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Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit. Marie Brennan
Читать онлайн.Название Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit
Год выпуска 0
isbn 9783966580762
Автор произведения Marie Brennan
Жанр Языкознание
Серия Der Onyxpalast
Издательство Bookwire
Gresh zuckte mit den Schultern. »Hab ihn davor noch nie gesehen. Ich hab nur gehört, er sei eine Art Bote und hätte versucht, was von seiner Lieferung an die Akademie zu verkaufen. Du weißt schon, etwas Brot nebenbei zu verdienen.«
»Lieferung?« Der Tote Rick richtete sich auf, obwohl sich sein erschöpfter Rücken beschwerte. »Was hat er transportiert?«
Der Goblin hustete und spuckte aus, dann begann er an der Pfeife zu saugen. »Die Art von Zeug, das die Akademie mag. Schaue ich für dich wie ein verdammter Gelehrter aus?« Der Tote Rick hielt die Luft an, weil er seine Neugier nicht verraten wollte, indem er ihn drängte. Gresh bekam seine Pfeife richtig zum Brennen, dann sagte er: »Chemikalien irgendeiner Art. Lunarlauge, Satyrgalle – wertvoll, was ich so höre, aber nicht, wenn es dich bei Nadrett unbeliebt macht.«
Der Tote Rick wusste genug, um das als Feenchemikalien statt sterbliche zu erkennen. Aus dem Feenland selbst herbeigebracht? Vielleicht. Eine davon musste das gewesen sein, was er an dem Padfoot gerochen hatte, jener seltsam säuerliche Geruch. Der Tote Rick machte seinen Mund auf, um zu fragen, wozu Nadrett sie wollte, schloss ihn aber, ehe er so dumm sein konnte. Gresh würde es nicht wissen – aber er würde die Tatsache bemerken, dass der Tote Rick gefragt hätte. Und diese Information vielleicht an andere verkaufen.
Irgendjemand in der Akademie würde vielleicht zumindest wissen, wozu sie nützlich waren. Der, an den Rewdan zu verkaufen versucht hatte, falls jenes Gerücht wahr war. Einige der Gelehrten waren sich nicht zu fein, um ihre Materialien aus den schmutzigen Händen am Goblinmarkt zu kaufen.
Um Gresh vom eigentlichen Punkt abzulenken, fragte er: »Werden seine Freunde hinter mir her sein?«
»Freunde, pah. Denkst du, irgendjemand ist noch sein Freund, nachdem er da reingeworfen wurde?« Gresh deutete mit seinem struppigen Bart auf die Grube.
Gut, das war eine Sorge weniger. Jetzt muss ich mir bloß noch wegen Nadrett Gedanken machen. »Tut mir leid, dass du auf Rewdan gewettet hast. Ich kaufe dir ein Bier im Crow’s Head, um es wiedergutzumachen.« Eine gute Sache hatte der Zerfall des Palasts: Er hatte den Pub gezwungen, von seinem alten Platz an einen Fleck im Goblinmarkt zu ziehen, wo der Tote Rick frei hingehen konnte.
»Das macht meine Verluste nicht einmal halb wett«, jammerte Gresh, aber er war nicht der Typ, der Bier ablehnte. Und es würde ihm einen Grund geben, alles zu vergessen, was der Tote Rick gesagt hatte. Nachdem er dem Goblin mit einer Freundlichkeit, die er nicht empfand, auf die Schulter geklopft hatte, ging der Tote Rick zum Pub los.
CROMWELL ROAD, SOUTH KENSINGTON
27. März 1884
Für den unkritischen Betrachter wirkte das Schlafzimmer von Miss Louisa Kittering wie ein Modell respektabler junger Weiblichkeit. Es war mit einem hübschen Blumenmuster tapeziert, mit sonnigen Landschaften und Gemälden von Vögeln an den Wänden und einem weichen rosa Teppich auf dem Boden. Die spitzenbesetzten Gardinen an den Fenstern waren ordentlich zurückgebunden. Das einzige kleinere Anzeichen von Unordnung war ein Stickrahmen, der auf der Armlehne eines Stuhls balancierte, als hätte die Stickerin ihn erst vor einem Moment abgelegt und würde jeden Augenblick zurückkehren. Doch der Rahmen lag schon dort, seit Eliza vor drei Tagen angefangen hatte, im Haushalt der Kitterings zu arbeiten, und in jener Zeit war kein einziger Stich zu seinem Inhalt hinzugefügt worden: eines von vielen kleinen Anzeichen für Miss Kitterings Rebellion.
Eliza betrachtete den Raum und strich mit ihrer Zungenspitze geistesabwesend über ihre Zahnlücke. Sie wurde ständig vom unvorstellbaren Reichtum der Kitterings abgelenkt. Allein die Spitze an den Gardinen war mehr wert, als sie in einem Jahr verdienen würde. Jedes Mal, wenn sie etwas berührte, fühlte sie sich schuldig, als würde die schmutzige Armut ihrer eigenen Geburt die feinen Dinge irgendwie beflecken. Alles um sie herum, sogar die Dienstbotenquartiere in der Mansarde, schrie, dass sie nicht hierhergehörte.
