Скачать книгу

lassen.

      Reverend Pool war sehr schweigsam. Abgesehen von einem kurzem Tischgebet, das er dem Toten widmete, sagte er kein Wort.

      James Stanley war in seinem Schlafzimmer aufgebahrt worden. Falls in den nächsten beiden Tagen die Polizei nicht alarmiert werden konnte, würden sie ihn beerdigen müssen. Jim hatte bereits mit der Herstellung eines Sargs begonnen.

      Doc Caan stocherte auf seinem Teller herum. Er saß neben Bount und flüsterte: „Wenn uns der Schuft Gift ins Essen mischt, sind wir alle auf einen Schlag erledigt.“

      Diese Bedenken hatte Bount nicht. Es ergab keinen Sinn, erst alle herzulocken und anschließend umzubringen. Allenfalls ein Verrückter war dazu fähig. Ein Geistesgestörter aber war kaum in der Lage, einen so raffinierten Plan zur Durchführung zu bringen, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten.

      Peter Brass sah sich immer wieder nervös um. Als Jim geräuschlos hinter ihm auftauchte, erschrak er so, dass er die Schüssel mit dem Salat fallen ließ.

      „Dieser Schwarze schleicht hier wie ein Geist herum“, verteidigte er sich.

      „Seien Sie ohne Sorge, mein Sohn“, meinte Reverend Pool, der neben ihm saß. „Uns kann nichts geschehen, was der Allmächtige nicht gutheißt. Das aber können wir nicht verhindern.“

      Brass musterte den Geistlichen misstrauisch. Anscheinend fühlte er sich veralbert. Dann senkte er seine Stimme und bat: „Kann ich Sie nach dem Essen sprechen?“

      Der Reverend nickte zustimmend und nahm sich noch ein Stück Fleisch.

      Peter Brass wurde merklich ruhiger. Bount folgte den beiden ungleichen Männern mit den Blicken. Sie zogen sich ins Freie zurück, und er konnte nicht hören, worüber sie sich unterhielten.

      Strother Lynch ging ihm aus dem Weg. Bount versuchte zwar, ihn im Auge zu behalten, er wurde aber durch Mabel Taylor abgelenkt.

      Die Achtzehnjährige trat auf ihn zu. Es fiel Bount schwer, dem hübschen Mädchen mit den dunklen Augen einen kaltblütigen Mord zuzutrauen. Er vergaß aber nicht die Fälle, in denen sich wahre Engel als gnadenlose Teufel entpuppt hatten.

      „Ist es wahr, dass Sie Detektiv sind?“, begann Mabel Taylor.

      Bount bestätigte es.

      „Dann müssen Sie uns helfen. Bitte!“ Sie sah ihn flehentlich an. „Meine Mutter ist herzkrank. Sie hält diese Aufregung nicht aus.“

      „Warum ist Ihr Vater nicht hier?“, erkundigte sich Bount.

      „Dad ist tot. Er ist ertrunken.“

      „Wie konnte das geschehen?“

      „Er hat wohl keinen anderen Ausweg mehr gewusst. Da sprang er in den Lake Payette. Das ist jetzt ein Jahr her. Meine Mutter hat seinen Tod bis heute nicht überwunden.“

      Bount überlegte fieberhaft. Der Selbstmord konnte auch genauso gut ein Verbrechen gewesen sein. Wollte Mabel ihn nur von der Wahrheit ablenken? Immerhin hatte sie verhindert, dass er Strother Lynch folgen konnte.

      „Hat Mister Lynch Ihren Vater gekannt?“, wollte er wissen.

      Das Mädchen sah ihn verwirrt an.

      „Sicher nicht. Wir haben ihn erst hier auf der Ranch kennengelernt.“

      Das konnte stimmen oder auch nicht. Bount hatte keine Möglichkeit, auch nur eine Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Das ärgerte ihn am meisten. Er konnte nichts tun, als sich Behauptungen anzuhören. Das war recht wenig, wenn er den Mörder des Ranchers finden wollte.

      „Wir können vorläufig nichts anderes tun, als uns an die Anweisung des Briefes zu halten“, sagte er. „Mister Stanley besaß ein Vermögen. Von uns ist dagegen nicht viel zu holen. Wenn wir also nicht den Kopf verlieren, wird der Mörder vor uns einen Fehler begehen. Darauf sollten wir warten.“

      Es war ein schwacher Trost für Mabel Taylor. Sie verließ ihn mit gesenktem Kopf.

      Bount fragte sich, ob sie nur eine gute Schauspielerin war und ihn hatte aushorchen wollen. Er dachte jedenfalls nicht daran, vorläufig einen der Anwesenden über seine Absichten ins Vertrauen zu ziehen.

