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wuchs.

      Zugleich beschlich ihn ein tiefes Schuldgefühl. Hätte er das Kind nicht allein lassen dürfen?

      »Wer hat das Licht angeknipst?« rätselte er und stürmte schon die Treppe hinauf. Kai und Bimbo ihm dicht auf den Fersen.

      Aus dem freundlichen Zimmer, das die Kinder stets bewohnten während der Ferien, drang ein schwacher Lichtschimmer.

      Gepreßt stieß Olsen die Luft aus. Er zögerte einen Moment, lauschte auf die Stille hinter der Tür, um dann rasch das Gefühl nagender Sorge abzuschütteln.

      Er betrat den Raum, blickte zum Bett und atmete erleichtert auf, als er die Frau dort sitzen sah.

      Hinter ihm drängte sich Kai näher heran und flüsterte ihm erschreckt zu:

      »Was nun? Da ist sie ja schon wieder, Onkel Henry! Ob sie uns holen will?«

      Schnell trat Olsen ans Bett, wobei sein Blick von der Frau auf das weiße Kissen glitt, in dem Heike ruhig atmend und mit geschlossenen Augen lag.

      Ihr Gesichtchen wirkte gelöst und frei von Angst. Dankbar schluckte sie den Kamillentee, den ihr Fräulein Krümel einflößte.

      Die Fürsorgerin trug einen von Linas weißen Kitteln und saß dicht vor dem Bett.

      Sie hielt dem fragenden Blick des Mannes stand und sagte nun leise: »Guten Abend! Sorgen Sie bitte für Kai, er muß ins Bett. Aber nicht hier. Gibt es eine andere Schlafmöglichkeit für den Jungen?«

      Stumm nickte Olsen; er fuhr sich mit der Hand, die merklich zitterte, flüchtig über sein volles braunes Haar und wandte sich dann ohne Erwiderung Kai zu.

      »Komm, mein Sohn, ich bring dich in meinem Zimmer unter. Für Heike können wir doch nichts tun. Sie ist ja in guten Händen, wie mir scheint.«

      Er lächelte leicht verlegen, aber auch jetzt zeigte sich auf dem schmalen, strengen Gesicht keine Regung.

      »Was schaust du so… so komisch?« Kai zupfte ihn am Ärmel seiner Lederjacke. »Du schaust gerade so aus, als würdest du dich freuen, daß sie nun wieder hier ist und bei Heike sitzt.«

      Stimmte genau! Olsen nickte, packte Kai am Arm und suchte mit ihm seinen Schlafraum auf.

      »Wahrhaftig, Junge, ich bin froh, dieses Fräulein Krümel bei Heike zu wissen. So, nun kannst du mich wieder einen Verräter schimpfen!«

      Er zeigte Kai sein privates Badezimmer neben dem Schlafraum.

      »Jetzt dusch erst mal, und dann marsch ins Bett! Ich will sehen, was bei der Fürsorgerin noch zu retten ist. Wir dürfen Fräulein Krümel nicht noch einmal verärgern, denn wie’s aussieht, werden wir sie noch dringend brauchen.«

      Das verstand Kai nicht so recht. »Warum brauchen wir die Fürsorgerin?«

      Olsen betrat das Bad; er kämmte sich flüchtig das Haar und wusch seine Hände, denn er wollte einen guten Eindruck erwecken. Hygiene am Krankenbett und so. Er hatte mal davon gelesen.

      »Natürlich brauchen wir die Fürsorgerin«, rief er zu Kai hinüber, der vor dem Bett stand und es bestaunte. Das war ja ein sonderbares Bett. So breit! Und bedeckt mit einer Decke aus herrlich weichem Pelz.

      »Wozu denn?« rief er nun fragend zurück und strich vorsichtig über die Decke.

      »Na, für die Adoption!«

      Olsen kehrte zurück und grinste Kai an, wobei er ein Auge zukniff.

      »Junge, ich werde Vater von zwei sehr ordentlichen Kindern. Das heißt, ich würde es gern werden, obwohl die Behörden wahrscheinlich mit Einwänden kommen werden. Sicherlich vertreten sie die Ansicht, ich sei nicht gut genug für euch. Darum such’ ich ja verzweifelt eine solide, tüchtige Frau. Das ist nämlich der Haken an der Sache. Ich muß verheiratet sein, um euch adoptieren zu können.«

      Im nächsten Moment wünschte Olsen, er könne seine Worte zurücknehmen.

