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romantischen See mitten im Holsteinischen. Die Pappeln gucken auch schon ganz pikiert.«

      »Wo?« Angie konnte ihre Neugier nicht bezähmen und drückte ihre Nase an das Fenster des Abteils.

      »Da drüben, die Allee, Mami. Sieht ziemlich grau und traurig aus. Daß Onkel Gerhard hier wohnen will…«

      »Das sind Birken«, verbesserte Angie ihren Sohn.

      Der Zug hielt, und die beiden hatten viel zu tun, um das Gepäck zur Wagentür zu bringen. Angie hatte sich noch eine zusammenklappbare Staffelei gekauft, sich von Hubs zu einem Kleid überreden lassen und ihrem Sohn einen dicken dunkelblauen Pullover spendiert. Den konnte er jetzt brauchen. Ob sie aber in dieser Abgeschiedenheit das Seidenkleid jemals aus dem Schrank holen würde?

      Ihr Bruder stand auf dem Bahnsteig. Er verharrte sekundenlang verwirrt, als er Hubs sah. Sein Neffe war genauso groß wie er selbst. Damit hatte der vermögende und etwas selbstgerechte Manager nicht gerechnet.

      »Du bist ja ein richtiger Mann geworden«, stellte er fest, nachdem er seine Schwester herzlich und liebevoll begrüßt und umarmt hatte. Dann zwinkerte er Hubs zu. »Du hast wohl schon eine Freundin, wie?«

      »Nur die da«, grinste Hubs und deutete mit dem Daumen über die Schulter auf Angie. »Und das reicht mir vorerst.«

      Sie gingen in das kleine Bahnhofsgebäude. Dort packten Hubs und ihr Bruder das Gepäck auf einen Kuli, den sie zum Parkplatz schoben.

      »Hallo, Herr Stellmann!«

      Aus einem Wagen rief eine Stimme zu ihnen herüber. Gerhard sah sich um. Als er den Rufer entdeckte, machte er eine freundliche, aber abwehrende Handbewegung.

      Der andere Mann lachte hinter dem heruntergekurbelten Fenster: »Wie sind Sie mit dem Maler Heulich zufrieden, Herr Stellmann?«

      »Überhaupt nicht!« rief Gerhard zurück und hievte mit Hubs die Koffer ins Auto. »Der ist sehr unzuverlässig. Ich hätte doch lieber die Konkurrenz nehmen sollen.«

      »Ja, aber in Lüttdorf gibt es eben nur die beiden Maler. Und der andere, Ottokar Wiebold, macht gerade Ferien. Sommerski in der Hochschweiz.«

      »Na, danke«, murrte Gerhard. Er öffnete für Angie die Tür und setzte sich neben sie ans Steuer.

      »Wer war das?« erkundigte sie sich und tupfte ihre regennassen Haare mit dem Halstuch trocken.

      »Ein Spinner«, erwiderte Gerhard. »Und was für einer! Der hat das alte Haus an der Birkenallee gekauft und für eine Unsumme Geldes renovieren lassen. Er kennt sich mit den Handwerkern im Ort aus.«

      »Woher hat so ein Typ das Geld dazu?« fragte Hubs, den jede Art von Kapitalerwerb interessierte.

      »Er war lange in den USA. Die Leute sagen, er sei Arzt.«

      Gerhard ließ den Motor an, die Limousine fuhr auf die kleine Stadt Lüttdorf zu.

      Angie sah neugierig aus dem Fenster. Im strömenden Regen war nicht viel zu erkennen, aber ihr fielen die vielen kleinen und sehr hübschen Häuser auf. Dort war ein Friseur, eine Konditorei.

      »Mensch, hier gibt’s sogar ein Kino«, wunderte Hubs sich.

      »Auch ein Café, zwei Hotels, einen Tanzsaal, der manchmal als Theater dient, und einen Klub.«

      »Was denn für ein Klub, Onkel Gerhard?«

      »Ein Segelklub. Gleich in unserer Nähe befindet sich der Jachthafen.«

      »Phantastisch! Hast du auch schon eine Jolle oder so was?«

      »Nein, natürlich nicht. Ich bin froh, wenn der Sommer vorbei und das Haus wenigstens bewohnbar ist«, antwortete der Manager unwirsch.

      Angie hielt den Atem an. Ihr Bruder hatte sich verändert. Sonst war er ein Mensch gewesen, der nicht die eigenen, sondern auch die Freuden anderer zu genießen verstand. Das alles konnte aber an den Schwierigkeiten liegen, mit denen er gerade fertig werden mußte.

