe Gott ihm den Gedanken gegeben, dass es keine Sünde sei, den Dienst mit der Waffe zu verweigern; es gebe Dinge, wo man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen; auf Grund des Gebotes „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“ dürfe er nicht mit der Waffe kämpfen. Er sei jedoch bereit, als Sanitätssoldat Dienst zu leisten.14

      Der Wehrpflicht nicht nachzukommen und nicht mit der Waffe kämpfen zu wollen, wurde als Zersetzung der Wehrkraft beurteilt. Demzufolge wurde Franz Jägerstätter am 6. Juli 1943 zum Tode verurteilt.

      Über 50 Jahre später, am 7. Mai 1997 wurde das Feldurteil des Reichskriegsgerichts gegen Franz Jägerstätter auf Antrag seiner Töchter Rosalia Sigl, Maria Dammer und Aloisia Maier aufgehoben. Der Grund lag darin, dass dieses aus religiösen Gründen ergangen ist und lediglich dazu diente, das nationalsozialistische Regime zu unterstützen und aufrechtzuerhalten. Das Landgericht Berlin hält fest, dass „die Entscheidung, aus Gewissensgründen keinen Wehrdienst mit der Waffe zu leisten, zu respektieren ist“.15 Damit sollte das nationalsozialistische Unrecht wiedergutgemacht werden, denn das Todesurteil ist in den Augen der Nachfolgegesellschaft Unrecht und eine rechtswidrige vorsätzliche Tötung, nach österreichischem Recht Mord (vgl. § 75 StGB).16 Damit wird deutlich und bestätigt, dass die Haltung Jägerstätters richtig und konsequent war. Jägerstätter hatte erkannt, dass die „neue Religion“, wie sie von Adolf Hitler bereits in seiner ersten Rede als Reichskanzler 1933 proklamiert worden war, den katholischen Glauben an Gott nicht respektierte. Deutlich gilt es anzumerken, dass alle Soldaten, die in diesem ungerechten Krieg gefallen sind und ihr Leben auf das Spiel gesetzt haben, aber auch alle weiteren zwangsweise zum Soldaten- und Staatsdienst Einberufenen dem menschenverachtenden Machthunger und Größenwahn sowie dem verbrecherischen Krieg und der Vernichtungsmaschinerie zur Verfügung stehen mussten. Franz Jägerstätter, Bauer und Mesner aus St. Radegund, hatte dafür eine klare Sichtweise und entschied sich, gegen den Strom zu schwimmen. Er setzte damit ein prophetisches Zeichen.

      Eine Nachfolgegesellschaft gestaltet für Opfer totalitärer Systeme kulturelle und politische Erinnerungsmomente, die vom Denk- bzw. Mahnmal über künstlerisch-kulturelle oder wissenschaftliche Veranstaltungen bzw. philosophisch-ethische Reflexionen bis hin zu politischen Mahnereignissen reichen. Alle Initiativen insgesamt können unter dem Begriff Erinnerungskultur bzw. -arbeit zusammengefasst werden.

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      Abb. 2: „Einsame Entscheidung“, Bild 5 aus dem Jägerstätter-Zyklus von Ernst Degasperi

      Der in Meran/Südtirol geborene und in Wien beheimatete Künstler Ernst Degasperi charakterisierte die NS-Ideologie und Vernichtungsmaschinerie als die „Pervertierung der Gewalt zur Moral“.17 Demgegenüber hat Jägerstätter durch seine moralische Haltung deutlich gemacht, dass die menschen- und glaubensfeindliche Gewalt der Nazis nicht zu rechtfertigen ist, und hat sich der Pervertierung entgegengestellt. Degasperi verstand sein künstlerisches Schaffen als Friedensarbeit. Sein Jägerstätter-Zyklus bringt die Haltung Jägerstätters gegen den Strom seiner Zeit in bewegender Weise zum Ausdruck.

