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Formulierung „unter einem Altar“ kann auch den Altaraufbau meinen, da mit dem Altar im Wesentlichen die Altarplatte gemeint ist, die auch aus Stein gefertigt sein sollte. Der Kirchweihritus im Pontifikale von 1992 konkretisiert in der Einführung Nr. 5 die kirchenrechtliche Norm zum Brauch der Reliquiendeposition unter bzw. in Altären:

      5. Den Brauch der römischen Liturgie, Reliquien von Märtyrern oder anderen Heiligen unterhalb der Altarmensa beizusetzen, möge man – soweit angebracht – beibehalten. Jedoch ist dabei folgendes zu beachten:

      a) Die Reliquien sollen so groß sein, dass man sie als Teile menschlicher Körper erkennt. Die Beisetzung zu kleiner Reliquien eines oder mehrerer Heiliger ist deshalb zu vermeiden.

      b) Mit größter Sorgfalt ist auf die Echtheit der Reliquien zu achten. Es ist besser, einen Altar ohne Reliquien zu weihen, als zweifelhafte Reliquien beizusetzen.

      c) Der Reliquienbehälter soll weder auf den Altar gestellt noch in die Altarmensa eingelassen, sondern unterhalb der Mensa an einer Stelle, die sich von der Form des Altares her dafür eignet, eingefügt werden.32

      Als wesentliches Kriterium für die Beisetzung von Reliquien werden die Echtheit und die Größe der menschlichen Überreste, damit sie noch als solche erkannt werden können, genannt. Diese beiden Kriterien haben dazu geführt, dass im Auftrag des Linzer Diözesanordinarius geprüft werden sollte, ob die (vermutlichen) sterblichen Überreste (Leichenbrandreste) von Franz Jägerstätter unter der Altarmensa des neuen Altares in der Pfarrkirche von St. Radegund beigesetzt werden können.

      Das Pontifikale, die liturgische Vorgabe der Altarweihe für den Bischof, beschreibt den Altar als den Ort, an dem sich die Lebenshingabe Christi mit der von Märtyrer/innen verbindet. Aus der Kraft der Eucharistie haben auch die Märtyrer/innen das Leben durch, in und mit Christus aus Liebe zum himmlischen Vater und zu den Menschen hingegeben. Sie waren getragen von der Kraft und Gnade der Beziehung, die von beiden zugleich ausgeht und in welche die Taufberufenen hineingenommen werden:

      Der Altar, Ehre der Märtyrer/innen. Die Würde des Altares liegt vor allem darin begründet, dass er Tisch des Herrn ist. Nicht die Leiber der Märtyrer/innen ehren also den Altar, sondern die Gräber der Märtyrer/innen werden vielmehr durch den Altar geehrt. […] „Wo Christus die Opfergabe ist, dorthin folgen die Opfer im Triumph. Er ist auf dem Altar, da er für alle gelitten hat; jene sind unter dem Altar, da sie durch sein Leiden erkauft sind.“33 Diese Ordnung scheint gleichsam ein Spiegelbild der Vision des Apostels Johannes in der Offenbarung zu sein: „Ich sah unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten.“34 Denn wenn man auch mit Recht jeden Heiligen einen Zeugen Christi nennen kann, so hat doch das Blutzeugnis der Märtyrer/innen eine besondere Kraft, die nur Märtyrerreliquien unter dem Altar voll zum Ausdruck bringen.35

      Franz Jägerstätter, der seit seiner Hochzeit am 9. April 1936 mit Franziska Schwaninger häufiger, ja täglich zur Messe in die Pfarrkirche ging, übernahm im Herbst 1941 auch den Mesnerdienst, nachdem der bisherige Mesner gestorben war.36 Als Mesner kannte er den Kirchenraum und die ihn prägende künstlerische Gestaltung wie kaum ein anderer. Es ist davon auszugehen, dass für ihn die ikonographische Gestaltung auch eine spirituelle Komponente war. Wenn seine Reliquien nunmehr in die Pfarrkirche übertragen und unter dem Altar beigesetzt worden sind, reiht sich dieses Ereignis ein in die lange Tradition der Kirche, auch der Pfarrkirche von St. Radegund. Am 15. April 1422 waren in dieser nach entsprechender Bautätigkeit drei Altäre geweiht worden.37 Der erste im Chor zu Ehren der hl. Radegundis und des hl. Laurentius, auf der rechten Seite der zweite zu Ehren Mariens und der dritte zu Ehren der hl. Leonhard, Sigismund und Wolfgang, dem Bekenner.38

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      Abb. 4: Historische Innenansicht der Pfarrkirche St. Radegund mit den drei Altären, o. D.

