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      Er sah sie an. „Habe ich dich wirklich verloren, Tilla?“

      „Nicht als Freund, wenn dir das genügt.“

      Er lachte gallig. „Und ich dachte, heute wäre mein absoluter Glückstag.“

      „Bringst du mich jetzt nach Hause?“, fragte sie leise.

      „Es wird mir nicht leichtfallen, Volker Ahlert zu mögen“, gestand Elmar Spira. „Für mich ist noch nichts entschieden. Ich werde weiter hoffen.“

      „Das hat keinen Zweck, Elmar“, sagte Tilla. „Ich habe mich entschieden, und meine Entscheidung ist unumstößlich.“

      „Nichts kann mich daran hindern, zu hoffen, dass sich für mich doch noch alles zum Guten wendet, Tilla“, sagte Elmar Spira so grimmig, dass es der Frau unwillkürlich kalt über den Rücken lief.

      11

      Dr. Berends betrat sein Büro. Veronika Baier, seine Sekretärin, legte ihm eine Liste von Anrufern auf den Schreibtisch. Jene, die um Rückruf gebeten hatten, hatte die MTA mit einem roten Punkt versehen.

      Der Leiter der Wiesen-Klinik erledigte die Telefonate nacheinander. Nach dem letzten Gespräch betrat Dr. Charlotte Berends sein Büro. Der Chefarzt drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage.

      „Veronika, können wir Kaffee haben?“

      „Läuft schon durch die Maschine“, erwiderte die Sekretärin.

      „Können Sie hellsehen?“, fragte Dr. Berends schmunzelnd.

      „Ab und zu“, antwortete sie.

      Charlotte setzte sich. Sie hatte Befunde mitgebracht und legte diese vor ihren Mann hin. Sie sah ihn dabei mit ihren hübschen, braunen Augen ernst an.

      „Frau Mahn macht mir Sorgen“, sagte die Internistin.

      Richard wusste, von wem seine Frau sprach. Erika Mahn, eine betagte Journalistin.

      „Ihre Eierstockoperation ist für morgen angesetzt“, sagte Dr. Charlotte Berends, „aber wenn du dir die Befunde ansiehst... Ich weiß nicht, ob es ratsam ist, den Eingriff zu wagen.“

      „Wir können nicht warten“, erwiderte der Chefarzt und schlug die Mappe auf, in der sich die Unterlagen befanden.

      Veronika Baier brachte den Kaffee und zog sich wieder zurück. Dr. Richard Berends ging die Unterlagen gewissenhaft durch.

      „Die Patientin ist stark magersüchtig“, bemerkte seine Frau.

      „Wenn wir etwas mehr Zeit hätten, würden wir sie zuerst aufpäppeln, doch die Sache duldet keinen Aufschub, wie du weißt“, sagte Dr. Berends.

      „Dann sind Komplikationen nicht auszuschließen.“

      „Wir müssen den Eingriff riskieren“, sagte der Chefarzt. „Ich bin mir der Tatsache bewusst, was für die Patientin auf dem Spiel steht. Mir ist klar, dass das morgen eine sehr schwierige Operation werden wird, und ich würde sie nicht in Angriff nehmen, wenn ich wüsste, dass die Patientin absolut keine Chance hat. Es besteht Hoffnung, dass sie’s übersteht.“

      Er griff nach der Tasse und nahm einen Schluck.

      Dann sprach er mit seiner Frau ab, wie die Patientin auf die Operation vorzubereiten war.

      Eine halbe Stunde später sah er nach dem Grundstücksmakler Alfons Eppler, der in die Wiesen-Klinik gekommen war, um sich den Blinddarm entfernen zu lassen.

      Der Patient hatte seidiges, flachsblondes Haar, wasserhelle Augen und ein eher nichtssagendes Gesicht. Er war in seinem Beruf sehr erfolgreich, besaß eine Menge Geld, und sein liebstes Thema war alles, was mit der Steuer zusammen hing.

      Er stöhnte unter dem gewaltigen Steuerdruck, dem er ausgesetzt war, und nannte das Finanzamt ein „Institut für moderne Christenverfolgung“. Mit gesunder Gesichtsfarbe saß der Patient im Bett und unterhielt sich mit einem jungen brünetten Mann, auf dessen schmaler Nase eine große Schildpattbrille saß.