      Er kehrte ins Haus zurück. Vielleicht fand er etwas, das Licht in das Dunkel brachte. Irgendeinen Hinweis. Der Rancher hatte vermutlich Schriftstücke hinterlassen. Vielleicht ging aus ihnen hervor, wer durch seinen Tod einen Vorteil hatte.

      Bount begann in dem Raum, in dem der Tote lag. Er durchsuchte dessen Taschen, fand aber nichts außer etwas Geld, zwei Kreditkarten und amtlichen Papieren, die keinen Zweifel über die wahre Identität des Ranchers offen ließen. Dann nahm er sich die Schränke vor. Er ging sehr gewissenhaft zu Werke, doch er wurde erneut enttäuscht. Es fanden sich weder Briefe noch irgendwelche Notizen. Kein Name war auf geschrieben. Nichts. Eigentlich erstaunlich für einen Mann, der mit seinem Tod gerechnet hatte.

      Bount vernahm ein leises Geräusch im Gang. Er schlich zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Er sah gerade noch, wie eine Gestalt davonhuschte. Er hätte schwören können, dass es sich um Strother Lynch handelte. Sofort machte er sich an die Verfolgung, aber der Bursche blieb wie vom Erdboden verschluckt.

      Die anderen hatten wohl schon alle ihre Zimmer aufgesucht. Das gab Bount die Möglichkeit, ungestört in der Küche und den übrigen Wirtschaftsräumen nachzusehen. Die Küche war leer. Tessa hatte für heute ihre Arbeit beendet.

      Bount öffnete sämtliche Türen und zog eine Schublade nach der anderen heraus.

      Plötzlich ließ eine heftige Detonation den Boden unter ihm erzittern. Es hörte sich wie eine Sprengung an. Instinktiv warf sich Bount auf den Boden und schützte mit den Armen seinen Kopf.

      9

      Peter Brass fühlte sich ein bisschen erleichtert. Er hatte den Reverend ins Vertrauen gezogen. Ein Geistlicher unterlag zum Glück der Schweigepflicht. Er durfte sein Geständnis nicht gegen ihn verwenden. Er hatte Pool alles erzählt, was in Los Angeles geschehen war. Nur eins hatte er verschwiegen: dass er am Morgen nicht mehr auf der Ranch sein würde.

      Peter Brass hatte sich noch immer nicht ganz von dem Schrecken erholt, als der Tote plötzlich vor ihm lag. Von seiner Hand erschossen. Dann war da später dieser geheimnisvolle Anrufer gewesen, der genau über ihn Bescheid gewusst hatte. Der Unbekannte wusste von dem Mord an dem Juwelier. Peter Brass hatte sich denken können, welcher Job hier in South Dakota auf ihn wartete. Er sollte wieder einen Menschen töten.

      Wer würde ihm denn glauben, dass er den Rancher nicht erschossen hatte? War er nicht auf das Angebot des Fremden eingegangen? War er nicht ein Mörder?

      Aber was hätte er denn anderes tun sollen? Der Anrufer hatte mit der Polizei gedroht. Wer hätte ahnen können, dass er hier in eine plumpe Falle lief? Sie brauchten einen Dummen, der seinen Kopf für einen Mord hinhielt, den er nicht begangen hatte. Doch so dumm war er nun auch wieder nicht. Okay! Die Sache mit dem Chevy war schief gelaufen. Bei Tage würde ihm auch auf andere Weise die Flucht kaum gelingen. Doch die Nacht war stockfinster, und im Schleichen war er ein Könner. Das hatte er bei seinen Einbrüchen gelernt.

      Keine Stunde blieb er länger hier. Auf seinen Koffer verzichtete er. Den konnte er unmöglich die ganze Strecke mit sich herumschleppen. Außerdem würde das auffallen.

      Besonders dieser Detektiv ließ ihn kaum aus den Augen. Wenn der von der Geschichte in Los Angeles erfuhr, war er geliefert. Lynch hatte eine Bemerkung fallenlassen. Danach war Reiniger ein ganz gefährlicher Schnüffler.

      Peter Brass dachte an Eve, von der er sich nicht mal verabschiedet hatte. Sie wusste nicht, wo er sich aufhielt. Natürlich würde sie inzwischen längst von dem Mord an Bob Seiler gehört haben. Er würde das Mädchen nie wiedersehen. Auch dann nicht, wenn ihm heute Nacht die Flucht gelang.

      Er wartete, bis das Licht in Reverend Pools Zimmer erlosch. Dann schlich er um das Haus herum. Auf dieser Seite lag nur das Zimmer der beiden

Скачать книгу