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Sie schenkt mir ein perfektes Lächeln. „Du machst das bestimmt fantastisch.“

      „Gib mir ein bisschen Bedenkzeit.“ Mehr als darüber nachzudenken kann ich wirklich nicht versprechen. Ich presse meinen Kiefer zusammen, um nicht auf der Stelle mit der Wahrheit herauszuplatzen und vor der versammelten Gemeinde zu bekennen, dass Rebecca Moore keineswegs der strahlende Siegertyp ist, sondern eine erbärmliche Versagerin.

      Ich kann unser Klassentreffen nicht moderieren, wenn mein Leben sich gerade auf der Achterbahn befindet. Ich kann nicht. Und ich werde es auch nicht.

      „Ich hab gesehen, dass du dich mit Joley Warner unterhalten hast.“ Dad wirft mir vom anderen Ende des Tisches einen Blick zu.

      „Sie möchte, dass ich unser Klassentreffen moderiere.“

      „Wunderbar. Das solltest du machen.“ Er nippt an seinem Eistee.

      Ich lehne mich zu ihm vor. „Du hast mir nie erzählt, dass sie Skip Warner geheiratet hat und dass er Millionär ist.“

      „Du hast nie danach gefragt.“ Er spießt ein Stück Steak auf die Gabel.

      „Wirst du mir verraten, wie er’s zu seiner Million gebracht hat, oder muss ich zwanzig Fragen stellen?“

      „Ach, wo denkst du hin, Becca. Er ist in der Autobranche.“ Mom wirkt aufgescheucht wie ein verrücktes Huhn. Sie hasst Tischgespräche dieser Art. „Er handelt mit exklusiven Luxuswagen. Jede Menge betuchte Kunden.“

      Ich stochere im Salat auf meinem Teller. Skip hat mich im letzten Schuljahr mal gefragt, ob ich mit ihm ausgehe, aber ich habe abgelehnt. Er sei nicht mein Typ, hab ich Lucy gesagt.

      Ich will jetzt nur noch eins: nach Hause rennen, mich in einem Mause­loch verkriechen und erst beträchtliche Zeit nach dem Atomschlag wieder herauskommen. Aber ich reiße mich zusammen und betrachte meinen Teller. Ganz offensichtlich bin ich nicht bei der Sache gewesen. Zwei ­Salatblätter, ein paar Karottenschnitzel und ein Berg von Mungosprossen. Das dürfte nicht ganz reichen.

      Also stehe ich auf, stelle mich wieder in die Schlange und ergänze meine Auswahl mit Tomaten, Gurken, ein paar Scheiben Schinken, geriebenem Käse und einer Kelle Dressing.

      Als ich an den Tisch zurückkomme, erzählt Suzanne Mom gerade etwas über ihren Stundenplan. Mir gegenüber sind Dad und Josh in ein inten­sives Gespräch über ein bevorstehendes Autorennen vertieft.

      „Jeff Gordon.“

      „Nein, Dale Junior.“

      Rennsport ist nun wirklich kein Sonntag-Mittag-Gesprächsthema für mich. Ich verfolge das Gespräch zwischen Mom und Suzanne, denn ich muss mich unbedingt auf etwas anderes konzentrieren als auf mich selbst. Sonst ertrinke ich im Selbstmitleid.

      „Zehn Jahre mache ich schon diese Abendkurse und jetzt sehe ich endlich Licht am Ende des Tunnels“, sagt Suzanne mit Nachdruck, während ihre kastanienbraunen Haare ihr ins Sandra-Bullock-Gesicht fallen. „Ich kann es kaum erwarten.“

      „Ich bin stolz auf dich, Suzy“, sage ich und meine es auch.

      Sie drückt mir den Arm, zieht die Schultern hoch und die Nase kraus. „Danke. Ich bin so aufgeregt und so erleichtert. Jetzt kann ich endlich einen richtigen Job kriegen, so wie du, Becca.“

      Ich lächele. „Hoffentlich einen besseren als ich.“

      Gegen zwei watschelt der Familienclan über den Parkplatz, lebhaft vertieft in ein Gespräch über den Wahnsinn von „All you can eat“-Büfetts. Aus dem Augenwinkel kriege ich mit, wie Skip und Joley in einen glänzend silbernen Geländewagen steigen. Was auch sonst. Ich wende mich an die Sippe. „Ich mach mich jetzt besser auf den Weg. Ich möchte meinen Flug nicht verpassen. Das Ticket kann ich nicht noch mal umbuchen.“

      Kapitel 7

      An der Tankstelle in der Nähe von Sizzler kämpfe ich mit dem Einfüllstutzen und rede mir selbst gut zu. Ich bin also nicht mit einem Millionär verheiratet. Okay, ich bin überhaupt nicht verheiratet und Aussichten darauf bestehen auch nicht. Vergessen wir einfach, dass ich zurzeit nichts weiter bin als eine Niete. Ich ziehe den Einfüllstutzen aus dem Tank und hänge ihn ein, dann schraube ich den Tankdeckel zu und gehe bezahlen.

