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Fakten offenkundig durcheinander brachte.

      »Das ist ausgeschlossen, Sie lügen«, fauchte er. Die Schilderung der Ereignisse konnten seiner Ansicht nach unmöglich wahr sein, die entscheidenden Informationen fehlten. »Ich glaube Ihnen kein Wort Oberleutnant. Niemals hätte der ehrfurchtgebietende Major Friedrich von Arche diese große Lieferung allein gelassen und sie nur in die Hände von Hilfskräften gelegt.« Seine Worte waren voller Verachtung für die einfachen Menschen. Was beide nicht bemerkten, ich, Peter war zwar erst 20 Jahre alt, begriff dennoch, welch ungeheure Geschichte ich soeben hörte. Von Arche versuchte erneut, Druck auf Vater auszuüben, ich hatte genug von der arroganten, geringschätzen Art des Besuchers, stürmte ins Zimmer und stellte mich schützend vor ihn. Im ersten Augenblick war von Arche derartig überrascht, dass er sogar einen Schritt zurückwich. Dann kam seine Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit zurück, er hob die Faust und wollte mich schlagen.

      »Der Krieg ist vorbei, es muss endlich mal Schluss sein. Hören Sie auf, meinen Vater zu belästigen«, forderte ich. Der Mut der Verzweiflung gab mir Kraft, ich entwickelte ungeahnte Verwegenheit und warf, ungeachtet des Titels, von Arche hinaus.‹

      Eva konnte sich lebhaft vorstellen, wie 1955 die Einstellung der Menschen gegenüber von Titeln des Adels war. Sie blätterte weiter in ihrer Zusammenfassung und las,

      ›1955 – 1957 In diesem Zeitraum erfuhr ich immermal wieder einige Details von den Ereignissen aus den Jahren 1940 – 1944. In seinen klaren Momenten befreite sich Vater von dem belastenden Wissen. Für mich, ich bin Anfang 20, war es manchmal schwer, die Erzählungen in der richtigen Reihenfolge zusammen zu setzten. Wenn ich dachte, jetzt alles erfahren zu haben, kamen immer wieder neue Informationen hinzu. Diese Angelegenheit erwies sich als sehr umfangreich und komplex. Vater erzählte von der Umlagerung, manchmal hatte ich den Eindruck, dieses Wissen belaste ihn dermaßen, dass er, um das Geheimnis endlich loszuwerden, in mir, seinem Sohn den so lange gesuchten Major Friedrich von Arche sah. Vater packte mich hart an den Handgelenken, er entwickelte erstaunlich viel Kraft, »Ich muss Ihnen nach so langer Zeit noch eine Botschaft überbringen, Operation Medusa. Herr Major, bitte, ich habe es beim Leben meines Sohnes geschworen, Ihnen den Lagerort mitzuteilen«, waren seine Worte.‹

      Eva markierte den nachfolgenden Text als besonders wichtig. ›Ich war hin und hergerissen, hatte Gewissensbisse, auf die Halluzination zu reagieren. Meine jugendliche Neugier siegte und ich übernahm die Rolle des Major Friedrich von Arche. Froh, letztendlich von der jahrelangen Last befreit zu werden, war Vater aufgestanden, hatte Haltung angenommen, machte Meldung und gab sein Geheimnis preis.

      »Die roten Kisten sind teilweise zerstört, der zerbrechliche Inhalt ist unversehrt. Ich habe ihn in den Totrohren des Fuhrparkgeländes versteckt. Die Männer müssen erst die Belüftungsdeckel der Kanalisation heben, um an die beiden zusätzlichen Rohrstutzen zu gelangen. Die Münzen aus den gelben Kisten sind am Fundamentsockel der gegenüberliegenden Seite vergraben. Etwa 90 Zentimeter tief, acht Meter vom Stubenfenster.« Erleichtert, endlich seinen Auftrag ausgeführt zu haben, sank er unendlich müde in den hinter ihm stehenden Sessel. Die Augen wurden glanzlos und er rutschte zu einem Häuflein Elend in sich zusammen. Ich war sprachlos, was mein Vater soeben gestanden hatte, war die Lösung unserer knappen finanziellen Situation. Um ganz sicher zu sein, alles richtig verstanden zu haben, wollte ich die Angaben noch einmal hören, doch Vater war nicht mehr ansprechbar und total in sich gekehrt. Auf meine Ansprache reagierte er überhaupt nicht mehr. Sogleich begann ich die erhaltenen Informationen in die für mich lesbare Form des Sütterlin aufzuschreiben. Niemand sollte uns die Münzen vor der Nase wegschnappen. Um die Lage besser einzuschätzen, fuhr ich mit dem Rad zum Fuhrparkgebäude wo sich meine schlimmsten Befürchtungen als Tatsache erwiesen. Der beschriebene Ort lag genau in dem seit 1945 besetzten Areal der Amerikaner. Zum Greifen nahe geschätzte 20 Meter entfernt und für mich doch unerreichbar durch einen hohen Zaun mit Stacheldrahtkrone geschützt.‹

