Скачать книгу

werde. (Dass an der Weihnachtsfeier seiner Firma in diesem Jahr die Partner pflichterwünscht waren, war ihm hingegen „durchgerutscht“. Fünf Stunden habe ich abgezweigt von meinem Zeitkonto für seine Kollegen.)

      UND: Warum muss sich der attraktive Personal Trainer ausgerechnet bei meiner Freundin so unprofessionell verhalten, dass sie zwar mit zehn Pfund weniger, dafür aber mit gebrochenem Herzen zurückbleibt und unser Telefon heißläuft?

      „Da lobe ich mir die Funklöcher in den Bergen“, lautete der einzige Kommentar meines Mannes zum Leid meiner Freundin nach unserem mehrstündigen Telefonmarathon.

      Immerhin sind Stunden der sozialen Kontakte die besten Stresskiller, lese ich immer wieder, quasi Entschleunigung pur. Ich sollte dankbar sein für mein weit gefächertes soziales Umfeld.

      Apropos: Tante Herta!

      Ein Tag vor Heiligabend, Montag nach dem vierten Advent. Alles geschafft! Auch dank zweier Nachtschichten. Musste sein, denn unseligerweise ist mir ein Magen-Darm-Virus (zwar nur ein vierundzwanzigstündiger, dafür gerecht auf alle Familienmitglieder verteilt) in der letzten Woche in die Quere gekommen. So mir nichts, dir nichts bin auch ich in den Genuss einer Radikalkur gekommen (Detoxing und Gewichtsabnahme kombiniert).

      Sogar die Last-minute-Geschenke sind rechtzeitig eingetroffen. (Erst eine Woche vor Weihnachten fällt meiner Familie ein, welche dringenden Wünsche sie an den Weihnachtsmann hat.) Übernächtigt, mit Augenringen groß wie Untertassen, sitze ich vor meiner Liste, die nichts als durchgestrichene Posten enthält.

      Bravo!

      Daneben liegt – leider – die neue, nicht eben kurze Liste für morgen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Verwandtschaft anrücken, sich in unserem Haus verteilen: Tante Herta, die darauf wartet, dass das Programm endlich beginnt, Onkel Gerhard mit seinem laut piepsenden Hörgerät, Tante Brigitte, die ihren sabbernden Hund niemals alleine lässt ...

      Bin ich gestresst? Hmm.

      Einmal tief durchatmen, dazu ein mentales Schulterklopfen. Na also, geht doch!

      Bis zur Eröffnung des Weihnachtsspektakels sind es genau siebzehn Stunden – und sechsunddreißig Minuten.

      Das schaffe ich. Locker!

      So wie ich es mir zu Beginn des Jahres vorgenommen habe.

      Na ja ... also fast so.

      Bettina Schneider, Jahrgang 1968, lebt in Berlin, verheiratet, zwei Kinder und ein Hund, Studium der Betriebswirtschaftslehre, im Anschluss zehn abwechslungsreiche Jahre im Rechnungswesen in der Privatwirtschaft, heute Freiraum für kreative Tätigkeit. Sie schreibt mit Begeisterung Kurzgeschichten und Erzählungen, einige davon sind veröffentlicht.

      *

      Weihnachtsstimmung

      Jingle bells, jingle bells ... Die Melodie höre ich heute zum dreiundzwanzigsten Mal, doch ich summe noch immer gut gelaunt mit. Etwas anderes bleibt mir eigentlich auch nicht übrig, wenn ich nicht die nächsten drei Wochen griesgrämig sein will.

      Ich freue mich auf Weihnachten, ehrlich, aber ein paar neue Lieder dürfte sich die Welt schon ausdenken. Im Grunde wird jedes Jahr das Gleiche gespielt. Überhaupt ist es doch sowieso jedes Jahr das Gleiche. Rote und goldene Kugeln an dem riesigen Baum in der Vorhalle, Lichterketten, die die Schaufenster verzieren, und immer die gleichen Lieder.

      Aber ich sollte mich nicht beschweren, eigentlich mag ich das alles ja und eigentlich freue ich mich auch darauf, dass alles – oder zumindest fast alles – beim Alten bleibt. Die Menschen, die in Massen zum Einkaufen strömen und auf uns herumtrampeln, sind so viele, dass ich kaum sagen kann, wer im Vorjahr schon auf mir stand.

      Das klingt seltsam, Verzeihung, ich hätte mich vorstellen sollen, wie unhöflich von mir. Mein Name ist FIX-7028-cf-49ZK, aber meine Freunde nennen mich einfach nur Fix.

