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auch? Aber das hier ist keine neue Masche, ehrlich. Ich …«

      Mila hörte ihm kaum zu. Wie sollte sie ihm erklären, was der Grund für ihre Bestürzung war? Wie sollte sie in Worte fassen, was gerade in ihrem Kopf herumging? Dass sie ihn möglicherweise mit ihrer Geschichte dazu gebracht hatte, die Frau gestern ziehen zu lassen?

      Plötzlich war ihr schwindelig.

      Ihr Blick fiel auf zwei Männer, die durch die Menschenmenge gingen und sich dabei suchend umsahen. Einer von ihnen war groß, breitschultrig und trug einen schwarzen Anzug; der andere Jeans und ein Sakko. Trotzdem erinnerte die Art, wie die beiden sich näherten, Mila an die Kerle auf dem Friedhof. Und mit einem Schlag war alles wieder da, was sie eben dort erlebt hatte. Sie hatte keine Ahnung, ob diese beiden hier es auch auf sie abgesehen hatten oder vollkommen harmlos waren, aber sie würde es auf keinen Fall drauf ankommen lassen.

      Eric war herumgefahren, als er gesehen hatte, wie sie zusammengezuckt war. Und als auch er die beiden Kerle auf sich zukommen sah, fackelte er nicht lange. Bevor Mila sich räuspern konnte, packte er schon ihre Hand. »Komm!« Er zog sie mit sich, quer durch die Menschenmenge hindurch. Geschickt wich er den Leuten aus, schlängelte sich an einem Pärchen vorbei, das vor einem Blumenladen stand und diskutierte. Ein Mann mit einem Gepäcktrolley fuhr ihm beinahe in die Seite und er stützte sich auf den hoch aufgestapelten Koffern ab.

      Mila warf einen Blick zurück.

      Sie hatte sich nicht getäuscht! Die beiden Typen beschleunigten ganz eindeutig ihre Schritte. Der Schwarzgekleidete schubste eine Frau aus dem Weg und schenkte ihr nicht einmal einen Blick, als sie mit einem empörten Aufschrei zu Boden ging.

      Sein Blick war vollkommen auf Mila konzentriert.

      Eric zerrte sie weiter und in vollem Lauf steuerten sie auf die Durchgänge zu, hinter denen es zu den Gleisen ging.

      »Wohin wollen wir?«, keuchte Mila. Sie hatte sich von ihm losgemacht und rannte nun neben ihm her.

      Statt eine Antwort zu geben, bog er auf einen der Bahnsteige ein. Als Mila erneut einen Blick zurückwarf, musste sie feststellen, dass die Typen schon ein ganzes Stück näher gekommen waren. Ob sie auch Waffen hatten?

      »Scheiße!«, wisperte sie, weil der Typ mit dem Sakko wie als Antwort auf ihre Frage im Laufen unter seine Achsel griff.

      Eric warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Die kriegen uns nicht, versprochen!«

      Mittlerweile waren sie aus dem überdachten Teil des Bahnsteigs hinaus ins Freie gelangt. Ein Regendach, das auf geschwungenen und reich verzierten Metallstützen ruhte, überspannte den Bahnsteig. Zwei Polizisten standen herum und beobachteten die Passanten.

      Eric steuerte direkt auf sie zu. »Entschuldigung!« Seine Stimme klang plötzlich sehr viel höher als noch eben. Kindlicher, erkannte Mila, und gleich darauf dachte sie: Schauspieler!

      In ziemlich echt wirkender Panik deutete Eric auf ihre beiden Verfolger. »Die da wollen uns …« Er brach ab, überließ es den Beamten, sich auszudenken, was die beiden wollten.

      Die Blicke der Polizisten zuckten zu den Männern, die augenblicklich stehen blieben. »Was haben sie gemacht?«

      Mila rang um Atem, sie musste dafür nicht im Geringsten schauspielern. »Der eine«, japste sie, »er hat mich begrapscht, und jetzt …« Ihre Stimme kippte weg. Ihr Herz jagte.

      Eric warf ihr einen anerkennenden Blick zu.

      Keine Zeit, ihm zu erklären, dass ihre Angst nicht gespielt war.

      »In Ordnung«, sagte der eine Polizist. »Beruhige dich. Wir kümmern uns darum.« Und zusammen mit seinem Kollegen steuerte er auf die beiden Verfolger zu, die sich nicht ganz sicher waren, ob sie bleiben oder abhauen sollten.

      »Und jetzt?«, wisperte Mila Eric zu.

