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mehr. Nervös schlug er mit der Faust gegen die Tür.

      »Jutta!«, rief er. »Jutta, bist du da?«

      Natürlich war sie da, schließlich brannte Licht im Haus.

      »Jutta, warum lässt du mich nicht ein? Jutta, so antworte doch!«, rief er nervös.

      Es musste irgendetwas passiert sein. Die meisten Unfälle geschehen im Haushalt, durchfuhr es Erich Gloger. Man ist zu faul, die Leiter aus dem Keller zu holen, ein Stuhl auf dem Tisch tut’s auch, und wenn das noch nicht reicht, kommt ein Schemel auf den Stuhl, und auf diese wacklige Angelegenheit steigt man dann. Es ist ja nur für ein paar Augenblicke.

      Und dann passiert es.

      Erich Gloger eilte zu einem der Fenster. Er schirmte die Augen mit den Händen ab und schaute ins Wohnzimmer.

      Und dort lag Jutta.

      Reglos.

      Auf dem Boden.

      Wie tot.

      »Um Himmels willen!«, stieß der Mann hervor. Er schlug das Fenster ein und öffnete den Riegel. Dann stieg er über die Fensterbank und ließ sich neben Jutta auf die Knie fallen.

      Sie war mit dem Aufhängen der Vorhänge fast fertig gewesen.

      »Jutta! Liebling!«, Erich Gloger untersuchte sie ganz schnell. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er feststellte, dass sie noch atmete. Soviel er erkennen konnte, hatte sie sich auch nichts gebrochen. Sie war lediglich bewusstlos.

      Gloger eilte zum Telefon und rief die Wald-Klinik an.

      34

      Jemand war an Antje Büchners Tür, doch sie öffnete nicht. Mühelos überhörte sie das Läuten und Klopfen. »Es ist niemand zu Hause«, sagte sie leise. »Wir sind weit weg, mein Baby und ich«

      »Fräulein Büchner, ich bin es: Lutz Bendokat. Bitte machen Sie auf.«

      Es gab ihr einen Stich. Warum musste er kommen?

      Ich kann dich nicht lieben, Lutz.

      Bis vor kurzem wäre das vielleicht noch möglich gewesen, sicher sogar. Aber nun geht es nicht mehr, es ist ausgeschlossen. Bitte lass mich in Ruhe, Lutz Bendokat. Mach nicht alles noch schlimmer.

      »Bitte machen Sie die Tür auf, Fräulein Büchner!«, verlangte der Architekt.

      Ich kann nicht, dachte die werdende Mutter verzweifelt, ich kann überhaupt nichts mehr - außer einem: auf den Tod warten.

      »Antje!«, Das war jetzt eine andere Stimme. »Hier ist Doktor Anders. Bitte öffnen Sie. Ich habe mit Ihnen zu reden.«

      Die Stimme des Chefarztes veranlagte Antje, sich zu erheben. Unsagbar müde fühlte sie sieh. Mit schleppenden Schritten begab sie sich zur Tür und schloss auf.

      Lutz Bendokat sah sie sorgenvoll an. »Lieber Himmel, wie elend sie aussieht, Doktor Anders.«

      »Ich werde sie in die Wald-Klinik bringen lassen. Man wird sie aufpäppeln. Sie wird bald wieder bei Kräften sein«, sagte der Chefarzt.

      Antje Büchner führte sie ins Wohnzimmer und setzte sich. Bleischwer waren ihre Glieder. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal gegessen hatte.

      Alles war so verschwommen und unwichtig.

      Die beiden Männer nahmen Platz.

      »Ich kenne die, ganze Geschichte, Antje«, sagte der Architekt. »Doktor Anders hat sie mir erzählt.« Er griff nach Antjes Hand. »Es wird alles gut.«

      »Das wäre schön«, entgegnete die junge Frau. »Aber leider gibt es bei Neurofibromatose keine Hoffnung, das hat mir Doktor Anders selbst gesagt!«

      »Sie haben recht«, sagte der Chefarzt. »Es stünde nicht gut um Sie und das Baby, wenn jene Frau, die in Hamburg starb, Ihre leibliche Mutter gewesen wäre, aber das war sie nicht. Ich habe mit Ihrem Vater ein langes Telefongespräch geführt. Ihre richtige Mutter hat ihn kurz nach Ihrer Geburt verlassen. Sie war für ihn von diesem Tag an gestorben. Er sprach nie wieder von ihr. Eine andere Frau nahm den Platz an seiner Seite ein, und er ließ Sie in dem Glauben, sie wäre Ihre Mutter. Diese Frau floh mit ihm in den Westen. Keiner von ihnen hatte Papiere. Die Behörden stellten ihnen erst welche aus - und so blieb diese andere Frau vor aller Welt Ihre Mutter. Sie tragen diese Krankheit, an der Ihre Stiefmutter starb, nicht in sich, und auch Ihr Sohn nicht, Antje.«

      Als Antje Büchner das hörte, brach sie in Freudentränen aus, und Lutz Bendokat war zur Stelle, um sie ihr mit seinem Taschentuch abzutrocknen.

      »Gesund«, sagte Antje fassungslos. »Ich bin gesund.«

      »Und das Baby auch«, entgegnete der Architekt. »Und ich liebe euch beide. Wir sollten eine Familie gründen. Ich meine es ernst, Antje. Willst du meine Frau werden?«

      Die werdende Mutter umarmte ihn glücklich, und er küsste sie zärtlich.

      Dr. Anders merkte, dass er überflüssig geworden war. Er wollte sich heimlich davonstehlen, doch Antje bemerkte es und rief, er möge noch einen Augenblick warten.

      Dann löste sie sich aus Lutz Bendokats Armen und begab sich zum Chefarzt,

      Sie drückte ihm einen innigen Kuss auf die Wange und sagte bewegt: »Danke, Danke für alles.«

      35

      In der Wald-Klinik stellte man bei Jutta Sibelius eine mittelschwere Gehirnerschütterung fest. Man würde sie ein paar Tage dabehalten. Das war sehr im Sinn von Erich Gloger, der soviel Zeit wie nur irgend möglich bei ihr verbringen würde.

      Als sie zu sich kam, war er bei ihr. »Erich«, hauchte sie.

      Er streichelte zärtlich ihre Wange.

      »Wo bin ich?« ,fragte sie und schaute sich verwirrt um.

      »In der Wald-Klinik. Sagte ich nicht, wenn du mal ein Bett brauchst... Spaß beiseite. Du hast mir einen Mordsschrecken eingejagt«, antwortete der Krankenpfleger und lächelte.

      »Tut mir leid. Ich war einen Augenblick unachtsam«, meinte Jutta.

      »Von nun an wirst du dir beim Vorhänge aufhängen von mir helfen lassen«, sagte er energisch. »Ist das klar?«

      Sie lächelte matt. »Sei nur streng mit mir. Ich glaube, ich brauche das.«

      »Als ich dich wie tot auf dem Boden liegen sah, wurde mir bewusst, wie sehr ich dich liebe, Jutta. Ich habe mich so sehr an dich gewöhnt, dass ich mir

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