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betrat und sofort das Zimmer seiner Frau aufsuchte. Als er eintrat, stellte er zu seinem Erstaunen fest, daß Gunilla mitsamt ihrem Bett verschwunden war. Unwillig runzelte er die Stirn, dann ging er hinaus und sah sich suchend um, bevor er auf eine Schwester zusteuerte, die gerade den Flur entlangkam. Unglücklicherweise handelte es sich dabei um die OP-Schwester Petra Dölling, und sie war vermutlich die einzige im ganzen Haus, die noch nicht mitbekommen hatte, welche Spannungen zwischen den Heidenraths herrschten. Ihr war der Name nur deshalb ein Begriff, weil heute die Sterilisation durchgeführt werden sollte.

      »Ich bin auf der Suche nach meiner Frau«, erklärte Helmut Heidenrath. »Sie sollte eigentlich heute entlassen werden, aber ihr Zimmer ist schon leer.«

      »Wie ist der Name Ihrer Frau?« wollte Petra wissen.

      »Gunilla Heidenrath.«

      Erstaunt sah Petra ihn an. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Dr. Daniel Frau Heidenrath heute entlassen wollte. Sie wurde bereits für den Eingriff vorbereitet.«

      »Für den…« Helmut stockte, weil er im selben Augenblick Bescheid wußte. Sein Blick verfinsterte sich so sehr, daß Petra unwillkürlich einen Schritt vor ihm zurückwich.

      »Das lasse ich nicht zu!« stieß Helmut wütend hervor, dann verließ er im Laufschritt die Station und wenig später auch die Klinik. Petra atmete auf und unterschätzte die Gefahr, die von ihm ausging, bis er wieder zurückkam – mit einer abgesägten Schrotflinte in der Hand.

      Die Sekretärin Martha Bergmeier, die wie immer in ihrem Glas-häuschen mit der Aufschrift Information saß, erschrak zutiefst, als sie den wild entschlossenen Mann in die Gynäkologie hinüberlaufen sah, doch dann reagierte sie sofort und rief im Büro des Chefarztes an.

      »Herr Heidenrath ist gerade mit einem Gewehr in die Gynäkologie gegangen«, stieß sie aufgeregt hervor. »Da ist doch heute die Operation bei Frau Heidenrath.«

      »Oh, verdammt«, entfuhr es Dr. Metzler. »Woher weiß er das bloß?« Er überlegte kurz. »Rufen Sie die Polizei an. Ich denke zwar, daß man ihn auch anders aufhalten kann, aber wir wollen kein Risiko eingehen.« Dann legte er auf, verließ sein Büro und lief in die Gynäkologie hinüber.

      Etwa zur gleichen Zeit drang Helmut Heidenrath gerade mit dem Gewehr im Anschlag in den kleinen Operationssaal ein.

      »Aufhören!« schrie er, kaum daß er die Tür aufgerissen hatte. Seine Stimme überschlug sich dabei fast. »Hören Sie sofort auf!«

      Erschrocken blickte Dr. Daniel hoch und direkt in die abgesägten Läufe der Schrotflinte hinein.

      »Hören Sie sofort auf«, befahl Helmut noch einmal, »sonst jage ich Ihnen diese Ladung ins Gesicht.«

      »Herr Heidenrath, machen Sie doch keinen Unsinn«, entgegnete Dr. Daniel und versuchte, trotz dieser extremen Ausnahmesituation ruhig zu bleiben, was ihm aber nicht ganz gelang. Immerhin kannte er Helmut Heidenrath gut genug, um zu wissen, daß seine Drohung ernst gemeint war.

      »Ich lasse nicht zu, daß Sie meine Frau verstümmeln«, erklärte Helmut und drückte Dr. Daniel die Läufe der Schrotflinte gegen die Stirn. »Sie soll mir einen Sohn gebären, und wenn es das Letzte ist, was sie jemals tun wird.«

      Dr. Daniel fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Dieser Mann war weit gefährlicher, als er bisher angenommen hatte. Seine Kaltblütigkeit machte ihn zu einer tödlichen Bedrohung.

      »Die Möglichkeit, daß Ihr sechstes Kind ein Junge wäre, ist eher unwahrscheinlich«, erwiderte Dr. Daniel.

      »Erzählen Sie mir nichts!« fuhr Helmut ihn an. »Irgendwann muß sie einen Jungen bekommen. Und nun bewegen Sie sich! Machen Sie Gunilla wieder zu oder…« Argwöhnisch schaute er den Arzt an. »Haben Sie da drin womöglich schon herumgefummelt?«

      In diesem Moment stürzte Dr. Metzler in den Operationssaal. Helmut fuhr herum und richtete seine Waffe auf ihn.