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      Abb. 3: „Gegen den Strom“, Bild 6 aus dem Jägerstätter-Zyklus von Ernst Degasperi

      Der Papst, die höchste Autorität der Kirche, sprach Franz Jägerstätter 2007 selig, womit er einen bleibenden Platz im Martyrologium der katholischen Kirche hat. Seine Lebenshingabe wird mit einer neuen Wertigkeit versehen, die von Menschlichkeit und Gottesbezug geprägt ist. Die Kirche pflegt den Brauch, Märtyrer/innen unter einem Altar zu bestatten, so wie ursprünglich über den Gräbern von Märtyrer/innen Kirchen und Altäre erbaut wurden. Das ist eine besondere Form der Erinnerungskultur. Jägerstätters Bestattung unter dem Altar, die ihm als Märtyrer zukommt, stiftet ein bleibendes Gedenken und verbindet die Lebenshingabe Jesu und ihren Sinn mit der Lebenshingabe des Märtyrers in der Nachfolge Jesu, um der Liebe zu den Menschen den Vorrang zu geben.18

      Auch die offizielle Politik in Österreich rehabilitierte den, der sich geweigert hatte, mit der Waffe in der Hand für Hitler zu kämpfen. Anlässlich der Seligsprechung schrieb der österreichische Bundespräsident Dr. Heinz Fischer an Frau Franziska Jägerstätter und konstatierte im Namen der Republik Österreich:

      Mit diesem besonderen Schritt wird das Wirken von Franz Jägerstätter weit über die Grenzen unseres Landes hinaus geehrt und dokumentiert. Auch für unser Land war es nach 1945 nicht leicht, die Opfer des Widerstandes anzuerkennen und zu akzeptieren. Die bewusste Gehorsamsverweigerung von Franz Jägerstätter, die aus einem langen Reifungsprozess entstanden ist, verdient unseren höchsten Respekt und Anerkennung. Die Nationalsozialisten konnten Franz Jägerstätter töten, aber genau dadurch haben sie seine moralische Größe sichtbar gemacht. Sie wollten seinen Namen auslöschen und haben ihn eben dadurch ins Buch der Geschichte eingetragen.19

      Durch die Selig- bzw. Heiligsprechung in der katholischen Kirche wird eine bleibend gültige Entscheidung gegen das Vergessen einer Persönlichkeit, gegen die Negation der Individualität der menschlichen Person und deren Würde gesetzt, das Erinnern zur Anregung, zur Aufgabe, ja Pflicht erhoben sowie unter den Kategorien der kirchlichen Riten und Feiermöglichkeiten und durch die darüber hinaus zu gestaltende Erinnerungskultur verwirklicht. Die Haltung einer Persönlichkeit gegen die Kräfte des Bösen wird anerkannt und in ihrer bleibenden Bedeutung (Heroizität) zur Verwirklichung des Evangeliums gewertet.20

      Nachdem Franz Jägerstätter als Märtyrer anerkannt worden war und dessen Seligsprechung im Jahr 2007 erfolgte, unternahm die Pfarrgemeinde von St. Radegund im Zuge einer Generalsanierung der Pfarrkirche auch die Neugestaltung des Altarraumes ihrer Pfarrkirche und übertrug die Reliquien des seligen Franz Jägerstätter (Brandleichenreste) nach Absprache mit der Diözesanleitung in den neuen Altar. Damit wird dem Ansinnen des totalitär denkenden Nationalsozialismus mit dessen verbrecherischer und menschenverachtender Tötungsmaschinerie und seinem Kriegsfanatismus, die Erinnerung all derer auszulöschen, die sich dagegen aussprechen und dagegen verhalten, eine bleibende Gedächtnisstätte entgegengesetzt. Die Seligsprechung von Franz Jägerstätter bestätigt, dass er mit seinem Gewissen ein klares Urteil gegen das religionsfeindliche und den Wert eines Menschen verachtende System für sich gefunden hatte und dafür in den Tod ging. Die Aufhebung seines Todesurteiles bestätigt, dass er nicht nur im religiösen Sinne richtig lag, sondern auch aus politischer Perspektive Recht bekommen sollte, ist doch der Nationalsozialismus derart zu verurteilen, dass bereits das Aufgreifen dieses Gedankengutes und dessen Verbreitung heute (in Deutschland und Österreich) verboten sind und geahndet werden.21

      Wie sehr Jägerstätter inzwischen auch in Kultur, Politik und Gesellschaft angekommen ist, mögen drei weitere Beispiele zeigen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verweigerte im September 2018 durch Androhung seines Veto-Rechtes

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