      „Ah, Dr. Berends!“, rief Alfons Eppler, als er den Leiter der Wiesen-Klinik bemerkte. „Darf ich Ihnen meinen Stiefsohn Waldemar vorstellen. Waldemar, das ist Dr. Richard Berends, der Oberboss in dieser schönen Klinik.“ Der Chefarzt reichte dem jungen Mann die Hand. Ihm kam Waldemar Eppler ein wenig gehemmt vor. „Guten Tag“, sagte der Mediziner. „Tag, Dr. Berends“, gab Waldemar Eppler zurück.

      „Waldemar ist der Sohn meiner zweiten Frau. Sie brachte ihn mit in die Ehe“, erklärte Alfons Eppler. „Ich liebe ihn wie mein eigen Fleisch und Blut.“

      Der junge Mann lächelte verlegen. Er blickte auf seine Uhr und sagte: „Ich muss gehen. Alles Gute, Vater.“

      „Wird schon schiefgehen“, erwiderte der Makler. „Mache dir keine Sorgen. In ein paar Tagen bin ich wieder zu Hause.“

      „Ich komme morgen wieder.“

      „Darum möchte ich gebeten haben“, sagte der Patient.

      „Tja, also dann. Auf Wiedersehen, Vater. Auf Wiedersehen, Herr Dr. Berends.“

      „Auf Wiedersehen“, sagte der Chefarzt, und Waldemar Eppler ging.

      „Ein sympathischer junger Mann“, sagte Dr. Berends.

      „Ja, aber leider ein bisschen verklemmt“, bemerkte der Grundstücksmakler. „Macht sich in allen möglichen gemeinnützigen Gesellschaften nützlich. Manchmal kommt es mir vor, er wäre der Ansicht, er müsse an seinen Mitmenschen irgendeine Schuld abtragen. Na, jedenfalls ist er ein herzensguter Junge, der mir sehr viel Freude macht. Seine Mutter, Gott hab sie selig, war da ganz anders. Sehr viel Freude machte sie mir nicht. Sie hat mich nur geheiratet, um versorgt zu sein. Das Geld, das ich ihr gab, warf sie mit beiden Händen zum Fenster hinaus. Schmuck, Pelzmäntel, die neuesten Pariser Kreationen ... Sie musste einfach alles haben. Genau genommen wurde ihr die eigene Gier zum Verhängnis. Sie lag mir so lange in den Ohren, bis ich ihr den Sportwagen kaufte, mit dem sie dann, zusammen mit ihrem Liebhaber, in den Tod raste. Waldemar ist in jeder Beziehung anders als seine Mutter. Der freut sich schon schrecklich darauf, mich pflegen zu können, wenn ich nach Hause komme. Immer muss er andern Menschen helfen. Er kann nicht anders. Er wäre unglücklich, wenn man es ihm verbieten würde.“ Eppler schob die Hände hinter seinen Kopf. „Heute gehen wir’s also an.“

      „Haben Sie Angst davor?“

      Alfons Eppler lächelte. „Nee. Ich weiß doch, wer mich operiert. Sie haben mein vollstes Vertrauen, Dr. Berends.“

      „Ich werde mich Ihres Vertrauens würdig erweisen“, gab der Chefarzt schmunzelnd zurück.

      „Eine Blinddarmoperation ist heutzutage eine Kleinigkeit. Viel weniger schmerzhaft als die Steuer, die man mir jährlich aufbrummt. Ich sage Ihnen, da gehen Sie ganz schön in die Knie, wenn Sie den Steuerbescheid kriegen. Mit dem Riechsalz muss man mir jedes mal wieder auf die Beine helfen. Irgendwann wird aber auch das nicht mehr helfen. Dann bleibe ich liegen, und den Steuerbehörden muss ein weiteres Opfer angelastet werden.“

      „Ich bin sicher, Sie nützen alle Absetzmöglichkeiten“, sagte Dr. Berends.

      „Das ist doch wohl klar, aber es ist nur ein Tropfen

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