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Gelächter aus.

      Für Angie stand fest: Diese Nora Anderson hatte ihrem Sohn den Kopf verdreht. Wenn sich daraus nicht zusätzliche Schwierigkeiten ergeben hätten, hätte Angie gar nichts dagegen gehabt.

      Einmal mußte auch Hubs die Höhen und Tiefen der Leidenschaft kennenlernen. Zudem war Nora Anderson bestimmt erfahren genug, um die Tiefen nicht zu schmerzvoll werden zu lassen. War sie nicht zehn Jahre älter?

      »Weißt du«, wandte sie sich nach langem Schweigen wieder ihrer Nichte zu, »das mit dem Kahnfahren wird Hubs nachholen. Heute muß er ein Kapitel Englisch übersetzen und lateinische Formeln wiederholen. Wenn er heute abend noch eine Stunde über den Geschichtsbüchern sitzt, kann er sich morgen viel Zeit nehmen.«

      »Aber er redet doch nur mit Nora.«

      »Wieso? Jetzt auch? Wo?«

      Nun wurde es Angie zuviel. Es war herrliches Wetter, und Hubs hatte sich schon gleich nach dem Frühstück mit seinen Büchern an den alten Gartentisch zurückgezogen. Wolfi formte Kuchen in der Sandkiste, und Frieda putzte die unteren, endlich fertiggemalten Räume. Bei dem Gedanken an die Maler wurde Angie noch zusätzlich von einem Schwindelgefühl ergriffen. Um die Handwerker ans Haus zu ketten, hatte sie selbständig über den Farbton entschieden. Bestimmt würde der Gerhard nicht gefallen. Und wenn ja, dann hätte Natalie zum Schluß etwas daran auszusetzen. Puh, das Leben war schwer!

      »Sie sitzt auf dem Gartentisch«, meldete Xenia, und dabei zogen sich ihre Mundwinkel ein wenig nach unten. Sie litt unsagbar unter der Gegenwart der Nora Anderson. Zum erstenmal in ihrem achtjährigen Leben mußte sie mit dem Gefühl der Eifersucht fertig werden. Angie konnte sie gut verstehen. Hubs war ja auch, wenn er gerade wollte, ein bewundernswerter Vetter!

      Sie stand auf und trat ans Fenster. Hier in diesem Raum hatte sie am ersten Tag gestanden und die herrliche Aussicht bewundert. Jetzt war das Zimmer schon etwas eingerichtet und strahlte eine heitere Gemütlichkeit aus. Die Aussicht aber gefiel Angie weniger. Sie konnte nämlich genau den Gartentisch erspähen.

      Dort saß tatsächlich Nora Anderson. Sie trug schicke Bermudas aus Karostoff zu einem weißen T-Shirt. Sie war braungebrannt und wohlgeformt. Ihr linkes Bein schlenkerte elegant, und da Hubs sich weit vorbeugte, um ihr noch näher zu kommen und sich die Schwedin zu ihm neigte, fiel ihr üppiges Blondhaar so vors Gesicht, daß Angie nichts davon sehen konnte.

      Aber den Ausdruck in den grünen Augen der Frau konnte sie sich ausmalen. Viel Phantasie gehörte nicht dazu.

      »Sie will ihn küssen«, kommentierte Xenia, die sich neben sie gestellt hatte. »Siehst du es jetzt? Sie will ihn immer küssen.«

      Angie räusperte sich. »Gegen einen Kuß in Ehren ist nichts zu sagen. Nur darf Hubs nicht seine Pflichten darüber vernachlässigen. Ich werde es ihm später sagen.«

      »Frau Winkler!« tönte Friedas laute, aber müde klingende Stimme von unten durch das Haus. »Die Waschmaschine ist kaputt!«

      »Das gibt es gar nicht!« murmelte Angie. Hubs und Nora waren vergessen, Xenias Eifersucht zur Nebensache geworden. Sie rannte die Treppen bis ins Souterrain hinunter. Dort mußte sie über Rohre steigen oder sich vor den vorbeidrängenden Installateuren an die Wand drücken. Endlich konnte sie die Waschküche betreten. Sie stellte sich vor die Maschine und sah sie vorwurfsvoll an. Das Licht der Kontrollampe war erloschen.

      »Auch das noch! Jetzt war ich so froh, daß ich wenigstens die Kinder frisch ankleiden konnte. Ein Fünf-Personen-Haushalt ohne Waschmaschine… das ist ja schrecklich. Ich habe selbst kaum noch eine frische Bluse im Koffer!«

      »Ja, ja«, gab Frieda bedeutungsvoll zu. »Muß wohl sein.«

      »Wie ist denn das passiert? Vielleicht nur Stromausfall?« Sie öffnete die Trommel und griff in die Wäsche. Die war knochentrocken. Und dann ging ihr ein Licht auf.