      Kais Gesicht wurde leichenblaß, während er hervorstieß: »Wir sollen also eine… eine Stiefmutter kriegen? Aber das will ich nicht! Ich will niemals eine andere Mami haben. Meine Mami war so lieb! Es gibt niemals mehr eine solche.«

      Was bin ich doch für ein Narr, schalt Olsen sich, von Selbstvorwürfen geplagt. Wie kann ich dem Jungen nur damit kommen!

      »Hör zu, Kai!« sagte er sanft und zog den widerstrebenden Jungen fest in seine Arme. »Ich verspreche dir etwas, und glaub’ mir, ich halte mein Wort. Es geht nun mal nicht anders. Ich muß eine Ehe schließen, sonst müßt ihr in ein Waisenhaus oder zu den Verwandten. Aber es ist nur eine Formsache, diese Heirat. Wir drei, Heike, du und ich, wir werden allein bleiben. Irgendwie werde ich das arrangieren. Es sei denn, ihr selber gewinnt diese Frau lieb und wollt sie bei euch haben. Ist das nicht der Fall, dann bleiben wir allein. Bitte, glaube mir das, mein Junge.«

      Zaghaft lebten Kais traurige Augen wieder auf.

      »Schwör es mir!« raunte er dicht vor Olsens angespanntem Gesicht.

      Ein unbestimmtes Gefühl mahnte den Mann zur Zurückhaltung. Aber da hörte Olsen sich schon antworten: »Ich schwöre es dir, Kai.«

      Zwei, drei Sekunden starrten sie einander an, dann lächelte Kai erleichtert und glücklich.

      Olsen schloß flüchtig die Augen. Er fühlte sich reich beschenkt durch dieses scheue, vertrauensvolle Lächeln des Jungen. Dennoch blieb ein leises Unbehagen zurück.

      Bin im allgemeinen nicht für solche dramatischen Effekte, dachte er ein wenig ironisch, als er den Raum verließ.

      Kai lag in dem großen Bett und sah sehr zufrieden aus. Er fühlte sich plötzlich wieder ein wenig geborgen.

      »Gute Nacht, Old Henry… Vati!« rief er hinter Olsen her. »Grüß Heike, wenn sie wach wird.«

      Olsen verhielt kurz den Schritt. »Gute Nacht, mein Sohn!«

      *

      Fräulein Krümel erwartete ihn vor Heikes Tür und bat ihn mit wenigen Worten zu einer Unterredung in die Küche.

      »Warum in die Küche? Wollen wir nicht lieber…?«

      Olsen machte eine einladende Geste zum Wohnzimmer hin, was von Fräulein Krümel jedoch ignoriert wurde.

      Sie begab sich in die Küche, hantierte am Elektroherd und ließ Olsen zunächst einmal in einer quälenden Ungewißheit.

      Schließlich hielt er es nicht mehr aus und fragte: »Was fehlt dem Kind? Ist Heike ernsthaft erkrankt? So reden Sie doch schon!«

      Erregt begann er in der Küche herumzuwandern, blieb dann bei der Frau stehen und blickte in den Topf. Ein eigentümlicher Geruch stieg ihm in die Nase.

      »Kamillentee, nicht wahr? Hat sich meine alte Lina auch immer aufgebrüht, wegen ihrer Galle. Aber«, fügte er fast entsetzt hinzu: »die Kleine wird doch nicht auch schon so was haben. Gallenkolik!«

      Fräulein Krümel hob den Blick zu ihm auf, und nun entdeckte Olsen doch den Anflug eines Lächelns in ihren Zügen.

      »Nein, nein, keine Kolik. Das Kind hat die Masern. Hat sich wahrscheinlich im Kindergarten angesteckt. Eine an sich harmlose Kinderkrankheit.« Olsen stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, was Fräulein Krümel sofort zu der Bemerkung veranlaßte: »Dennoch haben Sie unglaublich verantwortungslos gehandelt, als Sie Heike allein im Haus ließen.«

      »Ich mußte es tun! Der Junge wollte sich selbständig machen!« rief Olsen und gestikulierte nervös mit seinen Händen, bis er sie plötzlich sinken ließ und die Frau anstarrte. »Sagen Sie mal«, fragte er, »wo haben Sie denn Ihre Brille gelassen? Sie trugen doch sonst immer dieses gräßliche Ding. Und überhaupt…«

      Zum erstenmal betrachtete er die Fürsorgerin genauer.

      Doris hat recht, dachte er. Wo hatte ich nur meine Augen! Sie ist ja eine äußerst aparte Person, dieses Fräulein Krümel. Käsekrümel! Das fuhr ihm gleich danach durch den Sinn und trieb

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