Ich bin nur wegen einer Sache hier, erinnerte Eliza sich. Sobald das getan wäre, konnte sie dorthin zurückkehren, wo sie wirklich hingehörte. Aber zuerst: Wo würde eine junge Dame ihre Geheimnisse verstecken?
Nicht unter der Matratze. In einem Haus wie diesem wurden die Matratzen jeden Tag gewendet und die Laken belüftet. Eliza hätte es an ihrem ersten Morgen gesehen. Auch nicht hinter dem Kopfteil des Bettes, was ihre zweite Idee gewesen war. Sie hatte jedoch bedauernswert wenig Zeit zum Spionieren. Wenn sie mit ihren Aufgaben spät dran wäre, würde Mrs. Fowler nachsehen kommen. Und wenn Eliza mit der Nase in den Besitztümern der jungen Herrin gefunden würde, wäre eine Entlassung ihre geringste Sorge.
Aber sie musste es weiter versuchen. So leise sie konnte, zog Eliza einen Stuhl zum Kleiderschrank, dann warf sie einen Lumpen über die Sitzfläche, um diese vor ihren Schuhen zu schützen. Oben auf dem Schrank fand sich leider nichts weiter als eine peinliche Menge an Staub, die völlig ungestört von menschlicher Berührung war. Darunter war es sauberer, aber ebenfalls leer.
Sie stellte den Stuhl zurück und fragte sich, ob sie es wagte, den Schreibtisch abzusuchen. Es gab wenig Grund für ein ehrliches Hausmädchen, jene Schubladen zu durchwühlen, und falls jemand sie finden sollte … Eliza sagte sich, dass es nicht bloße Vorsicht war, die sie fernhielt, sondern gesunder Menschenverstand. Mrs. Kittering war ganz offensichtlich die Art von Mutter, die keine Skrupel hatte, die Briefe ihrer Tochter durchzugehen. Wenn Louisa Geheimnisse hatte – und ihr Verhalten in Islington machte deutlich, dass sie das tat –, dann musste sie sie anderswo aufbewahren.
Wie zum Beispiel im Kleiderschrank. Eliza riss die Türen auf, während sie eine Vielzahl passender Lügen vorbereitete, falls jemand sie ertappen sollte, und begann herumzuwühlen.
Falls irgendwelche falschen Wände eingebaut waren, würde sie sie an einem anderen Tag finden müssen. Sie konnte jetzt nicht so viel Zeit entbehren. Aber Eliza durchsuchte schnell die Kleidung und Schuhe und stellte sicher, dass nichts in einer Ecke versteckt war – und dann fiel ihr Blick auf die Hutschachteln obenauf.
Ihr Instinkt besiegte die Vorsicht. Eliza zog den Stuhl wieder herüber, schob die vorderen Schachteln aus dem Weg und fasste nach einer hinteren. Sie stellte sich als unangemessen schwer heraus, und als Eliza den Deckel hob, breitete sich ein Lächeln in ihrem Gesicht aus. »Hab dich.«
Was auch immer für ein Hut einst in der Schachtel gewesen war, er war lange verschwunden. An seiner Stelle waren Bücher, Magazine und Flugblätter. Eliza ging sie durch, während sie kaum atmete. Ein Paar Gruselromane, die Anzeichen wiederholten Lesens aufwiesen. Ein Buch mit Gedichten von jemandem namens Oscar Wilde. Eine Werbung für einen Magnetiseur. Verschiedene Ausgaben einiger spiritistischer Magazine und einige Flugblätter von Frederic Myers, dessen Namen Eliza erkannte. Er und einige andere Leute hatten sehr viel Forschung zu Medien und Geistern unternommen und sogar ihre eigene Gesellschaft für Psychische Forschung gegründet.
War Miss Kittering daran interessiert, den Geist eines Verstorbenen zu kontaktieren, oder betrachtete sie sich selbst als Medium? Eliza vermutete, dass das keinen Unterschied machte. So oder so, diese Sammlung enthielt einen Haufen Dinge, die Mrs. Kittering nicht im Geringsten billigen würde, nicht mit ihrem Beharren auf perfekter Respektabilität. Nichts über Feen, nicht dass Eliza es ohne eine genauere Suche sehen konnte – aber reichlich Zeug, das von verrufenen Dingen sprach.
Beim Knarzen der Treppe schlug ihr das Herz bis zum Hals. Eliza stopfte hastig alles zurück in die Hutschachtel, schob diese an ihren Platz, schlug die Schranktüren zu – die sie im letzten Augenblick fing, damit sie nicht zuknallten – und stellte den Stuhl mehr oder weniger dorthin zurück, wo er hingehörte, ehe sie sich zum offenen Kamin stürzte, wo sie hart an der Arbeit sein sollte.
Als die Tür aufging, wusste sie, dass nur Eitelkeit sie vor einer Entdeckung bewahrt hatte. Nicht ihre, sondern die des Hausdieners Ned Sayers, der jedes Mal ohne Ausnahme stehen blieb, um sich in dem Spiegel anzusehen, der oben an der Familientreppe aufgehängt war. Mrs. Kittering feuerte Hausdiener nicht so oft wie Hausmädchen, weil es nötig war, ein Paar zu behalten, das an Größe