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KHAOS. Lin Rina
Читать онлайн.Название KHAOS
Год выпуска 0
isbn 9783959914208
Автор произведения Lin Rina
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Das wiederholte Fiepen erinnerte mich daran, dass ich zu tun hatte. Ein Blick auf die Anzeige über der Tür verriet mir, dass ich lediglich drei Stunden geschlafen hatte. Ich fühlte mich noch immer zerschlagen, aber die Nacht neigte sich bereits dem Ende zu.
Ich ging zurück zu den beiden Pritschen. Meine Knie taten bei jedem Schritt weh und die Muskulatur in meinem Hintern war ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Warum hatte ich auch im Sitzen geschlafen? Gähnend rieb ich mir den Nacken und knete den Übergang von Hals zu Schulter zwischen zwei Fingern.
Am besten wechselte ich die Beutel und zog mich noch mal eine Weile in mein Loch zurück. Vielleicht würden dann auch die Kopfschmerzen besser werden, die ich schon seit zwei Tagen hatte.
Ich schloss die Zufuhr am Schlauch, wechselte den Beutel am Bett des blonden Hünen und griff nach seinem Arm, um zu kontrollieren, ob die Haut um die Einstichstelle herum auch nicht zu sehr gerötet war.
Meine Finger legten sich auf die Haut des Mannes und ein Ruck ging durch ihn hindurch. Was folgte, dauerte nur einen Wimpernschlag. Der Arm wurde mir entrissen, eine riesige Pranke schloss sich um meinen Hals und drückte mir die Luft ab.
Es war viel zu schnell gegangen, als dass ich in irgendeiner Art hätte reagieren können. Kein Ton kam über meine Lippen und meine Lunge krampfte sich sofort zusammen.
»Was tust du da, du Schlange!«, grollte der Blonde und durchbohrte mich mit seinem scharfen Blick. Ich konnte ihn nur mit großen Augen anstarren und sein Handgelenk mit meinen kleinen Fingern umschließen, während meine Lunge nach Sauerstoff schrie. Auch mein Herz krampfte sich durch den Schreck zusammen, während ich zu verstehen versuchte, was gerade geschah.
Dieser Mann hätte frühestens in acht bis zehn Stunden aufwachen dürfen. Es fehlte ihm noch eine Menge Flüssigkeit und sein Kreislauf konnte unmöglich stabil genug sein, um sich plötzlich aufzurichten und mich zu erwürgen.
Mir dagegen wurde bereits schwindelig, schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und ich zog mit so wenig verbliebender Kraft an seiner Hand, dass ich fürchtete, er würde es nicht mal spüren.
»Lass sie los!«, sagte eine tiefe Stimme und die grau verwaschenen Augen richteten sich auf jemanden hinter mir. Sofort öffnete der blonde Riese die Hand und ich fiel wie ein Sack voll Sand zu Boden.
Japsend holte ich Luft, hustete, rollte mich auf dem Boden zusammen und wartete darauf, dass mein Brustkorb aufhörte zu brennen.
»Wer ist sie?«, hörte ich den Blonden fragen und drückte mir die Fäuste gegen das stechende Herz.
»Ich weiß es nicht. Aber es ist möglich, dass sie diejenige ist, die uns aufgeweckt hat. Also wäre es vielleicht ratsam, sie nicht gleich umzubringen!«, antwortete ihm die andere Stimme scharf und dann quietsche das Untergestell der Krankenliege hinter mir. Er war es.
Ich wusste es, noch bevor er in mein Blickfeld trat, über mir aufragte wie ein Krieger, gefährlich und doch der Traum meiner schlaflosen Nächte. Er reichte mir die Hand zum Aufstehen. Mir war immer noch schwindelig und der Blick in seine türkisgrünen Augen machte es nicht besser.
Dennoch ergriff ich zögerlich seine Finger, die sich fest um meinen Handrücken schlossen. Warm und voller Kraft. Schwankend kam ich auf die Füße und er legte mir die Hand an die Seite, damit ich nicht wieder umfiel.
Ich zuckte vor der Berührung zurück und entzog ihm meine Finger. Mein Herz schaffte es nicht, den Schreck zu überwinden und langsamer zu werden. Es stürzte sich einfach in die nächste Aufregung und das war mit dem kürzlichen Sauerstoffmangel keine gute Kombination.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich der Mann vor mir ruhig und hob eine Augenbraue.
Ich blinzelte verwirrt. »Ich muss mich kurz setzen«, flüsterte ich und machte die wenigen Schritte zu meinem Eimer, auf dem ich mich vorsichtig niederließ und mich mit dem Rücken gegen die Liege lehnte.
