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so weit er konnte, knurrte und biss seine Frau leicht in den Hals.

      Charlotte kicherte. „Wirst du das wohl sein lassen? Hör auf, das kitzelt! Hör auf zu saugen. Meine Güte, das gibt doch einen Knutschfleck. Wie sieht das denn aus, wenn ich in der Klinik erscheine. Die Frau des Chefarztes mit einem solchen Fleck. Das geht doch nicht.“

      „Wie kannst du nur immer so schrecklich vernünftig sein und daran denken, was die Leute zu diesem und jenem sagen?“, fragte er.

      „Ich bin eben um deinen guten Ruf besorgt“, entgegnete Charlotte.

      Im Haus läutete das Telefon. Therese Mansfeld nahm den Anruf entgegen, legte den Hörer dann neben den Apparat und ging auf die Terrasse.

      „Ein Anruf für Sie, Herr Doktor. Es ist Dr. Büttner.“

      Charlotte stand auf und Dr. Richard Berends eilte ins Wohnzimmer, das Charlotte mit sehr viel Geschmack eingerichtet hatte.

      Richard griff nach dem Hörer. „Ja, Herr Kollege?“

      Dr. Jürgen Büttner war Chirurg und arbeitete mit Dr. Berends in der Wiesen-Klinik eng zusammen. „Tut mir aufrichtig leid, Sie stören zu müssen, Herr Chefarzt, aber ich brauche dringend Ihre Hilfe.“

      „Was ist passiert?“, wollte der Mediziner wissen.

      „Überfall auf einen Supermarkt“, informierte der junge Chirurg den Chefarzt knapp. „Der Räuber hat den Supermarktleiter niedergeschossen und ist mit dreihunderttausend Euro verschwunden. Die Rettung hat das Opfer soeben eingeliefert. Sieht nicht sehr gut aus. Der Mann muss sofort operiert werden.“

      Dr. Berends wollte hören, was Dr. Büttner inzwischen unternommen hatte. Mehr war im Moment nicht zu tun.

      „Ich komme sofort“, sagte der Chefarzt und legte auf.

      Charlotte hatte das Wohnzimmer betreten.

      „Ich muss in die Wiesen-Klinik“, sagte Richard und informierte seine Frau.

      Sie nickte. Sie war das ja gewöhnt. „Aber ein paar Minuten hatte ich dich doch für mich allein“, sagte sie.

      ––––––––

      7

      DER KLINIKCHEF BETRAT den Operationssaal. Eine sterile Operationsschwester hielt ihm die Operationshandschuhe hin, und während er hineinschlüpfte, band ihm eine zweite Schwester den Mundschutz um.

      „Volker Ahlert“, sagte Dr. Jürgen Büttner. „Achtundzwanzig Jahre alt. Es ist fraglich, ob er älter werden wird.“ Seine grimmigen Worte wurden vom Mundschutz geringfügig gedämpft.

      Dr. Berends nahm die Position des Operateurs ein. „So schnell geben wir nicht auf“, sagte er, und sein Blick richtete sich auf die Anästhesistin Dr. Doris von Ringsdorff, die aufmerksam die Skalen und Geräte beobachtete.

      „Wie ist die Atmung, Frau Kollegin?“, erkundigte sich der Chefarzt.

      „Könnte besser sein“, sagte Dr. von Ringsdorff. Ihre Stimme klang besorgt.

      „Puls?“

      „Flattert“, sagte die Narkoseärztin.

      „Wo sind die Röntgenbilder?“, fragte Dr. Berends.

      „Hier“, sagte Jürgen Büttner und zeigte sie dem Chefarzt. „Die Kugel ist gut zu sehen. Sitzt verdammt nah am Herzen.“

      „Aber sie hat das Herz nicht getroffen“, stellte Dr. Berends fest.

      „Sie wurde von dieser Rippe geringfügig abgelenkt“, sagte Dr. Büttner. „Andernfalls würde der Mann nicht mehr leben. Er hat sehr viel Blut verloren.“

      „Sind genügend Blutkonserven da?“, wollte der Chefarzt wissen.

      „Ich habe sicherheitshalber vier Konserven angefordert“, antwortete Dr. Büttner.