      »Hast du schon mit Natalie telefoniert?« fragte sie. »Wie geht es ihrer Mutter?«

      »Ich rufe dort ungern an. Du kennst Natalies Mutter. Sie war schon immer hysterisch. Im Alter wird so etwas bekanntlich noch schlimmer. Natalie sagt, jeder Anruf treibe ihren Blutdruck bedenklich in die Höhe.«

      »Und was schreibt Natalie?«

      »Schreiben? Nein, sie schreibt mir nicht. Meine Güte, wir sind doch keine Flitterwöchner mehr! Sie weiß, daß du kommst und daß es den Kindern dann gutgehen wird. Übrigens solltest du wenigstens Xenia dazu anhalten, ihrer Mutter einen Brief zu schreiben. Über ein Lebenszeichen ihrer Kinder freut Natalie sich bestimmt.«

      »Ich finde aber, das ist deine Aufgabe«, stellte Angie trocken fest. »Ich versorge deine Kinder gern, aber als antreiberische Tante lasse ich mich nicht vermarkten.«

      »Du bist sehr hart geworden, Angie. Sehr hart.«

      »Hart?« Angie lachte auf. »Ja, lieber Bruder, denkst du denn, die Ereignisse des Lebens gleiten so an mir ab? Ich bin seit fünf Jahren Witwe und mußte Hubs allein erziehen. Meine Rente ist sehr gering, also muß ich noch malen, um etwas dazuzuverdienen. Da kann ich mich keinen Illusionen mehr hingeben.«

      Gerhard erwiderte nichts. Er fuhr jetzt einen kleinen Hügel hinab. Sie kamen durch einen Teil der Stadt, der von Buchsbaumhecken und weißgestrichenen Zäunen aufgeteilt zu sein schien. Hinter den hübschen Zäunen und den säuberlich gestutzten Hecken konnte Angie Villen entdecken, neue und alte, kleine und große. Als sie den Kopf wieder nach vorn wandte, lag der See vor ihr.

      »Wie schön!« flüsterte sie beeindruckt. »Oh, wie schön, Gerhard!« Dabei sah sie eigentlich nichts als eine graue, unfreundliche Wassermasse.

      Gerhard lächelte. Dann bremste er und wies auf ein Haus. »Hier, Angie! Das ist der Palast, in dem ich mich zur Ruhe setzen will.«

      Sie hatten vor einer alten Villa aus der Gründerzeit gehalten. Die dunklen Balken an der Vorderfront und die zwei kleinen Erker im ersten Stock gefielen ihr auf Anhieb. Weniger einladend wirkte der vor dem Eingang aufgetürmte Bauschutt. Als sie ausgestiegen waren und auf das Haus zugingen, mußten sie sogar über rostige Rohre und alte Wasserleitungen steigen.

      »Das wird in den nächsten Tagen weggeschafft«, erklärte Gerhard, stieß die Tür auf und rief laut: »Xenia, Wolfi! Tante Angie ist da!«

      Das Innere des Hauses machte den Eindruck einer Baustelle. Staub lag in der Luft, und es roch scharf nach Farbe und Chemikalien. Unwillkürlich japste Angie. Außerdem traten ihr Tränen in die Augen. Hubs begann auch gleich dramatisch zu röcheln. »Sag mal, Onkel Gerhard, bekommen Mami und ich hier eigentlich Gefahrenzulage? Wir hätten unsere Lungen extra gegen Giftstoffe versichern lassen sollen.«

      »Das Parkett ist versiegelt worden. Das wurde allerhöchste Zeit. Die Möbel stehen auf dem Lager. Sie sollen noch in dieser Woche aufgestellt werden.«

      »Hast du wenigstens Betten für uns?« fragte Angie erschrocken.

      »Luftmatratzen für die Jugendlichen. Aber du hast ein Bett, und Frieda auch.«

      »Ist Frieda die Haushälterin?«

      »Ja.«

      Oben ließ sich das Getrappel von Kinderfüßen vernehmen. Xenia und Wolfi polterten die Stufen der geschwungenen, in die untere Halle führenden Treppe hinunter, geradeswegs in Angies Arme, die daraufhin erst mal ihre Handtasche zu Boden fallen ließ.

      Sie küßte ihre Nichte und ihren kleinen Neffen und drückte sie an sich. Die Freude der Kinder war so echt, daß sie alle Bedenken sofort vergaß und sich vornahm, ihnen die Mutter so gut wie möglich zu ersetzen, selbst, wenn sie auf einem Sessel nächtigen oder unter Wolken chemischer Schwaden Ruhe finden mußte.

      »Sie sehen verwahrlost aus, aber das kriegst du schon wieder hin, Angie«, meinte Gerhard. »Nächste Woche wird die Heißwassertherme angeschlossen. Bis dahin müßt ihr Wasser in der Küche heißmachen.«

      Angie

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