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Angie stand mit Wolfi an der Hand und schaute hinunter, wo sich Fische tummelten.

      »Angeln wäre gut«, meinte Hubs, der ihnen gefolgt war. »Ich schaue mal, ob wir eine Angelrute kaufen können. Und dann frage ich mal in der Stadt, ob es nicht irgendwo einen alten Kahn zu erwerben gibt, Mami. Meinst du nicht auch, daß es prima wäre, wenn wir unsere eigene Mahlzeit aus dem See holen könnten?«

      »Klar«, rief Wolfi gleich begeistert. »Klar, das machen wir.«

      Xenia stand hinter Hubs, und es wurde immer enger auf dem Steg.

      »Wolfi kann noch nicht so gut schwimmen wie ich, der darf gar nicht rudern.«

      Sofort zog Wolfi einen Schmollmund und wollte Xenia einen Fußtritt geben. Hubs lachte. Er hielt den Jungen fest, aber er tat es ohne Rohheit.

      »Laß nur, Xeni«, meinte er, »wenn ich irgendwo einen Kahn auftreibe, nehme ich Wolfi mit. Ich bin Rettungsschwimmer, da kann ich schon Obacht geben.«

      Xenia legte den Kopf schief. »Und ich? Nimmst du mich auch mit? Kannst du auch zwei retten?«

      »Lieber nicht«, mischte Angie sich ein.

      »Aber lustig wäre es schon.«

      Xenia erwartete eine zustimmende Antwort von Hubs. Aber der hatte den Kopf zur Seite gewandt und sah am Ufer entlang. Dorthin, wo sich der Jachthafen der Stadt Lüttdorf befand.

      »Vielleicht kann man dort drüben einen Kahn leihen«, meinte er. »Es ist eine Schande, daß Onkel Gerhard noch kein Wasserfahrzeug gekauft hat.«

      »Der hat andere Sorgen«, verteidigte Angie ihren Bruder.

      »Na ja, wenn er so dicke Sorgen mit dem Haus hier hätte, wäre er nicht fortgefahren. Zwei Wochen nach Frankfurt! Mami, ich kenne Onkel Gerhard doch. Sonst ist er immer nur ein oder zwei Tage fortgeflogen.«

      »Er braucht Zeit, um seine Angelegenheiten zu ordnen.« Sie schaute auf die Uhr. Die Maler warteten auf ihr Bier. »Ich gehe in die Stadt und nehme mir für den Rückweg ein Taxi, Hubs. Achte du bitte auf die Kinder.«

      Angie ging. Jetzt waren wenigstens alle beschäftigt. Hubs würde mit den Kindern hinüber zum Jachthafen bummeln, Frieda räumte die Mörtelreste aus den nagelneuen Badewannen, die Maler warteten auf das Bier. Sie lächelte. Sie hatte auch malen wollen. Aber daran war nicht zu denken.

      *

      Kaum war Angie gegangen, griff auch Xenia nach Hubs’ Hand. Mit ihren klaren blauen Augen sah sie ihn nahezu schwärmerisch an.

      »Ich finde es prima, daß du hier bist, Hubs. Wenn ich zur Schule gehe, dann zeige ich meinen Freundinnen, was für einen großen Vetter ich habe.«

      Hubs wuchs noch um einige Zentimeter. Er mußte zugeben, daß er sich prima fühlte. Die beiden Kleinen waren nett. Und sie bewunderten ihn ja auch. Da fiel es ihm leicht, sich mit ihnen zu beschäftigen. Aber er mußte ihnen auch beibringen, daß er wirklich sehr groß und erwachsen war.

      Er hatte in einer Ecke des Gartens einen alten Tisch entdeckt. Die weiße Farbe darauf blätterte ab. Aber es war ein Gartentisch.

      »Weißt du«, sagte er und ließ seine Stimme besonders tief klingen. »Ich habe auch noch andere Dinge zu tun, als nur mit euch durch den Garten zu toben.«

      »Was denn?« Wolfi riß seine dunklen Augen auf. »Was mußt du denn tun? Auch auf die Handwerker aufpassen?«

      Hubs überlegte. Diese Aufgabe würde ihm gut zu Gesicht stehen. Aber dann lächelte er. »Nein, dazu habe ich keine Zeit. Ich muß arbeiten. Für mein Abitur.«

      Xenia nickte ergriffen. Und so verließen sie zu dritt den Garten und schlenderten zum Jachthafen hinüber. Viel Betrieb war da nicht. Auf dem Parkplatz standen nur drei Autos, obwohl heute gutes Segelwetter war. Eins davon war klein und rot. Hubs konnte nicht umhin, einen Blick hineinzuwerfen. Das Auto war noch ziemlich neu. Er hätte sich auch gern so eins zugelegt. Als Lieferwagen oder nicht, diese Entscheidung konnte er später treffen.

