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aber nur, weil ihr noch so klein seid.«

      »Wie soll ich Sie denn nennen?« Die Ausländerin lächelte verführerisch.

      »Hubertus.«

      Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. »Gut, Hubertus. Ich heiße Nora. Nora Anderson.«

      »Dann sind Sie Schwedin, nicht?«

      »Ja. Wie hast du das gleich erraten?«

      Er zögerte. Daß sie ihn duzte, gefiel ihm nicht so ganz. Das Sie ließ ihn einerseits älter erscheinen, aber das Du drückte andererseits Sympathie und Vertrauen aus. Wie sollte er sich verhalten?

      »Du sagst doch auch du?« fragte sie sofort. »Das ist kameradschaftlich, wenn wir morgen zusammen segeln.«

      »Klar.«

      Sie standen sich gegenüber, und sie schaute ihm immer noch lächelnd in die Augen. »Was machst du heute abend? Kennst du dich in Lüttdorf aus?«

      Hubs antwortete nicht sofort. Es drängte ihn, etwas Bedeutsames von sich zu geben, und da ging es um Sekunden, damit Wolfi oder Xenia ihm nicht wieder ins Handwerk pfuschten. Aber er konnte doch nicht zugeben, daß er für seine Nachprüfung lernen mußte und seine Mutter schlecht allein lassen konnte!

      »Wir wohnen da.« Wolfi war natürlich wieder am Ball. Er wies aufgeregt zur Villa hinüber. »Wir haben auch einen Garten. Und meine Mami…«

      »Ich – wissen Sie, weißt du«, haspelte Hubs. »Ich kann nicht unbedingt frei über meine Abende verfügen.«

      »Gut, dann sehen wir uns morgen. Von mir aus können die Kinder dabei sein«, bemerkte sie mit zuckersüßer Stimme.

      Hubs nickte.

      »Auch ich habe die Kinder gern um mich«, erwiderte er. Bewies das nicht, daß er richtig erwachsen war? Nur ein reifer Mann, der sich selbst schon fast im Vateralter befand, liebte das Zusammensein mit Kindern. Jetzt war er nicht mehr der Vetter, sondern der Onkel. Xenia richtete ihren strahlend blauen Blick auch voller Anerkennung zu ihm auf. Nur Nora, diese wunderschöne Frau mit dem langen Haar und den roten Lippen, schien nicht so beeindruckt, wie er es erwartet hatte.

      »Die Kinder haben Eltern«, stellte sie nicht ohne Spott fest. »Einen Vater und eine Mutter. Kümmert die Mutter sich nicht um die beiden?«

      »Mama ist verreist«, erklärte Wolfi. »Bei der Omi. Die ist krank.«

      Nora nahm diese Auskunft hin, als wüßte sie längst Bescheid. Einen Moment lang überlegte Hubs, was die schöne Schwedin eigentlich in diesem Ort zu suchen hatte. So ganz allein und verloren. Suchte sie Abenteuer? Aber um dieser Frage nachzugehen, dazu verstand er noch zu wenig von Frauen.

      »Der Vater der beiden ist auch gerade verreist«, fügte er hinzu.

      Jetzt blitzte es in ihrem Blick auf. Hubs gefiel das.

      »Gut, dann treffen wir uns eben morgen früh hier am Jachthafen. Meinetwegen mit den Kindern. Wann kommt denn der Vater wieder?«

      Hubs hob die Schultern. »Das weiß ich nicht.«

      Sie ging an ihm vorbei. Dann wandte sie sich um, hob den Arm, um zu winken, und erklärte mit einem bezaubernden Lachen:

      »Ich habe euch gern, wirklich! Prima, daß ich euch getroffen habe. Ihr wohnt alle dort drüben? Kann sein, ich besuche euch heute noch.«

      Ihre Schritte waren lang, so lang wie ihre Beine. Und trotzdem entfernte sie sich mit der Grazilität eines scheuen Rehs.

      Hubs pfiff wieder durch die Zähne.

      »Das will ich auch lernen!« bettelte Wolfi. Hubs beachtete den Kleinen nicht. Er starrte auf die kleinen, glucksenden Wellen, die sich an die Außenwand einer Jolle heranschmiegten und dort ihr unbeschwertes Spiel trieben. Er war so tief in seine Gedanken an Nora Anderson versunken, daß er in allem, was um ihn herum geschah, verführerische Symbole seiner erwachten Liebe entdeckte.

      »Komm jetzt endlich«, mahnte Xenia ihn nach einigen Minuten. »Du mußt doch noch arbeiten.«

      *

      Angie winkte Xenia zu sich heran. Sie strich ihr mit der weichen Bürste durch das kurze Blondhaar und lächelte.

