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setzte seinen Weg fort.

      »Kommen wir zu was anderem, Oheim. Warum hast du auf Lohtsé so reagiert? Seid ihr euch etwa früher schon mal begegnet?«

      Gelmard seufzte. »Ich habe befürchtet, dass du mich das fragen würdest. Ja, es stimmt. Ich kenne den großen Lohtsé. Und ich habe nicht die besten Erinnerungen an ihn. Ich will wissen, was er hier will. Was er von DIR will.«

      »Und du meinst, das sagt er dir so einfach?«

      Gelmard schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Er war damals schon ein legendärer Geheimniskrämer. Aber wir sind da.«

      Sie hatten inzwischen das Flussufer erreicht. Dort saß noch immer Lohtsé an den Felsen gelehnt. Und er las in einem kleinen Buch, welches er auf seinen Schenkeln liegen hatte. Dabei formten seine Lippen die Worte mit.

      Munuel und Gelmard näherten sich mit Bedacht und blieben in respektvollem Abstand stehen.

      »Ich grüße Euch, Gelmard, Primas des Cambrischen Ordens und Berater des Shabibs von Savalgor« sagte Lohtsé, ohne von seinem Buch aufzublicken. »Setzt Euch zu mir.«

      Gelmard und Munuel sahen sich an und setzten sich, wobei sie den alten Magier links und rechts flankierten. Jetzt sah Lohtsé endlich von seiner Lektüre auf und blickte Munuel direkt an. Munuel erkannte, dass sich die grauenvollen Entstellungen im Gesicht des Magiers teilweise zurückgebildet hatten. Nun wirkten sie wieder wie Tätowierungen.

      »Es sind die Zeilen in diesem Buch«, erklärte Lohtsé, der die Verwunderung in Munuels Gesicht richtig deutete. »Sie haben große Macht und verschaffen mir immer wieder noch ein wenig Zeit. Doch auf Dauer ist die Veränderung nicht aufzuhalten.«

      »Ich muss gestehen, ich bin einigermaßen überrascht, Euch hier in Angadoor vorzufinden. Seit wann habt Ihr Hegmafor verlassen?«, fragte Gelmard mit Ungeduld in der Stimme.

      Lohtsé wandte leicht den Kopf. »Ich bin schon sehr lange fort von Hegmafor. Die Festung ist leer und verlassen. Und das ist auch gut so. Viel Unheil ging von diesem Ort aus, aber zurzeit ist sie keine Gefahr, den Kräften sei Dank. Ich war auf den Wolkeninseln und beschützte die Welt vor einer viel schlimmeren Bedrohung.«

      »Auf den Wolkeninseln?«, riefen Munuel und Gelmard fast unisono. Munuel nickte Gelmard zu, damit dieser fortfahren konnte.

      »Zufälligerweise«, erklärte Gelmard, »bin ich auf dem Weg dorthin. Wir haben seit einiger Zeit keine Nachricht mehr von der Akademie des Ordens auf Hammerskôld. Ich will dort nach dem Rechten sehen.«

      »Das solltet Ihr auch tun, werter Ordensmeister. Aber nicht ohne diesen jungen Magier hier.«

      »Ich gehe auf gar keinen Fall zu den Wolkeninseln«, sagte Munuel mit Nachdruck. »Ich werde hier gebraucht.«

      »Das ehrt Euch, Munuel«, erwiderte Lohtsé. »Aber manchmal gibt es wichtigere Aufgaben für einen Magier, als seinem Dorf zu dienen. Diese Bedrohung, von der ich spreche, wird irgendwann auch Angadoor erreichen. Und dann wird es zu spät sein.«

      »Von welcher Bedrohung sprecht Ihr, Lohtsé?«, wollte Gelmard wissen.

      »Dazu komme ich später. Erst möchte ich von euch wissen, wer Limlora ist.«

      Munuel und Gelmard sahen sich an.

      »Das ist die Tochter des Shabibs«, antwortete dann Munuel. »Woher …?«

      »Ihr solltet wissen, dass mein Gehör außerordentlich ist. Vor allem, wenn ich in diesem Büchlein lese. Sie hat also ein Loch ins Trivocum gerissen?«

      »Ein winziges!« beeilte sich Gelmard, zu sagen.

      Lohtsé schüttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle. Jetzt passt alles zusammen.«

      »Was passt zusammen?«, wollte Gelmard wissen.

      »Ein sterbender Erzmagier, der Meister des Cambrischen Ordens, ein begabter Jungmagier und eine von roher Magie erfasste Novizin treffen sich in Angadoor. Manch einer mag darin einen Zufall sehen, ich dagegen erkenne eine Absicht.«

      »Was für eine Absicht sollte das sein?«, fragte Munuel.

