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guten Platz zum Sterben. Und da unten …«. Er deutete auf den Fluss. »… ist ein guter Platz. Wollt Ihr mir diese Bitte gewähren?«

      Munuel blinzelte verwirrt. Das war eine ungewöhnliche Bitte. Eine, die er unmöglich abschlagen konnte. Hatten die Linien in seinem Gesicht etwa damit zu tun?

      »Seid mein Gast, werter Lothsé«, antwortete er schlicht.

      »Es soll Euer Schaden nicht sein, Magier«, sagte Lothsé. »Ich bin bereit, mein Wissen mit Euch zu teilen, solange das noch möglich ist. Und wenn die Zeit kommt, hätte ich Euch gern an meiner Seite. Es gibt da etwas, das ich Euch noch sagen muss, aber wirklich erst dann, wenn die letzte Stunde gekommen ist. Vorher nicht. Und eine Bedingung habe ich.«

      »Die wäre?«

      Der alte Magier lehnte sich wieder in seine ursprüngliche Position zurück und nahm seinen Stab in die Hand.

      »Ihr werdet über die Details unserer kurzen Bekanntschaft Stillschweigen bewahren. Euer Leben lang. Ihr könnt gerne irgendwann erwähnen, dass der ›»große Lothsé« bei Euch auftauchte und gestorben ist. Aber bitte kein Wort über die Details, unsere Gespräche und … was noch kommen mag.«

      Munuel nickte. Ein Kloß saß ihm im Hals. Aber er würde der Bitte dieser Legende nachkommen. Das gebot allein der Anstand.

      Er sorgte dafür, dass Lothsé im Gasthof gut untergebracht wurde. Dann lenkte er seine Schritte in die Gasse, in der sein kleines Haus war, tief in Gedanken versunken. Er war gespannt darauf, welche Mysterien sich hinter dem Auftauchen des alten Magiers verbargen

      Man traf ja nicht alle Tage eine lebende Legende.

      Seine Stimmung hellte sich weiter auf, als er Islin auf den Stufen zu seiner Eingangstür sitzen sah. Sie hatte ihre Arbeitskleidung gegen ein helles Kleid getauscht, welches ihre Figur vortrefflich zur Geltung brachte. In der rechten Hand hielt sie eine Flasche. Als sie ihn erblickte, lächelte sie und stand auf. Sie hielt Munuel die Flasche entgegen.

      »Ich habe mich noch gar nicht gebührend bedankt, junger Magus. Hier ist eine Flasche vom besten Mornweiler Mädchenblut, angeblich ein guter Jahrgang.«

      Munuel trat näher heran und zog sie zu sich. Sie schmiegte sich an ihn und lachte. Er küsste sie auf den Mund und sagte: »Dann lass uns den vernichten und dann sehen, wie wir den Rausch sinnvoll nutzen, oder?«

      Islin kicherte. »Ich liebe deine spontanen Einfälle, Munuel. Wie bist du darauf nur wieder gekommen?«

      In diesem Moment vergaß der junge Magier den alten Magier vollkommen. Er öffnete die Tür zu seinem Haus und zog die kichernde Islin mit hinein. Den Rest des Abends würde er nur noch eine Form von Magie gelten lassen. Und dafür würde er keine Aurikel setzen müssen.

      ooOoo

      2 Die Tochter des Shabibs

      Als Munuel erwachte, schien die Sonne bereits hell durch sein Fenster in der Schlafstube. Der junge Magier blinzelte und fasste mit der rechten Hand an die Stelle im Bett, wo er Islin vermutete, doch da war nichts. Der Platz war nicht einmal mehr warm. Natürlich, Islin musste sich als Züchterin um ihre Tiere kümmern und die waren stets früh dran. Als er seine Hand zurückzog, piekte ihn etwas in den Daumenballen. Er zog die Decke zurück und erblickte eine kleine Rose an einem dornigen Stiel. Ein kleines Zeichen von Islin.

      Munuel lächelte und stieg aus dem Bett. Er fröstelte und wechselte schnell in die geräumige Wohnstube in der Hoffnung auf etwas mehr Wärme, da nur dieser Raum beheizt wurde. Doch auch dort empfing ihn empfindliche Morgenkühle. Er sah in den Kamin. Es gibt keinen deprimierenderen Anblick an einem Vorfrühlingsmorgen als eine erloschene Feuerstelle. Die traurigen Überbleibsel eines nur halb durchgeglühten und verkohlten Holzscheits ragten wie ein Mahnmal der Nachlässigkeit aus der grauen Asche eines verträumten und amourösen Abends am Kamin. Er hätte in der Nacht noch nachlegen sollen, doch das Bett war zu warm und Islin zu weich gewesen. Munuel seufzte. Er hatte keine Lust, jetzt das Feuer neu zu entfachen, und er war zu faul, sich ein Frühstück zuzubereiten. Außerdem, so sagte er sich, musste er sich nach seinem gestrigen Gast erkundigen, ob diesem auch an nichts fehle. Bei dieser Gelegenheit konnte er auch genauso gut im Gasthaus eine Mahlzeit zu sich nehmen. Er suchte seine Kleidung zusammen, die überall verstreut herumlag.

