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natürlich nicht weiter. Ihr seid noch viel zu klein, um selbständig zu sein. Schaut euch doch nur an! Ihr seht aus wie zwei herrenlose Kätzchen, die draußen herumstreunen. Nein, so kann es nicht weitergehen. Ich schlage vor, ihr setzt euch jetzt mal in die Badewanne, während ich uns was Leckeres auf den Tisch zaubere. Beim Abendessen reden wir dann in aller Ruhe weiter. Einverstanden?«

      Flüchtig berührte Henrys Hand die tränennasse Wange des Kindes, und im nächsten Moment lag Heike aufschluchzend an seiner Brust. Ihre Ärm­chen umschlangen seinen Hals, als wollte sie ihn niemals wieder freigeben.

      »Ist ja gut, Kleines!« murmelte Olsen rauh, während sein Blick über das feine, seidige Kinderhaar hinweg Kai suchte.

      Die Kinnpartie des Jungen zuckte verräterisch, dennoch hielt Kai dem Blick Old Henrys tapfer stand, wobei er hervorstieß: »So geht das mit Heike schon seit der Beerdigung. Ist eben ein kleines Mädchen. Ich… ich bin ja schon groß.«

      Das klang zunächst recht forsch. Aber nun zitterten Kais Lippen doch verräterisch, und in seinen Augen blinkte es feucht.

      Olsen wurde ganz eigen zumute.

      »Komm her, Junge!« Er streckte seine freie Hand aus, wartend, hoffend.

      Es dauerte einige Sekunden, dann brach Kais leiser Widerstand unter dem Druck seiner schmerzlichen Einsamkeit, die auch ihn erfüllte seit dem Tod der Eltern.

      Er schluchzte unterdrückt auf, warf sich neben Olsen auf die Couch und preßte sein Gesicht in die ihm entgegengestreckte Hand.

      Das ist gut, durchfuhr es Henry Olsen, der eigentlich gar nichts von Kindern verstand.

      Aber nun wußte er, daß es sehr gut für Kai war, sich ausweinen zu dürfen und dabei die Kraft einer starken Hand auf seinen Schultern zu spüren.

      Olsens Hand umschlang seine bebenden Schultern. Wie geht es bloß weiter mit uns, dachte er. Wie nur?

      *

      Diese Frage stellte sich Old Henry am nächsten Tag mit aller Macht.

      Es fing damit an, daß Kai am Morgen zu ihm in die Küche gerannt kam und sagte, Heike wolle nicht aufstehen.

      »Warum nicht?« Henry fischte behutsam einige Eier aus dem kochenden Wasser, legte sie in einen Topf mit kaltem und blickte dann zu Kai hin. »He! Du bist ja ganz blaß um die Nasenspitze. Was ist los, Junge?«

      »Das fragen wir am besten Heike. Sie… sie will einfach nicht aus dem Bett und hat ganz komische Augen.«

      Das fehlte noch! Olsen war schon an der Tür.

      »Sie wird doch nicht krank werden? Oder schmollt sie etwa nur?«

      Kai warf ihm einen anklagenden Blick zu.

      »Wir sind doch nicht so welche! Was denkst du nur von uns!«

      »Entschuldige!« murmelte Olsen leicht verunsichert und beeilte sich, die Treppe hinaufzustürmen. »Hallo, kleine Langschläferin!« begrüßte er Heike betont flott.

      »Hallo!« wipserte es undeutlich unter dem Kissen hervor, mit dem Heike fast ihr ganzes Gesichtchen bedeckte.

      »Die Sonne scheint«, rief Olsen optimistisch, »und das Frühstück steht auf dem Tisch.«

      »Aber ich mag die Sonne nicht«, tönte es weinerlich zurück.

      Das war ein Grund zur Besorgnis, denn Heike mochte im allgemeinen die Sonne sehr.

      »Sieh mich mal an!« wurde Olsen nun energisch und nahm das Kissen von Heikes Gesicht. »Was ist denn mit deinen Augen?«

      Verwundert bemerkte er die rot­umränderten Augen der Kleinen.

      »Weiß nicht, aber sie tun mir weh, wenn die Sonne hineinkommt.«

      Olsen drehte sich nach Kai um, der in einiger Entfernung des Bettes stand und nicht minder besorgt dreinblickte.