      »So, nun siehst du wieder recht patent aus, Fräulein! Deine Mutter würde sich freuen. Wenigstens bei dir sind die Spuren dieses Umbaus nicht mehr zu erkennen. Verflixt noch mal!«

      Unten wurde irgendwo gebohrt. Da waren die Mechaniker, die die Ölheizung im Keller installierten. Das Geräusch drang bis in den ersten Stock, und Angies Nerven waren nicht mehr die besten. Niemals hatte sie geglaubt, daß dieser ständige Kleinkrieg mit den Malern, den Lager- und Möbelmännern sie so viel Kraft kosten wurde. Nun aber war das Schlimmste überstanden. Das bohrende Geräusch verstummte, Xenia und sie sahen sich aufatmend an.

      »Tun dir die Ohren auch so weh?« erkundigte sich die Achtjährige teilnahmsvoll.

      Angie nickte. Ihr tat alles weh. Der Rücken vom Möbelschieben, die Arme vom Gardinenaufhängen, der Hals vom Schimpfen. So viel geschimpft wie in den letzten drei Tagen hatte sie noch nie. Und immer war Hubs der Leidtragende gewesen. Außerdem fühlte sie auch noch Schmerzen in ihrer Seele. Es war kein Reißen oder Zerren, es war einfach ein dumpfer Druck, der darauf lag.

      Zum erstenmal in ihrem Leben meinte sie, ausgenutzt zu werden. Vielleicht nahm sie diese Aufgabe hier zu ernst, stürzte sich zu sehr in die Arbeit. Aber wie konnte sie hier leben? Ohne einen Raum, in dem es sich bequem und gemütlich sitzen ließ? Es gab noch bis vor drei Tagen nur den alten Tisch in der Küche und das komische Gestell im Garten. Daran arbeitete Hubs. Wenigstens behauptete er das.

      »Es wird aber schön, Tante Angie«, flüsterte Xenia ganz nah bei ihr.

      Angie umarmte das Mädchen.

      »Ja, Xenia. Das, was wir geschafft haben, sieht ganz nett aus. Nun hast du sogar schon Gardinen in deinem Zimmer. Morgen kommt der zweite Möbeltransport mit den Sachen für den ersten Stock. Dann kann Hubs auch die Spielkisten vom Speicher holen. Du wirst sehen, dein Zimmer wird wunderschön. Und wenn es dann wieder regnet, kannst du es dir mit deinen Puppen gemütlich machen.«

      Xenia schmollte. »Ich will nicht mehr mit Puppen spielen. Es soll nicht wieder regnen. Ich will mit Hubs zum Jachthafen.«

      »Ja, natürlich. Aber doch nicht jeden Tag. Hubs muß für die Schule arbeiten.«

      »Er soll mit uns Kahn fahren, Tante Angie. Er hat es versprochen. Aber er will nur immer mit Nora zusammensein.« Darin lag eine dicke Beschwerde. Angie zog Xenia näher zu sich heran. Natürlich kannte sie diese Nora Anderson inzwischen auch schon.

      Zunächst war die kesse Schwedin eines Abends erschienen und hatte Hubs zu sprechen gewünscht. Frieda ließ sie unten in der kahlen Halle stehen und holte Angie. Und dann standen sich die beiden so verschiedenen Frauen gegenüber.

      »Das wird hübsch hier«, hatte die Schwedin gesagt und dabei ihr reizendes Näschen kraus gezogen. Währenddessen blieb Angie genug Zeit, das Alter dieser Schönheit zu taxieren. Sie gab ihr keinen Monat mehr als sechsundzwanzig Jahre. Das waren gut zehn Jahre mehr, als ihr Hubs zählte. Trotzdem gefiel ihr Nora Andersons Unverfrorenheit. Warum sollte Hubs hier nicht einen harmlosen Ferienflirt beginnen? Bei diesem Altersunterschied konnte ja wohl kaum Liebe entstehen.

      »Ich wollte mit Hubs ins Kino gehen«, erklärte die Schwedin. »Wir haben uns heute früh kennengelernt. Und ich bin so allein in der Stadt.«

      So hatte Angie ihren Sohn herbeigeholt und den beiden einen netten Abend gewünscht. Wahrscheinlich war ihr damit ein nicht wiedergutzumachender Fehler unterlaufen. Denn von nun an rauschte diese Nora tagtäglich herbei und hielt Hubs von jederlei Arbeit ab. Und Angies Sohn veränderte sich von Stunde zu Stunde. Einmal kehrte er den gereiften Mann hervor, ließ mit sich reden und zeigte Verständnis für die Lage der Familie Stellmann und seiner Mutter. Ein andermal trumpfte er wie ein bockiges Kind auf, knallte die frischgestrichenen Türen zu, versetzte leeren Farbeimern einen Tritt und schlug Gegner,

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