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      Tilla Deltgen schob den halb vollen Einkaufswagen durch den Supermarkt. Sie erreichte die „Grüne Ecke“, den „Bio Corner“, der hier erst kürzlich eingerichtet worden war.

      Über den grünen Regalen drehte sich ein grünes Blinklicht, damit jedermann auf das reich sortierte Reformkost Warenangebot aufmerksam wurde.

      „Die haben schon wieder umgestellt“, meckerte eine grauhaarige Frau. „Hier waren doch früher die Spirituosen.“

      „Die befinden sich jetzt im nächsten Gang“, erklärte Tilla, die an den Schnäpsen und Likören soeben vorbeigekommen war.

      „Das machen die absichtlich. Von Zeit zu Zeit räumen sie die Regale um, damit man suchen muss, was man haben will. Man kann kein Regal unbeachtet lassen und entdeckt dabei Waren, die man eigentlich nicht braucht, aber mal probieren möchte, und ehe man sich’s versieht, ist der Einkaufswagen voll, obwohl man nur das Nötigste kaufen wollte. Die ziehen einem das Geld sehr raffiniert aus der Tasche, aber bei mir werden sie damit heute kein Glück haben. Ich kaufe nur, was auf meinem Einkaufszettel steht, und sonst nichts. Übrigens ... Wussten Sie, dass man nie mit leerem Magen einkaufen gehen soll? Da legt man automatisch mehr in den Wagen, als man vorhatte. Seit ich das weiß, esse ich vor dem Weggehen immer ein Brötchen. Sie sollten das auch tun. Damit können Sie viel Geld sparen.“

      „Vielen Dank für den Tipp“, sagte Tilla. „Das werde ich mir merken.“

      „Und ... Finger weg von diesem Bio-Zeug. Sie ahnen nicht, was diesbezüglich für Schindluder getrieben wird. Ich könnte Ihnen haarsträubende Dinge erzählen. Mein Mann war Chemiker und musste laufend diese Bio-Waren untersuchen. Gift! Das reinste Gift war das manchmal. Das kommt davon, weil die einen so leichtgläubig und die andern so habgierig sind.“ Die grauhaarige Frau seufzte. „Was soll’s? Wir werden die Welt nicht ändern.“

      Sie ging zu den Spirituosen, und Tilla holte eine Flasche vom Regal, in der sich Rote-Bete-Saft befand.

      „Na, Frau Deltgen“, sagte plötzlich jemand hinter ihr. „Sind Sie mit unserem Warenangebot zufrieden?“

      Sie wusste, wer das war, drehte sich lächelnd um und sagte: „Guten Tag, Volker.“

      Volker Ahlert war Leiter des Supermarkts, ein junger, blonder, dynamischer Mann, zuverlässig und seriös. Er sah großartig aus, und Tilla mochte ihn sehr.

      Fast noch mehr als Elmar Spira. Genau genommen fühlte sie sich zwischen Volker und Elmar hin und her gerissen. Deshalb ging sie mal mit dem einen, mal mit dem andern aus. Sie konnte sich für keinen entscheiden. Jeder hatte seine Vorzüge. Wenn es möglich gewesen wäre, die beiden zu einem Mann zusammenzuschmelzen, hätte das für Tilla den Ideal-Verehrer gegeben.

      Volker und Elmar wussten nichts voneinander. Tilla hatte es bisher geschickt verstanden, die beiden voneinander fernzuhalten, sonst hätte es wahrscheinlich Schwierigkeiten gegeben.

      „Guten Tag, Tilla“, sagte Volker mit seiner weichen Samtstimme. Er trug einen weißen Arbeitskittel, sah aus wie ein Arzt. „Du siehst großartig aus.“

      „Vielen Dank“, gab Tilla lächelnd zurück. „Du auch.“

      „Du kaufst neuerdings doch nicht etwa bei der Konkurrenz ein?“

      „Wie kommst du darauf?“, fragte Tilla.

