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sie frischen Tee in die Kanne füllte.

      »Und bei welchen?« Olsen beeilte sich, ihr den leeren Wassertopf abzunehmen.

      »Nun, wenn die Situation es erfordert, daß ich, sozusagen von Amts wegen eine Respektsperson verkörpere. Meine Vorgesetzte, Frau Steiger, vertritt die Ansicht, im Grunde sei ich für meinen Beruf nicht… nicht reif genug.«

      »Ihre Vorgesetzte meint, Sie seien zu hübsch«, warf Olsen trocken ein, »und wahrscheinlich hat Frau Steiger recht damit. Sicherlich kommt Ihnen manches unter die Nase.«

      »Das stimmt, wenigstens am Anfang, bis ich zu gewissen Mitteln griff, um meinem Äußeren jenes Bild von Autorität zu verleihen, das jede Vertraulichkeit ausschließt.«

      Fräulein Krümel wandte sich voll dem Mann zu und blickte ihn mit ihren überraschend schönen tiefblauen Augen ernsthaft an.

      »Ich vermeide so, daß Männer mich betrachten, wie Sie es nun tun, Herr Olsen.

      Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir nun zu unserm Gespräch kämen.«

      Fast war Olsen nun amüsiert. Beide Hände leicht hebend, gab er mit jungenhaftem Grinsen zurück: »Bitte, bitte! Ich warte ungeduldig auf Ihre Strafpredigt, Fräulein Krümel.«

      Sie ließ sich am Küchentisch nieder und faltete beide Hände in ihrem Schoß.

      »Nun gut, beginnen wir. Sie haben sich strafbar gemacht, dennoch will ich Sie nicht zu hart verurteilen, denn Heike, mit der ich vorhin ein langes Gespräch hatte, sagte mir, Sie seien an jenem ersten Abend, als ich bei Ihnen war, tatsächlich noch unwissend gewesen. Belogen haben Sie mich demnach nicht. Später hatten Sie sicherlich ein gewisses Mitgefühl für die elternlosen Kinder. Ich will versuchen, dies meinen Vorgesetzten irgendwie verständlich zu machen, so daß Sie ohne Strafe davonkommen, Herr Olsen. Selbstverständlich müssen die Kinder morgen zurück ins Waisenhaus. Aber das werden Sie sicherlich begrüßen. Die Belastungen durch Kai und Heike haben gewiß schon an Ihren Nerven gezerrt.«

      Zuerst wollte Olsen aufbrausen, dann jedoch erinnerte er sich seiner eigenen Worte Kai gegenüber. Er brauchte das Wohlwollen der Fürsorgerin, obwohl es fast über seine Kräfte ging, so gelassen zu antworten.

      »Es mag Sie überraschen, Fräulein Krümel, aber die Kinder waren keine Belastung für mich. Im Gegenteil. Um es gleich zu sagen, ich will Kai und Heike behalten. Ja, behalten! Sie haben richtig verstanden. Ich will die beiden adoptieren, wenn Sie das eher verstehen. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, bin ich ein wohlhabender Mann, habe keine eigenen Kinder, und ich komme langsam in die Jahre, wo man sich nach Heim und Familie sehnt.«

      Forschend blickte die Fürsorgerin Henry Olsen an. Ihre Wangen besaßen heute etwas Farbe, und da sie unter der Lampe saß, tanzten auf ihrem bernsteinfarbenen Haar kleine goldene Reflexe.

      Ihre Frisur wirkte jetzt am späten Abend auch nicht mehr ganz so streng. Einige Haarsträhnen hatten sich gelockert und machten das herbe Gesicht weicher.

      Olsen betrachtete sie mit wachsendem Vergnügen und malte sich aus, wie dieser schmale, herbe Mund wohl aufblühen möge, wenn er…

      »Herr Olsen!«

      Ihre Stimme ließ ihn auffahren. War er verrückt geworden? Träumte hier von etwas, was niemals eintreten würde, und was diese Person, die ihn mit ihren wohldosierten Kränkungen ständig herausforderte, wahrscheinlich als eine einzige Beleidigung auffassen würde.

      »Herr Olsen, warum wollen Sie gerade Kai und Heike mit dem zweifelhaften Vergnügen einer Adoption beehren? Nur weil die beiden zufällig in Ihr einsames Haus gekommen sind?«

      Mit einem abschätzenden Blick streifte sie Tür und Fensterrahmen; die dringend der farblichen Ausbesserung bedurften. Olsen empfand leise Beschämung. Das Haus befand sich tatsächlich in einem recht schäbigen Zustand.

      Aber er würde ja mit Kai und Heike auch nicht hier leben, sondern in Hamburg.

      Schon wollte Henry Olsen die Frau mit einigen leeren Worten abspeisen, wollte ihr sagen, warum nicht Kai und Heike?