      Die Pfarrkirche von St. Radegund heute ist geprägt von nicht wenigen Märtyrer/innengestalten. Zunächst ist das Patrozinium selbst zu nennen, die hl. Radegundis mit Kreuz und Krone (4. Viertel 17. Jahrhundert), links und rechts von ihr die beiden römischen Märtyrer Johannes und Paulus jeweils mit Märtyrerpalme und Schwert und den Attributen Sonne und Wolke, die sie als Wetterheilige ausweisen (um 1770). In der Mitte des Hochaltares befindet sich die Himmelskönigin Maria, das Zepter in der rechten Hand und auf dem linken Arm das gekrönte Jesuskind (Gnadenmadonna, 18. Jahrhundert). In den beiden Fenstern des Presbyteriums sind die beiden Märtyrergestalten der frühen Kirche, der hl. Stephanus und der hl. Laurentius, abgebildet; beide Fenster sind im Kriegsjahr 1916 datiert. In den Aufbau des Hochaltares sind links und rechts vom Drehtabernakel, in welchem ein Standkruzifix steht (3. Viertel 18. Jahrhundert), zwei Reliquiare mit einer nicht unbeachtlichen Anzahl an Reliquien eingesetzt. Im Reliquiar links sind Reliquien der hl. Magdalena, des hl. Koloman, der hl. Apollonia, des hl. Patiens, des hl. Fructuosus, der hl. Kunigunde, des hl. Papstes Felix, des hl. Apostels Bartholomäus und des hl. Jacintus eingefügt; hinzu kommen Erinnerungselemente vom Ölberg und ein Stück der Rute Christi (virga). Im Reliquiar auf der rechten Seite vergegenwärtigen Reliquien den hl. Georg, die hl. Radegund, die hl. Kunigunde, den hl. Liberatus, den hl. Clemens, den hl. Benedictus und den hl. Pinctus; eine weitere Reliquie ist aus einem tragbaren Altar eingefügt gemeinsam mit einer Partikel vom (Kreuzes-)Holz Jesu, vom (Abendmahls-)Tisch des Herrn und von den Kleidern der seligen Jungfrau Maria.

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      Abb. 5: Heutige Gesamtansicht des Hochaltars der Pfarrkirche mit Märtyrerfenster

      Nachdem das ikonographische Programm zur Prägung der Gläubigen in ihrer Spiritualität geschaffen wird, sei auch die weitere Gestaltung angemerkt. Der linke Seitenaltar zeigt die Kreuzigung Jesu mit Maria, der Mutter Jesu, in ihrem Schmerz, begleitet von Johannes, dem Lieblingsjünger; Longinus, einer der römischen Soldaten, sticht in die Seite Jesu, aus der Blut und Wasser fließen, ein Bild für die Sakramente der Kirche. Darüber im Medaillon der aus Reue über seine Verleugnung weinende Petrus, mit dem krähenden Hahn im Hintergrund, und einem Putto, der das Tränentuch zum Trost reicht (2. Viertel 19. Jahrhundert).

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      Abb. 6: Der Seitenaltar

      Aus dem 1975 entfernten rechten Seitenaltar hängen an der Nordwand der Kirche das Altarblatt mit der schmerzhaften Muttergottes und dem toten Sohn in ihrem Schoß (Vesperbild, Anfang 18. Jahrhundert) sowie das Medaillon mit der hl. Büßerin Maria Magdalena (Anfang 18. Jahrhundert).

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      Abb. 7: Das Altarblatt des ehemaligen rechten Seitenaltars

      An einer Säule des Mittelschiffes angebracht ist die Skulptur Christi (um 1520), aus dessen Seitenwunde Blut fließt, das der Herr selbst in einem Kelch in seiner Rechten auffängt (Herz-Jesu-Motiv; Hinweis auf die Eucharistie; Hl.-Blut-Verehrung).

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      Abb. 8: Skulptur Christi mit Kreuz und Kelch, der das Blut Christi auffängt

      In seiner Linken hält er das Kreuz, das Zeichen der Erlösung und der Liebe zu den Menschen. Sodann eine Skulptur Anna Selbdritt (spätgotisch) und die Mater dolorosa, Maria mit dem Schwert durchbohrt (4. Viertel 15. Jahrhundert). Über dem gotischen Eingangsportal auf der Südseite befinden sich der hl. Leonhard, die hl. Notburga und der hl. Isidor. Diese drei Skulpturen wurden von Josef Moser 1950 geschaffen, später wegen Diebstahls in die Sakristei gegeben und nach einer Restaurierung im Juli 1987 wieder über dem Portal eingesetzt (siehe Einlage in der Pfarrchronik), neuerdings restauriert.

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