      »Die Tochter des Shabibs auf die Wolkeninseln zu bringen. Sie wird irgendwann dem Shabib auf den Thron folgen, nicht wahr? Das passt doch wunderbar in einen finsteren Plan. Hört! Dieses Mädchen darf die Inseln nie erreichen! Unter keinen Umständen. Sie muss zurück nach Savalgor, und das so schnell wie möglich. Ich mag gar nicht darüber nachdenken, welch sinistrer Einfluss den alten Geramon dazu brachte, seine Tochter mit nur zwei Leibwächtern und einem Magus auf eine solche Reise zu schicken. Euch sollte klar sein, dass ihr nur Marionetten in einem sehr düsteren Theater seid. Lasst euch dazu nicht missbrauchen!«

      »Das klingt sehr nach Verschwörung«, brummte Gelmard. »Ich wüsste nicht, wer einen Vorteil davon haben sollte, Limlora auf die Wolkeninseln zu bringen.«

      »Eben jener, von dem ich spreche. Von ihm geht die Gefahr aus.«

      »Ihr habt uns immer noch nicht gesagt, wer oder was das sein soll«, drängte Gelmard.

      »Ein Drache«, antwortete der alte Magier. »Sein Name ist Crusalioth«.

      »Warum sollte ein einzelner Drache so eine Bedrohung sein?«, erwiderte Munuel. »Es gab schon immer Drachen, die nicht besonders freundlich waren, die meisten aber sind friedlich. Ich nehme an, es ist ein Malachista?«

      »Das ist kein Malachista«, erklärte Lohtsé. »Ich denke eher, es handelt sich um eine bislang unbekannte Art. Dieser Drache frisst drei Malachista zum Frühstück und lässt nicht einmal Knochen übrig. Nein, das ist nicht das Bedrohliche an ihm. Dieser Drache beherrscht eine sehr dunkle Magie.«

      »Magie?« Gelmard zog die Brauen hoch. »Gut, es gibt Drachenmagie. Sogar sehr mächtige. Aber sie wurde nie angewendet, um Dinge zu ändern, im Gegenteil. Was ist so besonders an der Magie dieses Crusalioth?«

      »Dazu muss man tiefer in die Geschichte der Wolkeninseln eintauchen, die kaum jemand kennt«, erläuterte Lohtsé. »Und auch wir nennen sie nur so, eben weil sie hinter dichten Wolkenbänken liegen, und so weit weg sind, dass wir eigentlich nur durch Mythen und Legenden darüber wissen. Warum der Cambrische Orden beschlossen hat, ausgerechnet an diesem abgelegenen Ort eine Akademie zu errichten, ist mir ein Rätsel.«

      »Das hatte einen ganz eindeutigen Grund, den ich Euch gerne erläutere, da ich an dieser Entscheidung beteiligt war«, erklärte Gelmard. »Man wollte sie so weit wie möglich von irgendwelchen Einflüssen haben, insbesondere entfernt von Hegmafor, als es noch seinen düsteren Nimbus hatte. Die Novizen sollten unbeeinflusst von den unterschiedlichen Philosophien der Magiergilden lernen können. Vor allem sollte sie jeglicher Tagespolitik entrückt sein. Deshalb wählten wir Hammerskôld, weil das eine unbewohnte Insel der Gruppe ist. Und auch die restlichen Inseln sind nicht so sehr Mythos, wie Ihr vielleicht glaubt. Wir wissen um die Eingeborenen, die dort leben, pflegen jedoch eine strikte Doktrin der Nichteinmischung.«

      Lohtsé nickte, widersprach aber dann.

      »Die wahren Gründe dürftet selbst Ihr nicht kennen, werter Gelmard. Denn die Zusammenhänge offenbaren sich erst, wenn man das Gesamtbild sieht, so wie ich. Ich befürchte, das alles folgt einem ausgeklügelten dunklen Plan. Warum verfrachtet man die hoffnungsvollsten Talente der Magiergilde an diesen abgelegenen Ort? Damit sie dem Einfluss der Tagespolitik entzogen sind? Ja, das sind sie, aber vor allem befinden sie sich nun im Einflussbereich einer ganz anderen Macht. Der des Drachen.«

      »Ihr meint«, warf da Munuel ein, »der Drache hat das selbst bewirkt? Wie sollte er das tun? Es ist ein Drache, kein Spross einer einflussreichen Herrscherfamilie – wie soll er es bewerkstelligen, Interessensvertreter nach Savalgor zu schleusen?«

      »Ich sagte ja: Dunkle Magie. Aber hört weiter. Die Wolkeninseln werden natürlich nur von uns so genannt. Ihr Name ist in Wahrheit ’Mundus Ranásara’ oder auch einfach nur Ranasuristan. Das bedeutet ’Welt der Kriegerinnen’, denn ihre Bewohner nennen sich Ranásura, was ebenfalls Kriegerinnen bedeutet. Dabei handelt es sich um eine matriarchalische Gesellschaft,

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