      Aber dann trafen sich ihre Blicke, und unter dem zwingenden Ernst dieser Frauenaugen erkannte Olsen, daß ihm nur die Wahrheit blieb, wenn er überhaupt mit ihrer Hilfe rechnen konnte.

      »Ich habe die Mutter dieser beiden Kinder einmal sehr geliebt«, entgegnete er ruhig.

      Sekundenlang zeigte sich in dem schmalen Gesicht leise Überraschung. Schließlich entgegnete sie mit etwas sanfterer Stimme: »Ach so! Nun, das erklärt wohl manches. Vielleicht sogar die letzten, recht bewegten Jahre Ihres Lebens, Herr Olsen?«

      »Das ist richtig«, bekannte Olsen offen.

      Fräulein Krümel legte ihre Handflächen um die Teekanne, während sie zu Olsen aufblickte. »Aber es wird nicht leicht sein. Sie werden Ihr Leben grundlegend ändern und auf manche – hm – Annehmlichkeiten verzichten müssen. Falls es Ihnen Ernst ist…«

      »Es ist mein heiliger Ernst.« Olsen neigte sich der Frau zu und bat eindringlich und ohne jene Selbstsicherheit, die ihn sonst niemals zu verlassen pflegte: »Helfen Sie uns! Bitte, stellen Sie sich auf unsere Seite! Ich weiß, was ich da von Ihnen verlange, denn Sie lehnen mich eigentlich ab. Sie finden mich weder sympathisch noch sonderlich charakterfest. Aber dennoch bitte ich Sie, uns zu helfen, denn ich weiß, daß Sie einen gewissen Einfluß auf die Dinge haben. Tun Sie es für die Kinder! Sie haben einmal gesagt, Sie hätten Kai und Heike ins Herz geschlossen.« Sich aufrichtend, starrte Olsen die junge Frau herausfordernd an. »Was hindert Sie also daran?«

      Seufzend erhob sich die Fürsorgerin.

      »Sie vergessen ganz, daß Sie nicht verheiratet sind, Herr Olsen! Das ist nun einmal die erste Voraussetzung für eine Adoption.«

      Grimmig nickte er. »Ja, ja, ich weiß. Ich werde sehr rasch heiraten, befinde mich schon auf Freiersfüßen.«

      Er lachte trocken auf, als er den bestürzten Ausdruck der Frau bemerkte.

      »Nur der Kinder wegen wollen Sie…?«

      Fräulein Krümel verstummte, wurde ein wenig rot und schritt hastig zur Tür.

      »Na und?« Olsen folgte ihr. »Was nutzt es, immer nur schöne Reden zu halten von Opferbereitschaft und Pflichten gegenüber der Gesellschaft. Sie würden ein solches Opfer wohl nicht auf sich nehmen, um zwei Waisen zu einem neuen Heim zu verhelfen?«

      Fast gespannt wartete Henry Olsen auf ihre Antwort. Als sie kam, fühlte er leise Beschämung und Verwunderung, denn Fräulein Krümel entgegnete ruhig:

      »Kein Mensch hat je dieses Opfer von mir verlangt, Herr Olsen, darum kann ich Ihnen darauf keine Antwort geben. Und was meine Pflichten angeht, so erfülle ich die jeden Tag, auch heute nacht, obwohl mein Dienst im allgemeinen gegen sechs Uhr zu Ende ist. Jetzt ist es genau halb zehn. Das Kind braucht nun wieder etwas Tee. Kommen Sie mit zu Heike hinauf?«

      »Ja! Ja, wenn Sie gestatten.« Olsen schritt an ihrer Seite die Treppe hinauf. »Wollen Sie etwa heute nacht bei der Kleinen bleiben? Ich meine, vielleicht könnte ich…?«

      Mitten auf der Treppe blieb sie stehen und schenkte ihm zum erstenmal ein warmes, herzliches Lächeln, das sie wieder von einer völlig neuen, zauberhaften Seite zeigte.

      »Natürlich bleibe ich hier. Ich lasse Sie doch nicht mit dem Kind allein. Helfen? Nun gut, wenn Sie unbedingt wollen, können Sie mir später helfen, das Bett frisch zu überziehen. Heike war sehr fiebrig, und dann schwitzen Kinder gern.«

      Sie schritt weiter, und Olsen folgte ihr sehr nachdenklich.

      *

      »Guten Morgen, Frau Steiger!«

      Schwungvoll betrat Cornelia Krümel das Büro der Leiterin.

      »Guten Morgen! Nanu! Sie strahlen ja geradezu.«

      Frau Steiger warf einen erstaunten Blick auf ihre Armbanduhr. Der Morgen war schon recht weit vorangeschritten.

      Dann, nach einem Blick in das Gesicht der jungen

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