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das wirklich?, fragte sich Tilla verzweifelt. Sie fühlte sich in die Enge getrieben. Bin ich sauber und ehrlich?, überlegte sie. Du weißt nichts von Volker Ahlert, und er hat keine Ahnung von dir. War ich jemals sauber und ehrlich zu euch? Habe ich euch nicht eher hintergangen?“

      Mittlerweile war es dunkel geworden, und die junge Frau empfand die Finsternis als gnädig, denn nun konnte Elmar nicht mehr die Verzweiflung und Ratlosigkeit in ihrem Gesicht sehen.

      „Sauber und ehrlich“, flüsterte sie.

      „Rein wie ein Engel“, sagte Elmar. „So sollen auch unsere Kinder sein. Wir werden die schönsten Kinder weit und breit haben.“

      „Bitte, Elmar, sei still“, bat Tilla, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

      „Ich weiß, dass wir zusammen gehören, Tilla.“

      „Bitte, Elmar ...“

      „Vom ersten Tag an wusste ich es“, sagte der Lehrer leidenschaftlich. „Oh, Tilla, wenn du meine Frau wirst, werden wir das glücklichste Ehepaar von der Welt sein.“

      „So höre doch endlich auf damit, Elmar“, rief Tilla gequält. Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten, weinte.

      Er erschrak. „Tilla! Was hast du? Habe ich etwas Falsches gesagt? Warum weinst du?“

      „Ich kann nicht deine Frau werden, Elmar.“

      Ihre Worte machten ihn konfus. „Aber ... wieso denn nicht?“, fragte er spröde.

      „Weil... weil... Ich liebe dich nicht.“

      „Das ist nicht wahr. Ich weiß, dass du mich liebst. So etwas fühlt man doch.“

      „Aber ich liebe dich nicht genug“, sagte Tilla.

      „Deine Liebe wird wachsen.“

      „Nein!“, erklärte die Sekretärin heftig. „Verstehst du denn nicht? Ist es denn so schwer zu begreifen?“

      „Was?“, fragte Elmar Spira heiser. „Was denn?“

      „Ich bin nicht so sauber und ehrlich, wie du denkst“, sagte Tilla mit tränenerstickter Stimme.

      „Ich kenne dich gut genug, um zu wissen ...“

      „Ich war nicht immer aufrichtig zu dir, Elmar!“, fiel ihm Tilla ins Wort. „Oh, Elmar, ich wollte, ich könnte uns beiden diese schreckliche Situation ersparen, aber es geht nicht. Ich muss endlich klare Verhältnisse schaffen.“

      „Ich verstehe dich immer weniger“, sagte der junge Lehrer nun schon völlig verwirrt.

      „Jeder Mensch hat Freunde“, holte Tilla weit aus. „Sehr gute, gute, weniger gute. Ich schätzte mich glücklich, dass ich sogar zwei sehr, sehr gute Freunde hatte, doch nun stellt sich heraus, dass das kein Glück war.“

      „Zwei Freunde?“

      „Ja“, sagte Tilla mit belegter Stimme. „Dich und ... Volker Ahlert. Du kennst ihn nicht. Ich ... ich mochte ihn genauso gern wie dich. Mir war von Anfang an klar, dass ich mich irgendwann für einen von euch beiden entscheiden müsse, aber ich hatte es damit nicht eilig. Vielleicht hoffte ich, dass ihr die Entscheidung herbeiführen würdet. Du hättest einer anderen Frau begegnen können. Oder Volker...“

      „Du... bist mit ihm ... ausgegangen und mit mir?“, fragte Elmar Spira heiser.

      „Ja. Ich lernte ihn eine Woche vor dir kennen. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, mich mal mit ihm und mal mit dir zu treffen, aber später sagte ich mir dann, dass dies kein Dauerzustand sein könne.“

      „Durfte er sich mehr herausnehmen als ich?“, fragte Elmar schwer angeschlagen.