      »Junge, zieh die Vorhänge zu.« Und zu Heike, die jetzt schüchtern zu ihm auflächelte:

      »Willst du denn noch ein wenig im Bett bleiben? Vielleicht hast du nur einfach zuviel geweint in der letzten Zeit. Das ist deinen Äuglein schlecht bekommen. Schlaf noch ein bißchen, ja?«

      Heike nickte, schloß die Augen und stieß einen erleichterten Atemzug aus.

      »Ich… ich bin wirklich froh, daß es nun nicht mehr so hell ist. Danke, Onkel Henry.«

      »Ist schon gut, Kleiner!« Sanft berührte Olsens Zeigefinger die blasse Wange des Kindes, die sich sonderbarerweise recht hitzig anfühlte.

      Nun ja, die Morgensonne, dachte er und entfernte sich auf Zehenspitzen zur Tür hin.

      Kai folgte ihm, während Bimbo mit hängenden Ohren zunächst noch vor dem Bett stehenblieb, bis Kai ihn zu sich rief.

      »Komm, Bimbo! Nun komm schon! Heike will noch ein wenig schlafen.«

      Aber Heike wollte auch am Mittag nicht aufstehen, und langsam geriet Olsen in Panik.

      Wenn das Kind nun krank wurde? Mußte er nicht sofort einen Arzt verständigen?

      Aber wie erkläre ich dem die Anwesenheit dieser Kinder, überlegte er angestrengt, ohne daß ihm ein Ausweg eingefallen wäre. Vielleicht wußte Dr. Kreidel einen.

      Olsen telefonierte wieder einmal mit seinem Anwalt in Hamburg, der ihm dringend dazu riet, sofort die Familienfürsorge zu verständigen, damit diese die Kinder abhole.

      »Danke für diesen Rat!« schrie Olsen zum Schluß zornig in den Hörer und warf ihn auf die Gabel. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so hilflos gefühlt.

      Ein zweites Gespräch mit seinem Sekretär brachte ihn auch nicht weiter.

      Bruns hatte noch nicht die ideale Frau für ihn gefunden, und er teilte es seinem Chef ein wenig ironisch mit.

      »Sie glauben wohl, ich sei gestern betrunken gewesen, als ich mit Ihnen über meine Heiratsabsichten sprach«, brüllte Olsen in den Apparat. »Aber das ist ein Irrtum, mein Lieber, der Sie um Ihren wohldotierten Posten bringen kann! Also setzen Sie sich auf die Hinterbeine, Bruns, und schicken Sie mir in den nächsten Tagen einige Damen zur näheren Begutachtung!«

      Henry Olsen wandte sich wieder der Diele zu und starrte gedankenschwer die Treppe hoch, um im nächsten Moment hinaufzueilen.

      Ein Gefühl sagte ihm, daß er oben gebraucht wurde.

      Die Tür zu Heikes Zimmer war nur angelehnt, und das Weinen des Kindes drang zu Olsen heraus.

      Aber wo war Kais beruhigende Stimme?

      Das war es, was ihn alarmiert hatte. Kai war seit dem Gespräch mit Anwalt Kreidel unsichtbar, und auch von Bimbo fehlte jede Spur.

      Olsen stieß die Tür auf, bemerkte Heikes hoffnungsvoll zu ihm herumfahrendes Gesicht und die jähe Enttäuschung darin, als sie ihn erblickte, ihn, nicht Kai.

      »Wo ist Kai?« Olsen konnte seine Erregung kaum zügeln. »Du weißt es doch, Heike! Du mußt es mir sofort sagen, damit ich Kai suchen und zurückbringen kann!«

      Aufschluchzend sank Heike zurück, und nun erst konnte Olsen feststellen, daß Heike wirklich krank sein mußte. Ihre Augenlider waren geschwollen, und rote Flecken brannten auf ihren zuvor bleichen Wangen.

      Jetzt mußte sie husten, faßte sich mit beiden Händen an den Hals, wobei sie beschwörend zu ihm aufblickte.

      »Aber Kai will nicht ins Waisenhaus und auch nicht zu Onkel Max nach München. Drum ist er fortgegangen. Es… es hat ihm ja sehr leid getan, daß ich nicht mitgehen konnte, aber mein Hals tut weh, und meine Beine tragen mich gar nicht.«

      Wieder liefen dicke Tränen über ihr Gesicht. Hinter Olsens Stirn rasten die Gedanken. Er hatte alles falsch gemacht, hatte sich von seinem Mitleid verleiten lassen, das sich für die Kinder letzte Endes verheerend auswirken konnte.

      Aber nun halfen keine Selbstvorwürfe, der Junge war fort, und das Mädchen lag hier

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