      Mein Beruf? Rolltreppe im Einkaufszentrum.

      Was meinst du? Ja, natürlich kann ich reden. Können wir alle, ihr seid nur zu geschäftig, um uns zu hören.

      Autsch! Ich fühle mich ja geschmeichelt, wenn Kinder mich mögen, aber müssen sie immer auf meinen Stufen herumspringen? Ich weiß, ich sollte mich nicht beklagen.

      Warte mal, ich will kurz schauen, was die Dame da in ihrer Tüte hat. Nachts im Museum, von dem Film habe ich gehört, der soll gut sein.

      Pff, Anfänger. Du müsstest mal erleben, was hier nachts abgeht, vor allem an Heiligabend. Es gibt immer Neue zu begrüßen, Sänger, Tänzer ...

      Heute Abend haben wir Sänger ein Treffen. Psst, ich verrate dir ein Geheimnis. Meine Freunde wissen es noch nicht, aber ich werde das diesjährige Solo singen! Ich freu mich so! Auch wenn ich eigentlich etwas schüchtern bin. Aber Cory – die rote Kugel, die da an dem Zweig hängt, ja, genau die – meinte, ich solle es doch mal versuchen.

      Ach, du musst weiter? Na ja, dann mach’s gut. Ich wünsch dir viel Erfolg bei der Geschenkesuche!

      Weihnachtsfreude überall, tralala ...

      Jerusha Präpst

      *

      Snowbert büxt aus!

      „So ein schöner Schneemann ist das geworden“, sagte Mama zu Sven. „Das haben wir toll hingekriegt.“

      Sven nickte eifrig mit dem Kopf, wobei sich der Bommel seiner Zipfelmütze wild hin und her bewegte. Er hatte ganz rote Backen, seine Fäustlinge waren nass und außen ganz weiß vom gefrorenen Schnee, der sich in der Wolle festhielt. Voll Freude betrachtete Sven das Kunstwerk.

      Eine ganz große, eine mittlere und eine kleine Kugel hatten sie übereinandergesetzt. Das war Schwerarbeit gewesen. Am Bauch glänzten fünf schwarze Kohlesteine, am Kopf hatte Mama eine alte Skimütze festgemacht. Auch die Augen waren Kohlestücke und die Nase eine lange Karotte.

      „Mama, kann der Schneemann weglaufen?“, fragte Sven, weil er seinen Schneemann ja gerne länger hätte.

      Mama nahm ihren Sohn in die Arme und verneinte lachend. „Kann er nicht, er hat ja keine Beine.“

      Da war Sven zufrieden.

      Gerade wollte er ins Haus laufen, da fiel ihm ein, dass er dem Schneemann unbedingt einen Namen geben musste. Jetzt dachte er nach, wie sollte er ihn nennen, wenn er morgen nach dem Frühstück in den Garten laufen würde? Hm, er überlegte hin und her.

      „Was hast du Sven?“, fragte Mama etwas besorgt.

      „Ich möchte dem Schneemann einen Namen geben, aber welchen?“, antwortete Sven mit einem tiefen Seufzer.

      Hans, Ben oder vielleicht Dagobert? Da hatte er eine Idee. Sein Lieblingsonkel hieß Herbert, deshalb würde er den Schneemann Snowbert nennen! Das gefiel ihm.

      So lief Sven täglich gleich nach der Schule raus in den Garten und begrüßte seinen Freund. „Hallo Snowbert, wie geht es dir heute?“ Dann strich er ihm mit seinen Fäustlingen über die Rundungen, füllte Schnee nach, wo etwas weggebrochen war, und erzählte ihm, was er so alles erlebt hatte.

      Eine Woche vor Weihnachten bekam Sven eine starke Erkältung mit Husten und Schnupfen. Er musste das Bett hüten. Am dritten Tag seiner Krankheit stand er auf und ging zum Fenster, um Snowbert zuzuwinken.

      Als er in den Garten blickte, entfuhr ihm ein heiseres Krächzen und seine Augen wurden starr. „Mama, Mama, Snowbert ist weg!“, rief er aufgeregt.

      Noch mal schrie er nach seiner Mama, die völlig außer Atem zu ihm lief, nachdem sie im Keller die Wäsche geholt hatte. „Was ist passiert, geht’s dir nicht gut?“ Ängstlich strich sie ihm über den Kopf.

      Sven schüttelte den Kopf. „Nein, Mama, schau in den

Скачать книгу