      »Das Wasser ist doch abgestellt, Frieda! Ich habe es Ihnen heute früh gesagt.«

      »Aber nicht, daß die Waschmaschine kaputt ist.«

      »Nein, natürlich nicht. Die war heute früh noch nicht kaputt. Aber wenn das Wasser abgeschaltet ist, kann die Maschine auch nicht waschen. Da läuft sie natürlich nicht.«

      Sie lehnte sich an die Wand und schloß für Sekunden die Augen. Es war also nur ein Kurzschluß, und den konnte Hubs reparieren.

      Xenia, die ihr gefolgt war, blickte von Frieda zu ihr und wieder zurück. »Mami wird böse, wenn ihr die Waschmaschine kaputtmacht. Mami hat sie neu gekauft.«

      »Schon gut, schon gut. Irgendwann werde ich auch mal böse.« Angie war gereizt. Wie hatte sie sich die Wochen in Lüttdorf vorgestellt? Als eine Reihe von köstlichen Ferientagen, die sie, abgesehen von geringfügigen Unterbrechungen durch Kinderbeaufsichtigung oder freundliche Gespräche mit den Handwerkern, beim Malen verbringen konnte. Und nun? Noch nicht einmal ausgepackt hatte sie ihre Staffelei!

      Sie fragte sich, wann die Schwiegermutter ihres Bruders endlich gesunden würde. Aber die Frage mußte offen bleiben, denn man durfte die alte Dame ja nicht durch einen Telefonanruf erschrecken.

      »Komm, Xenia. Wir gehen zu Hubs.«

      Xenia griff auch sofort nach ihrer Hand, und so arbeiteten sie sich durch den hinteren Kellerausgang und stiegen eine Steintreppe empor, die in den Garten führte. Der Rasen hätte gemäht werden müssen, das Unkraut wucherte sich zu einem Dschungel aus.

      »Guck, die ist immer noch da«, meinte Xenia.

      »Guten Morgen, Fräulein Anderson.«

      Nora hatte Angie und Xenia gleich zu Anfang, als sie die Treppe emporkamen, bemerkt. Aber sie hatte Hubs nicht auf seine Mutter aufmerksam gemacht. So kam es, daß der verliebte Junge wie aus allen Wolken fiel und richtig zusammenzuckte.

      »Nora ist nur gekommen, um zu fragen, ob ich mit ihr segeln will.«

      Nora rutschte von der Tischkante. Mit einem gewinnenden Lächeln streckte sie Angie die Rechte entgegen. Und wieder mußte diese zugeben, daß von dieser Person ein sonderbarer Reiz ausging.

      »Natürlich kannst du mit Fräulein Anderson segeln, Hubs. Aber Xenia und Wolfi warten seit Tagen auf die versprochene Kahnfahrt. Zum Segeln können sie nicht mit. Was du versprochen hast, mußt du auch halten.«

      »Der Kahn drüben im Jachthafen ist zu alt.«

      »Zu alt?« wiederholte Nora und hob die Augenbrauen. »Was ist zu alt? Der Kahn? Aber das ist doch romantisch! Ich dachte immer, ihr deutschen Männer wäret so romantisch?«

      »Romantik ist gut, Gefahr ist unnötig«, erwiderte er mit einem hinweisenden Kinnruck zu Xenia. »Wolfi ist auch noch kein guter Schwimmer.«

      »Aber du bist gewiß ein guter Schwimmer, nicht wahr?«

      »Natürlich.« Noras Frage forderte ihn heraus. Er erhob sich schwerfällig und klopfte Angie begütigend auf die Schulter. »Reg dich nicht auf, Mami. Wir machen das schon.«

      »Nach deinen Studien und nachdem du den Kurzschluß repariert hast«, empfahl Angie mit freundlichem Lächeln. Hinter diesem Lächeln lauerte ein stählerner Wille. Das wußte Hubs, und darum seufzte er. Da konnte Angie beruhigt den Weg zum Haus zurück antreten.

      »Deine Mutter ist apart«, stellte Nora fest. »Sie hat nur einen so harten Zug um den Mund. Oder hat sie den nur, wenn sie mich sieht?«

      »Ja«, antwortete Hubs. »Klar. Nur dann.«

      Nora lachte. Ihr fröhlicher, selbstbewußter und doch geheimnisvoller Blick streifte den jungen Mann. Dann legte sie ihren Kopf zur Seite.

      »Sag deiner Mutter, daß sie nicht eifersüchtig zu sein braucht, Hubs. Ich liebe Xenia und nicht dich.« Dabei lachte sie so frech, daß Hubs ihr nicht glauben konnte und in stiller, aber erregender Verwirrung zurückblieb. Denn Nora nahm ihre Basttasche, winkte ihm flüchtig zu, strich Xenia über das Haar und verließ den Garten.

      »Fährst du nun Kahn mit uns oder nicht?« fragte Xenia.

      Hubs

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