      „Gut“, sagte der Chefarzt und blickte auf den Körper des Patienten, der mit sterilen Tüchern abgedeckt war. Nur das Operationsfeld war frei und desinfiziert.

      Der Chirurg streckte der instrumentierenden Schwester die Hand entgegen. „Skalpell, Schwester Thea.“

      Sie stand am Instrumententisch und hielt das Messer schon bereit. Die schmale Hand des Chefarztes schloss sich darum, und einen Augenblick später setzte er es an und führte den ersten Schnitt.

      Ihm war bewusst, dass er schnell und exakt arbeiten musste, wenn er das Leben des Patienten retten wollte. Und er musste trotz des Zeitdrucks so gewissenhaft wie nur irgend möglich sein. Das verlangte ihm vollste Konzentration ab.

      „Sonde!“, sagte er gedämpft.

      Die Operationsschwester reichte sie ihm, und er überprüfte damit den Verlauf des Schusskanals.

      Wieder nahm Dr. Berends das Skalpell zur Hand und durchtrennte die feinen Muskelschichten über den Rippenbögen. Schwester Thea wischte ihm die kleinen Schweißperlen von der Stirn.

      „Der Puls wird schwächer!“, meldete Dr. Doris von Ringsdorff.

      Das war alarmierend, und Dr. Jürgen Büttner warf dem Chefarzt einen beunruhigten Blick zu, aber Dr. Berends behielt die Nerven. Er konnte jetzt nicht mehr tun, als arbeiten.

      Jeder Handgriff saß. Die Anästhesistin nannte die ständig sinkenden Werte. Es gehörte schon sehr viel innere Kraft und eine gesunde Portion Selbstvertrauen dazu, um äußerlich völlig ruhig zu bleiben und weiterhin überlegt zu handeln.

      „Saugen Sie das Blut ab, Herr Kollege!“, verlangte Dr. Berends.

      Dr. Büttner begann sogleich damit. Sobald der Brustraum leer war, nähte Dr. Berends die verletzten Adern. Danach erkundigte er sich nach dem Blutdruck.

      Dr. Doris von Ringsdorff nickte. „Wird langsam besser.“

      Das war erfreulich zu hören. Der Chefarzt warf einen Blick auf die große Wanduhr, die über der Tür des Operationssaals hing. Volker Ahlert lag bereits eine halbe Stunde auf dem Tisch, doch der Kampf war noch lange nicht gewonnen.

      Die Ruhe, die Dr. Berends verbreitete, steckte sein Team an. Der Chefarzt ordnete an, man möge dem Patienten eine Bluttransfusion geben. Ahlert bekam sie in die linke Armbeuge, und in die rechte eine mit Medikamenten angereicherte Kochsalzlösung.

      „Das Schwierigste kommt noch“, sagte Dr. Berends.

      Er meinte das Entfernen der Kugel. Mit größter Vorsicht ertastete er das Projektil. Es hatte den Anschein, als würden in diesem Augenblick alle im Operationssaal Anwesenden den Atem anhalten. Sehr behutsam löste Dr. Berends das Geschoss heraus.

      Operationsschwester Thea griff nach einer emaillierten Schale und hielt sie ihm hin. Er ließ die Kugel hineinfallen.

      „Für die Polizei“, sagte er. „Wäre schön, wenn man mit ihrer Hilfe den Täter überführen könnte. Aber dazu müsste man den Mann erst haben.“

      Wieder musste Dr. Büttner Blut absaugen. Dr. Berends klemmte zwei Adern ab, nähte, schweißte mit dem Lasergerät und schaute wieder auf die OP-Uhr.

      Die Zeit raste. Eine Stunde war nun schon um.

      „Wie ist der Puls jetzt?“, wollte der Chefarzt wissen.

      „Hat sich normalisiert“, antwortete die Anästhesistin.

      „Herzschlag?“

      „Regelmäßig“, sagte Dr. Doris von Ringsdorff.

      Dr. Jürgen Büttner atmete auf. „Mit einem kleinen Quäntchen Glück hat er es überstanden.“

      Dr. Berends war zwar kein Pessimist, aber so rosig sah er die Sache noch nicht. „Ihre

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