Die zwei Männer sahen mir dabei zu und ich schloss die Augen, um einen schnellen Blick in ihre Seelen zu werfen. Hätte ich das mal vorher schon gemacht, wäre mir der Überraschungsangriff vielleicht erspart geblieben.
Der Blonde hatte eine gelassene innere Haltung, die sich auf die Anwesenheit des zweiten Mannes stützte. Es war Vertrauen, Anerkennung und sogar Zuneigung auf familiärer Basis. Wie bei Brüdern. Nur dass sie sich nicht im Geringsten ähnlich sahen.
Er, der Mann, der mein Herz bewegte, hielt seinen Arm ausgestreckt, damit der Schlauch darin nicht den Beutel mit der Kochsalzlösung vom Haken holte. Seine Seele war unruhig, stürmisch, seine Gefühle angehaucht von Misstrauen und sein Geist voller ungefasster Meinungen. Er traute mir nicht, weil er mich nicht kannte, und doch hatte er mich davor bewahrt, von seinem Bruder erwürgt zu werden.
Vielleicht sah er in mir ja eine Art von Nutzen. Vielleicht war ich es aber auch einfach nicht wert, von einem wie ihm nicht wie eine Küchenschabe angesehen zu werden.
»Welches Jahr haben wir?«, wollte er von mir wissen und ich öffnete die Augen.
Ich dachte kurz nach. Wusste ich das überhaupt?
»Ich hab keine Ahnung«, gab ich also zurück. »In welcher Zeitrechnung denn?«
Das war etwas, um das ich mich nie gekümmert hatte. Die Zeit war hier relativ bedeutungslos. Selbst ZentralStunden waren nur eine Maßeinheit, die niemandem half. Schließlich würde ich sowieso nie von diesem trostlosen Wüstenplaneten wegkommen.
Also noch etwas, bei dem ich ihm nicht nützlich war. Doch ich konnte wenigstens das machen, wofür ich da war. »Könntest du dich wieder auf die Liege legen?«, fragte ich vorsichtig und erhob mich von meinem Eimer. Meinem Kreislauf ging es wieder besser. Meine Tabletten würden hoffentlich auch gleich anfangen zu wirken und mir den stechenden Schmerz in den Beinen und im Rücken nehmen.
Der Mann kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, was sie noch katzenhafter wirken ließ als ohnehin schon. Sein Blick war intensiv, was durch die Farbe seiner Iris nur verstärkt wurde.
Mir lief ein Schauer den Rücken hinunter, der nicht so unangenehm war wie sonst, wenn ich die Gefahr vor mir spürte. Dieser Mann machte einfach alles anders in mir.
»Was ist in den Beuteln?«, stellte er mir eine Gegenfrage, ohne auf meine Aufforderung einzugehen.
Berechtigte Frage, dachte ich mir. Ich hatte keine Ahnung, wann und wo diese Menschen eingefroren worden waren, doch wenn ich irgendwo in einem fremden Raum mit einem Schlauch im Arm erwachen würde, wäre das wohl auch eine meiner Fragen.
»Kochsalzlösung«, gab ich also bereitwillig Auskunft. »Ihr habt beim Aufwachen viel Wasser verloren.« Ich wünschte, ich hätte eine stärkere Stimme, doch ich war einfach noch zu atemlos. Vorsichtig wagte ich es, einen Schritt nach vorne zu machen, um ihn dazu aufzufordern, sich ebenfalls in Bewegung zu setzen. Doch er stand starr wie ein Felsen.
»Hast du uns aufgeweckt?« Er sah auf mich herunter und ich fühlte mich unangenehm berührt, weil ich plötzlich so dicht vor ihm stand. Zumindest näher, als ich einem Mann sonst kam.
Verhalten nickte ich und wies wieder auf die Liege. »Bitte. Ich muss den Beutel ersetzen«, gab ich ihm zu verstehen und endlich bewegte er sich.
Seine Augenbrauen hoben sich in einer Art Überraschung und er trat zurück an die Liege, auf die er sich setzte. Er war so groß, dass er sich einfach nur niederlassen musste. Sein Körper machte so geschmeidige Bewegungen, und das obwohl er gerade total dehydriert aus einem Kryokoma erwacht war.
Ich versuchte die Blicke zu ignorieren, die jeden meiner Handgriffe verfolgten, als ich den Schlauch schloss und den Wasserbeutel erneuerte.
»Darf ich?«, erkundigte ich mich schüchtern bei ihm und zeigte auf seinen Arm.
Er hielt ihn mir hin und ich griff zögerlich danach.