      „Ich habe dich vor einer Woche zum letzten mal hier gesehen.“

      „Ich war jeden zweiten Tag hier“, entgegnete Tilla. „Einmal hattest du mit einem Vertreter zu tun, da wollte ich nicht stören, und vorgestern war hier alles wegen eines Ladendiebs in heller Aufregung.“

      Volkers Augenbrauen zogen sich zusammen. „Es stellte sich heraus, dass der Mann uns schon seit drei Jahren regelmäßig bestohlen hat. Aber er hätte das nicht tun müssen. Das Stehlen machte ihm einfach Spaß. Er liebte den Nervenkitzel. Verrückte Leute gibt es auf dieser Welt, sage ich dir.“

      „Du musst das schließlich wissen“, sagte Tilla schmunzelnd. „Ein Mann, der so alt ist, dass er Methusalems Vater sein könnte.“

      „Hast du für heute Abend schon etwas vor?“, erkundigte sich Volker.

      „Nein“, antwortete Tilla.

      „Großartig. Wie wär’s, wenn wir beide zusammen essen gingen?“, fragte der junge Mann.

      „Keine schlechte Idee“, sagte Tilla Deltgen.

      „Der Koch unseres Self-Service-Restaurants hat vor einem Monat gekündigt und sich selbständig gemacht. Er hat vergangenen Freitag eine kleine Pizzeria eröffnet, in der man ganz toll essen kann. Wenn du möchtest, rufe ich Hermann Sigel an und bitte ihn, einen Tisch für uns zu reservieren.“

      „Einverstanden“, sagte sie. „Wie heißt die Pizzeria?“

      „ ,Da Ermano' “, antwortete Volker Ahlert grinsend. „Hermann Sigel spielt seinen Gästen den Italiener vor. In Wirklichkeit ist er ein waschechter Deutscher.“

      „Ich bin schon sehr neugierig auf Ermano Sigel“, sagte Tilla und lachte.

      „Ich hole dich um neunzehn Uhr ab“, erklärte der Leiter des Supermarktes.

      „Ist gut“, sagte Tilla.

      „Ich freue mich auf den Abend“, bemerkte Volker, dann wurde er ins Büro der Betriebsleitung gerufen und eilte davon.

      Tilla schloss ihren Einkauf ab und steuerte eine der Kassen an. Auch sie freute sich auf den Abend mit Volker.

      ––––––––

      3

      HERMANN „ERMANO“ SIGEL hatte schwarzes Kraushaar und einen dicken schwarzen Schnurrbart. In seiner Ahnenreihe musste sich ein Italiener befinden. Er verfügte nicht nur über das südländische Aussehen, sondern auch über das überschäumende Temperament der Italiener.

      Er begrüßte Volker Ahlert und seine hübsche Begleitung persönlich und mit überschwänglicher Herzlichkeit. Er freute sich ehrlich, Tilla und Volker als seine Gäste begrüßen zu dürfen, und er stellte ihnen eine Flasche Valpollicella auf den Tisch. „Auf Kosten des Hauses“, wie er sagte.

      Volker Ahlert wollte protestieren, doch Ermano ließ das nicht gelten. Sigel war wie ein venezianischer Gondoliere gekleidet. Sogar der Strohhut fehlte nicht.

      Aus verborgenen Lautsprechern perlten Mandolinenklänge auf die Gäste herab. Das Lokal war seit der Eröffnung jeden Tag voll. Obwohl Ermano alle Hände voll zu tun hatte, war er nicht hektisch. Souverän und routiniert erfüllte er seinen Gästen die Wünsche und war die Ruhe selbst.

      Auf der riesigen Speisenkarte standen so viele Gerichte, dass sich Tilla nicht entscheiden konnte.

      „Haben Sie schon gewählt?“, erkundigte sich Ermano.

      „Die Auswahl ist so groß ... Da fällt einem die Wahl sehr schwer“, erwiderte Tilla.

      „Mögen Sie es gern scharf?“, fragte Ermano.

      „Sehr scharf?“, fragte Tilla zurück.

      „Man kann es aushalten“, antwortete der nachgemachte Italiener und wiegte den Kopf. „Sie werden keinen Löschtrupp der Feuerwehr benötigen. Das Feuer lässt sich leicht mit ein, zwei Gläsern Valpollicella eindämmen.“

      „Was empfehlen Sie uns?“, wollte Volker wissen.

      „Pizza Diavola“, sagte Ermano. „Und davor einen kleinen sizilianischen Bauernsalat.“

      „Für mich nicht“, wehrte Tilla ab. „Sonst schaffe ich die Pizza nicht.“

      „Na schön“, sagte Ermano. „Nur einen Salat.

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