      Ohne Umschweife schnappte er sich wieder ihre Hand, zog sie mit sich. Eine mehr als mannshohe Bretterwand begrenzte den Bahnsteig am Ende. Eine Baustelle. Mila konnte das obere Ende eines Krans über den Zaun hinwegragen sehen. Das hier war eine Sackgasse! Sie wollte stehen bleiben, aber Eric zerrte sie einfach weiter. »Vertrau mir!«

      Kurz bevor sie den Bretterzaun erreicht hatten, ließ er Milas Hand los. Dann sprang er. Sein rechter Fuß landete auf einem Mülleimer, sein linker stieß sich von der Bretterwand ab. In der Luft vollführte er eine völlig unmöglich aussehende Drehung.

      Und in der nächsten Sekunde hockte er über Milas Kopf auf dem Regendach. Flach warf er sich auf den Bauch, reichte Mila die Hand herunter. »Komm! Schnell!«

      Sie fasste zu und bevor sie protestieren und ihm sagen konnte, dass sie viel zu schwer für ihn war, hatte er sie schon zu sich hochgezogen.

      Einfach so.

      Sie fiel ebenfalls auf den Bauch. Ganz dicht neben ihm blieb sie liegen. Ihr Herz drohte zu zerspringen. »Wie hast du das …«

      »Still!«, zischte er und drückte sie noch flacher auf das Dach. Mit dem Kinn deutete er auf eine Lücke zwischen den Brettern des Zauns. »Die werden denken, dass wir da durch sind.«

      Mila hielt den Atem an.

      Nach einem kurzen Gespräch, in dem der Mann in Schwarz die Polizisten offenbar überzeugte, dass sie nichts Böses im Schilde führten, ließen die Polizisten ihre Verfolger laufen. Keine drei Meter von Mila und Eric entfernt blieben die beiden Männer stehen.

      »Glaubst du, sie sind da durch?«, fragte der Jeanstyp.

      Der Kerl in Schwarz stieß ein Brummen aus, das sehr dunkel klang. »Wohin sollten sie sonst sein? Los, hinterher! Caruel will sie tot sehen.«

      Tot sehen … Die Worte dröhnten in Milas Ohren. Und sie waren einfach viel zu ungeheuerlich, als dass sie sie wirklich fassen konnte.

      Sie biss sich in die Faust, damit ihr kein Laut entfuhr. Erics Gesicht war ganz dicht vor ihr, sie sah seine hellbraunen Augen, den fragenden Ausdruck darin. Warm strich ihr sein Atem über die Wange und sie konnte den schwachen Geruch wahrnehmen, der darin lag. Pfefferminz und Kaffee.

      Unter ihnen quälten sich ihre Verfolger durch das Loch im Zaun, einer von ihnen fluchte dabei leise vor sich hin. Dann waren Schritte auf der anderen Seite zu hören. Kies, dachte Mila wie betäubt. Sie laufen über Kies.

      Gleich darauf war es still.

      Die Erleichterung fühlte sich an wie eine Umarmung.

      »Okay.« Eric wartete noch einen Augenblick, dann stützte er sich auf beide Hände und sprang in die Hocke. Noch immer war er ganz dicht bei Mila. Sie fühlte sich von dem fragenden Blick in seinen Augen wie festgehalten. »Offenbar hab ich mich in nicht nur einer Sache in dir getäuscht«, sagte er.

      Mila war zu zittrig, um zu antworten.

      »Meinte der ernsthaft dich? Was zum Teufel hast du getan, dass solche Typen hinter dir her sind?«

      Das Adrenalin jagte durch ihren Körper, machte sie fahrig und euphorisch zugleich. Sie fühlte sich so lebendig wie noch nie zuvor in ihrem Leben und gleichzeitig war sie sich ihrer eigenen Sterblichkeit noch nie so bewusst gewesen.

      »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«

      Er reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen, aber sie ignorierte sie. Sie rappelte sich aus eigener Kraft auf, weitaus weniger elegant als er.

      Er runzelte die Stirn. Eine ganze Weile lang stand er einfach nur da, betrachtete Mila und versuchte, aus ihr schlau zu werden. Doch dann fing er sich. »Dann finden wir es raus«, sagte er und verschwand vom Dach.

      Einfach so.

      Mila starrte zu ihm in die Tiefe. Für einen Moment hatte sie gefürchtet, er wäre brutal gestürzt, aber er war katzengleich auf den Beinen gelandet.

      Er lachte, dann wies er auf den Mülleimer. »Du kannst entweder auf demselben Weg runterkommen, wie ich hoch bin. Oder du lässt dich von der Kante hängen und ich fange dich auf.«

      Mila

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