      »Oh«, stellte er nach seinem prüfenden Blick fest. »Das ist ja ein Leihwagen. Daß es sogar Leihautos hier gibt!«

      »Willst du auch so eins?« erkundigte Wolfi sich sogleich voller Sympathie.

      »Nee, das darf ich noch nicht«, gab Hubs grinsend zurück. »Aber Mami sollte sich so eins nehmen.«

      Im Jachthafen konnten sie ungestört am Kai entlanggehen und die Schiffe, Boote, Jollen und Kajütenkreuzer betrachten. Damit waren sie so beschäftigt, daß die Frage nach dem Ruderkahn ganz in Vergessenheit geriet.

      Hier und dort machten sich Leute an ihren Booten zu schaffen. Da wurden Segel gesetzt und Planken geschrubbt. Plötzlich bemerkte Hubs ein junges Mädchen, das sich lachend mit einem älteren Herrn unterhielt.

      Sie war blond und sehr schlank. Sie trug zu ihren Jeans einen weiten weißen Pullover.

      »Gut«, hörte der Sechzehnjährige sie sagen, »dann komme ich eben morgen wieder. Wie heißt der Herr, der seine Jolle verleiht?«

      »Wesenbaum. Er kommt nur zum Wochenende. Aber ich muß ihn erst anrufen. Sie müssen Ihre Personalien angeben. Nichtmitgliedern gegenüber haben wir unsere Bestimmungen.«

      »Bestimmungen!« lachte die hübsche Blonde. »Deutsche haben immer Bestimmungen.«

      Sie reichte dem alten Herrn die Hand und wollte gehen. Als sie auf die drei zukam, verlangsamte sie ihre Schritte. Hubs bemerkte, daß sie ein sehr reizvolles Gesicht hatte.

      Ihre grünen Augen schillerten, und das Haar war eigentlich nicht blond, sondern honigfarben. Ihr Gang war aufreizend, und unter dem weißen Pulli waren weibliche Formen zu erkennen. Die Formen waren so weiblich, daß Hubs einmal kurz durch die Zähne pfeifen mußte. Sie lächelte ihn jetzt sogar an. Aber dann schaute sie prüfend zu den Kindern.

      Hoffentlich, dachte Hubs, hoffentlich denkt sie nicht, ich bin der Vater der beiden.

      »Wollen Sie auch eine Jolle zum Segeln mieten?« fragte sie und blieb stehen. Dabei sprach sie das S scharf, lispelnd aus. Hubs ahnte, daß sie Ausländerin war. Sonst hätte sie doch nicht die Bemerkungen über die vielen Bestimmungen der Deutschen gemacht.

      »Einen Kahn zum Rudern«, krähte Wolfi, während Hubs noch fieberhaft über eine besonders schlagfertige Antwort, mit der er dieser Schönheit imponieren konnte, nachdachte.

      »So, einen Kahn zum Rudern?« Sie wandte sich suchend um und ließ ihren Blick über die Reihe der Boote schweifen. »Da habe ich vorhin einen Kahn gesehen. Aber ob die den hier verleihen, weiß ich nicht. Ich bekomme morgen eine Jolle«, erzählte sie weiter und sah Hubs mit ihrem lockenden Blick an. »Wenn Sie auch nicht von hier sind, ich meine, ich bin ganz allein in Lüttdorf. Nur so zum Erholen. Sie können segeln?«

      »Ich habe in den letzten Jahren kaum Zeit dazu gefunden«, erwiderte Hubs. »Berufliche Anspannungen, verstehen Sie?«

      »O ja, davon kann ich ein Lied singen.« Sie lachte. Ihre Zähne schimmerten wie weißes Perlmutt, und außerdem hatte sie ganz süße Grübchen. »Wenn Sie Zeit haben, begleiten Sie mich.«

      Wolfi und Xenia, die sich ebenfalls für eingeladen hielten, hüpften wie Gummibälle hoch. »Auja, Hubs. Auja. Das erlaubt Tante Angie bestimmt.«

      »Aber das ist gefährlich für eine kleine Schar wie euch«, entgegnete sie. »Es kommt eine Bö, und husch, fallt ihr ins Wasser!«

      »Ich kann ja schwimmen!« erklärte Xenia.

      »Ich auch!« echote Wolfi.

      Hubs räusperte sich. Der Blick der Blonden traf ihn mit lockender Sanftmut.

      »In keinem Fall wird gesegelt«, sagte er prompt. »Rudern ja, segeln nein. Dafür übernehme ich keine Verantwortung.« Er sah ihr wieder in die Augen, und irgendwie wurde ihm ganz heiß. Das konnte auch nicht die Sonne sein. Es ging ja ein frischer Wind. »Es sind nicht meine Kinder«, fügte er hinzu. »Ich passe nur auf sie auf.«

      »Ich weiß das.

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