      Ein weites Leinenhemd, ein Wams aus dunkelblauem Wollstoff mit Lederbesatz und eine weit geschnittene Kniebundhose. Dazu seine Robe, die schon bessere Zeiten gesehen hatte. Noch ein Blick in den Spiegel über der Kommode, um die langen dunkelblonden Haare zu einem Zopf zu binden und sich erneut gegen eine Rasur zu entscheiden. Sein Bart kitzelte ihn zwar bereits in der Nase und störte überdies beim Essen, doch kaschierte er bestens die etwas kantig geratene Hakennase und hob seine bergseeklaren Augen hervor. Das Wams spannte sich bereits etwas über dem Bauch. Er sollte Islins Hausmannskost nicht so oft zusprechen.

      Er trat vor die Tür. Es war ein wunderschöner Morgen. Durch das große Angadoorer Sonnenfenster schickte die Sonne bereits mit Kraft ihre Wärme auf das Land. Hoch oben von den Pfeilern hallten die spitzen Schreie verspielter Felsdrachen wider, die dort um den Felsen kreisten. Und wenn Munuel nicht alles täuschte, konnte er in der Ferne die Flügel eines Mulocin Drachen erkennen, der seine Bahnen zog. Diese großen Biester waren oft in der Nähe von Mulloh Herden zu finden, allerdings weniger, weil sie unter ihnen räubern würden. Man vermutete, sie würden von ihrem Dung angezogen.

      Munuel lenkte seine Schritte durch die Gasse, die zum Dorfplatz hinunterführte. Unterwegs grüßten ihn die geschäftigen Angadoorianer, die ihrer täglichen Routine nachgingen. Zu dieser Tageszeit waren vor allem die kleineren Kinder draußen unterwegs, die noch nicht die Schulbank drücken mussten. Dass Angadoor eine Schule hatte, war das Verdienst seines Lehrmeisters und Mentors Gelmard gewesen, denn dieser war der Ansicht, dass alle größeren Dörfer und Städte eine haben sollten. Grundkenntnisse in Lesen und Schreiben, sowie Rechnen und Geometrie wurden vom Cambrischen Orden als unerlässlich angesehen, um etwaige spätere Adepten ausfindig zu machen, die mal ihre Reihen füllen sollten. Trotzdem war der Anteil derer, die des Lesens nicht mächtig waren immer noch bedenklich hoch. Das hart arbeitende Landvolk legte eben wenig Wert auf Bildung, dafür umso mehr auf tatkräftige Hände.

      In dem Tross lachender Kinder, die ihm folgten, erblickte er daher auch so einige Burschen, die eigentlich zur Schule gemusst hätten. Doch er verzichtete darauf, sie zu ermahnen. Stattdessen veranstaltete er ein kleines Wettrennen bis zum Gasthaus, bei dem er die Kleinsten gewinnen ließ. Grinsend schüttelte er die Meute ab, die krähend weiterzog und betrat das Gasthaus.

      Nur einige wenige Händler rasteten auf ihrem Weg nach Wahringen und hofften auf kleinere Nebengeschäfte. Das nächste Gasthaus war erst wieder an der Morneschlucht, gute drei Tagesreisen entfernt. Eileen, die blonde Tochter der Wirtsleute kam fröhlich lächelnd auf ihn zu.

      »Der Herr Dorfmagier! Welche Ehre. Hier ist heute aber niemand krank.«

      »Ich bin kein Arzt«, erwiderte Munuel freundlich. »Ich weiß gar nicht, warum man mich immer nur dafür konsultiert. Erst neulich wieder, als die kleine Miranda aus dem Kirschbaum gefallen war. Die kleine Rotznase kann aber auch nie hoch genug klettern.«

      Eileen schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Ich könnte fast wetten, die Kleine hat das absichtlich gemacht, damit Onkel Munuel zum Spaßmachen vorbeikommt.«

      Munuel seufzte innerlich. Vielleicht sollte er sich den Kindern gegenüber doch mal strenger zeigen. Doch dann stieg ihm der Duft frisch gebackener Heferöllchen in die Nase. Eileen bemerkte seinen Gesichtsausdruck und deutete ihn richtig.

      »Wie ich sehe, interessiert Ihr euch im Moment sowieso nur für die frischen Heferollen. Seid Ihr gar zum Frühstück hier? Dann setzt euch doch einfach an einen der Tische, sind ja genug frei.«

      Munuel ließ sich nicht lange bitten und wählte einen Platz an einem der bunten Butzenscheiben. So hatte er einen guten, wenn auch verzerrten Blick auf den Dorfplatz. Nicht, dass er den unbedingt im Auge behalten wollte, aber es gefiel ihm, stets eine gewisse Sichtweite zu haben.

      Er musste nicht lange warten. Schon nahte Eileen mit

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