      „Wofür hältst du mich?“, fragte Tilla empört zurück. „Natürlich nicht. Für ihn galten die gleichen Gesetze wie für dich.“

      „Es muss sehr abwechslungsreich für dich gewesen sein“, sagte Elmar bitter. „Und sehr amüsant.“

      „Bitte sei jetzt nicht sarkastisch“, entgegnete Tilla. „Lass uns vernünftig und sachlich miteinander reden.“

      „Tilla, ich bin nicht in der Lage, mit dir hier ein völlig nüchternes, emotionsloses Gespräch zu führen. Ich habe mit der schwersten Enttäuschung meines Lebens zu kämpfen. Ich laufe Gefahr, meine Liebe zu verlieren. Um mich herum dreht sich alles. Ich bin ratlos. Ich weiß nur eines : dass ich dich nicht verlieren will! Du hast dich also heimlich mit diesem Volker Ahlert getroffen.“

      „Nicht heimlich.“

      „Hinter meinem Rücken“, sagte Elmar.

      „Ohne dein Wissen, das trifft es besser“, korrigierte ihn Tilla.

      „Er durfte dir nicht nähertreten als ich. Somit kann ich davon ausgehen, dass zwischen euch nichts gewesen ist.“

      „Ich habe nie mit ihm geschlafen“, sagte Tilla, um das völlig klarzustellen.

      „Folglich habe ich keinen Grund, mich betrogen zu fühlen“, sagte Elmar.

      „Darum geht es auch gar nicht.“

      „Mir schon“, widersprach Elmar. „Wenn du Volker Ahlert den Laufpass gibst, steht unserer Ehe nichts weiter im Wege.“

      „Das kann ich nicht“, entgegnete die Sekretärin.

      „Ich wäre damit einverstanden, dass du ihn als guten Freund behältst“, meinte Elmar konzessionsbereit. „Ich hoffe, ihn bald kennenzulernen. Vielleicht freunde ich mich auch mit ihm an.“

      „Elmar, der Grund, weshalb ich mich heute mit dir treffen wollte, ist...“

      Sie brach ab und blickte auf das glitzernde Wasser des Mondsees hinaus. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Kehle. Ach, es war so schwierig, Klarheit zu schaffen.

      „Ich fürchte, ich verstehe“, sagte Elmar. „Volker Ahlert und ich haben einen Wettlauf ausgetragen, ohne dass wir es wussten, und mein Rivale kam als erster ins Ziel.“

      Tilla senkte traurig den Blick. „Ja, wenn du es so ausdrücken willst.“

      „Der Verlierer heißt demnach Elmar Spira“, sagte der junge Lehrer düster. „Warum durften wir nichts voneinander wissen?“

      „Es hat sich so ergeben“, antwortete sie.

      „Wir hätten uns völlig anders verhalten, wenn wir gewusst hätten, was für uns auf dem Spiel steht.“

      „Vielleicht wollte ich gerade das vermeiden“, sagte Tilla ernst. „Würdest du ... mich jetzt bitte nach Hause bringen?“

      „Liebst du ihn?“, fragte Elmar.

      „Ja“, sagte Tilla ehrlich.

      „Seit wann weißt du es?“, wollte er wissen.

      „Seit heute“, antwortete die blonde Frau.

      „Womit hat er mich ausgestochen?“, wollte Elmar Spira wissen.

      „Er ringt mit dem Tod ... Vielleicht wird er sterben ...“

      „Ach, dieser Volker Ahlert ist das“, sagte Elmar begreifend. „Der Leiter des Supermarkts ... Ein Gangster hat ihn niedergeschossen... Mir kam der Name gleich irgendwie bekannt vor, aber ich wäre nicht darauf gekommen, dass du mit ihm befreundet bist.“

      „Als ich erfuhr, dass man auf ihn geschossen hat und dass er in Lebensgefahr schwebt, wurde mir bewusst, dass ich ihn mehr liebe als irgend jemand anderen“, erklärte Tilla Deltgen.

      „Kann es nicht sein, dass du Mitleid mit Liebe verwechselst?“

      „Diese Frage habe ich mir auch gestellt“, antwortete Tilla und schüttelte den Kopf. „Nein, ich irre mich nicht. Es ist Liebe.“

      Elmar zündete sich eine Zigarette

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