      »Raus!« befahl er. »Und dann schließen Sie die Tür ab. Den nächsten, der hier hereinkommt, schieße ich nieder!«

      »Tu, was er sagt, Wolfgang«, meinte Dr. Daniel, als der Chefarzt zögernd stehenblieb.

      Kaum war Dr. Metzler wieder draußen, da richtete Helmut sein Gewehr wieder auf Dr. Daniels Gesicht.

      »Und jetzt antworten Sie!«

      herrschte er ihn an.

      Dr. Daniel hielt seinem Blick stand, und dabei war ihm nicht anzumerken, daß er fieberhaft überlegte, wie er sowohl Gunilla als auch den Anästhesisten Dr. Parker, die OP-Schwester und sich selbst befreien könnte.

      »Ich habe die Eileiter bereits durchtrennt und verschweißt«, erklärte er dann.

      Aus zornfunkelnden Augen starrte Helmut ihn an, und Dr. Daniel bemerkte, wie sein Finger, den er am Abzug hatte, zu zittern be-

      gann.

      Wenn er jetzt abdrückt, ist alles vorbei, durchfuhr es Dr. Daniel. Auf diese kurze Entfernung ist eine Schrotflinte ebenso gefährlich wie jedes andere Gewehr.

      Allerdings wußte Helmut auch, daß er den Arzt noch brauchte.

      »Machen Sie es rückgängig«, verlangte er. »Auf der Stelle!«

      »Das ist nicht so einfach«, entgegnete Dr. Daniel, um Zeit zu gewinnen.

      Wieder drückte Helmut ihm die Läufe der Schrotflinte schmerzhaft gegen die Stirn, dann nahm er sie plötzlich weg, ergriff mit einer Hand den Kittel der OP-Schwester Petra und zog sie zu sich heran, bevor er ihr den abgesägten Lauf ins Genick drückte.

      »Machen Sie es rückgängig, oder die Kleine hier muß dran glauben«, erklärte er, und sein Tonfall ließ keinen Zweifel aufkommen, daß er seine Worte ernst meinte.

      »In Ordnung, Herr Heidenrath«, meinte Dr. Daniel, um den Mann zumindest vorübergehend ruhigzustellen, dann tat er so, als würde er die Sterilisation rückgängig machen. In Wahrheit überlegte er fieberhaft, wie er zuerst Petra aus der unmittelbaren Gefahr befreien und anschließend Helmut Heidenrath überwältigen könnte, doch das

      schien unmöglich zu sein. Im Grunde hatte er nur eine Chance, sie alle heil hier herauszubringen: Er mußte behaupten, daß Gunilla wieder ein Kind zur Welt bringen könnte.

      »Der Blutdruck der Patientin fällt«, erklärte der Anästhesist Dr. Jeffrey Parker.

      Erstaunt sah Dr. Daniel ihn an. Normalerweise gebrauchte Dr. Parker während einer Operation keine vollständigen Sätze. Da fielen höchstens Bemerkungen wie »Blutdruck fällt«. Dr. Daniels nächster Blick galt dem Monitor, der deutlich anzeigte, daß Gunillas Zustand vollkommen stabil war.

      »Wir haben Herzflimmern«, fuhr Dr. Parker fort.

      Aufmerksam beobachtete Helmut die beiden Ärzte und versuchte herauszufinden, ob man ihm hier eine Falle stellen wollte.

      »Was ist los? Haben Sie einen Fehler gemacht?« herrschte er Dr. Daniel an.

      Der Arzt hatte im Augenblick keine Ahnung, worauf Dr. Parker hinauswollte, tat aber instinktiv das Richtige.

      »Wir brauchen Schwester Petra«, erklärte er. »Sie muß eine Injektion vorbereiten, damit wir den Zustand Ihrer Frau wieder stabilisieren können.«

      Helmut schüttelte den Kopf. »Das kann er auch.« Damit meinte er Dr. Parker.

      »Nein, eben nicht«, widersprach Dr. Daniel. »Dr. Parker hat im Augenblick alle Hände voll zu tun, um einen Herzstillstand zu verhindern. Lassen Sie Schwester Petra bitte das Medikament holen, sonst wird Ihre Frau sterben.«

      Helmut zögerte. Für seine Begriffe sah alles genauso aus wie zu dem Zeitpunkt, als er den Operationssaal betreten hatte. Der Monitor piepste gleichmäßig.

      »Wenn Sie hier irgendeine miese Tour versuchen wollen, dann wird Ihnen das noch leid tun«, prophezeite er, bevor er Petra von sich stieß.

      Genau diesen Moment hatte Dr. Parker abgewartet. Noch ehe Helmut seine Waffe wieder

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