      Aus dem Augenwinkel bemerke ich etwas Rotes. Sieh an, Dylan Braun steht an der anderen Zapfsäule. Lässig lehnt er an seinem roten Pick-up, die Arme über der Brust verschränkt, der weiße Hemdkragen leicht geöffnet, die dunkle Krawatte locker. Er sieht aus wie ein Covermodel auf einem Herrenmodemagazin. Und er sieht zu mir rüber.

      Zong!

      Ich winke, während ich zu ihm hinschlendere, geschmeidig wie ein Model auf dem Laufsteg. „Ist das ein Turbodiesel?“, rufe ich zu ihm rüber. Leicht, lässig, charmant.

      Was ich nicht sehe, ist den Sockel der Zapfsäule. Schwungvoll krachen meine Zehen gegen Beton und ich stolpere mit dem Gesicht vorweg direkt in den Abfalleimer. Rechte Hand und Gesicht stecken in ölverschmiertem Papier, halb vollen Wasserbechern und Bonbonpapier. Ich kann gerade noch ein „Uuuppps!“ herauspressen, dann schliddere ich schon weiter und lande auf dem Boden.

      O bitte, sag mir, dass das nicht wahr ist.

      „Becca! Alles okay?“ Dylan kommt, um mich zu retten.

      Ich rappele mich auf, reibe mir die Knie und schüttele ein paar Wassertropfen von der Hand. „Nichts passiert.“ Verzweifelt versuche ich die Fassung zu bewahren, aber meine Stimme ist ein bis zwei Oktaven höher als normal.

      „Du bist kopfüber hingestürzt.“ Sein Blick sucht forschend in meinem Gesicht.

      „Alles andere ist was für Feiglinge.“

      Dylan lacht. Ein tolles, herzliches Wirklich-lustig-Lachen.

      Mein rechtes Knie durchzieht ein pochender Schmerz und mein Stolz ist empfindlich getroffen. Ich stemme eine Hand in die Hüfte, lasse sie wieder fallen und lege sie wieder auf die Hüfte. Ich weiß nicht, wohin mit meinen Händen.

      Schlimmer noch, ich weiß nicht, wohin mit mir selbst. Dylans blaugrüne Augen sehen mich an. O nein, sag mir bitte, dass ich dieses eine dunkle Haar an meinem Kinn heute Morgen entfernt habe.

      „Du siehst gut aus, Becca“, sagt Dylan schließlich.

      Hab ich’s also ausgezupft. „Danke.“

      Kaum vorstellbar, dass ich Dylan eine Zeit lang nicht leiden konnte. In der vierten Klasse hat er mal ein Haiku-Gedicht über mich geschrieben und die ganze Klasse hat es wochenlang im Chor rezitiert. Damals war ich ein bisschen pummelig, was meiner Vorliebe für Erdnussbutter-Marme­lade-Sandwiches und Vanilleeis mit Schokosirup geschuldet war.

      Ich höre immer noch, wie er sein albernes kleines Geschreibsel der Klasse vorliest.

      Raus zum Spielen.

      Dort sehe ich Rebecca Moore.

      Sie ist fett.

      Die Klasse grölte. Ich verkroch mich unter meinem Tisch und hasste ihn.

      Meinen kleinen Groll – okay, meinen Megagroll – gegen ihn hegte ich bis zur Junior High. Inzwischen war Dylan unglaublich beliebt, sportlich und gut aussehend. Die Pubertät ließ er hinter sich, bevor sie ihm ernsthaft etwas anhaben konnte. Alle Mädchen standen auf ihn. Nur ich konnte nicht über sein „Sie ist fett“ hinwegkommen.

      Aber im Sommercamp nach der siebten Klasse verzieh ich ihm sein blödes Gedicht, als unsere Gruppenleiterin uns vor Augen malte, dass Jesus auch für unsere Sünden gestorben war. Das bewegte mich zu Tränen und ich hatte keinen Grund mehr, den Ärger über Dylans Reimerei in mir zu schüren.

      Beim Abschlussgebet warf ich ihm einen verstohlenen Blick zu und ertappte ihn dabei, wie er sich mit dem Handrücken über die Augen wischte. Mein Herz schmolz ein ganz klein wenig.

      Als wir zur Highschool wechselten, verliebte ich mich Hals über Kopf. Eine echte, hoffnungslose, unerwiderte Liebe. Alles andere ist was für Feiglinge. Aber er hat

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