      Eva stützte ihren Kopf in die Hände und überlegte, wie sie wohl reagiert hätte. ›Peter musste innerlich fluchend den Heimweg angetreten sein, bis die Erkenntnis, ›Woran ich nicht komme, kommt kein anderer‹ mit Sicherheit ein zufriedenes Grinsen auf sein Gesicht gezaubert hatte. Gleichfalls die Sorge, ›hoffentlich finden es die Amis nicht bei irgendwelchen Bauarbeiten‹, musste Peter lange mit sich getragen haben. Das Gelände war neu aufgeteilt, die Baracken hochgezogen und eigentlich gab es keinen Grund, ausgerechnet die stehenden Mauern des Fuhrparkgebäudes abzureisen.‹ Gespannt las sie weiter.

      ›Die Amis sind schon so lange hier, bestimmt ziehen sie bald wieder ab und geben das Areal frei. Ich durchdachte die unterschiedlichen Möglichkeiten hatte diverse Pläne notiert, und kam zu der Einsicht, entweder warten oder bei Nacht und Nebel versuchen über und durch den Zaun zu steigen. In einem Fachhandel kaufte ich mir eine Knollepetz und kam in der folgenden Neumondnacht zurück. Die ersten Drähte waren schnell durchgezwickt, als mein Unternehmen jäh ein Ende fand. Vor mit tauchte aus der Dunkelheit ein amerikanischer Soldat und hinter ihm, ein deutscher Polizist auf. Die Zange wurde konfisziert und ich bekam glücklicherweise nur eine milde Strafe, eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und unbefugtes Betreten. Wie sie mich so schnell erwischten, konnte ich mir nicht erklären. Später erfuhr ich, dass bereits seit einigen Jahren andere Personen versucht hatten, an fast der gleichen Stelle über den Zaun zu steigen. Ernüchtert und resignierend gab ich mein Vorhaben erst einmal auf.‹

      Hier brachen die Aufzeichnungen ab. Die letzten Seiten waren unsanft ausgerissen, wie die gezackten Ränder in dem Heftrücken bewiesen.

      Eva überlegte, ob das Männer aus der 4er Gruppe gewesen sein könnten, jemand anderer hatte eigentlich keinen Grund unerlaubt das Areal zu betreten. In den beiliegenden Zeitungsausschnitten fand sie die dazugehörenden Artikel. Diese vermehrten Verstöße ließen die Gerüchte erneut auflodern, dass auf dem ehemaligen Flugplatz doch etwas Ungewöhnliches versteckt sei. Wie Vermutungen sich verselbstständigten und die stille Post ihr Übriges tat, wuchsen die Angaben und Inhalt der Berichte, wurden immer kurioser, blähte sich dermaßen auf, bis sogar die großen Tageszeitungen davon berichteten. Diesen gesamten Trubel konnte weder Peter noch die 4er Gruppe gebrauchen.

      Eva und Moritz hatten sich ein weiteres Mal geeinigt, gaben ihrem Zusammenleben eine zusätzliche Chance und versuchten den Neustart ihrer Beziehung. Sie fuhren gemeinsam zur Nepomukquelle, um ein Stück durch den sommerlichen Wald, mit seinem unterschiedlichen grün schimmernden Blätterdach, zu laufen. Die hohen Blütenstände des Fingerhuts leuchteten in kräftigem violett. Die Farne hatten ihre langen grazilen Wedel entfaltet und das Moos auf dem ausgetrockneten Boden verwandelte sich in braune, löchrige Polster. Hier in der freien Natur kamen sie sich wieder näher und nach eingehenden Gesprächen zur Klärung ihrer Situation, bemerkten sie die altbekannte Übereinstimmung ihrer Gedanken und Ansichten. Moritz blühte regelrecht auf, bekam neue Ideen, fand zu seiner früheren Begeisterung des Journalismus zurück. Vielleicht war es dieser anderen Sichtweise geschuldet, dass er sie unvermittelt in den Arm nahm, sie fest an sich drückte,

      »Halt mich jetzt bitte nicht für verrückt, könnte nicht doch einer der Besucher in Deinen und meinen Aufzeichnungen geschnüffelt haben? Ich glaube Dir, Du hast mich noch nie belogen und wenn Du versicherst, nicht meine Notizen zu lesen, dann stimmt das. Es macht mich ganz verrückt, in dieser Ungewissheit zu leben und nicht zu wissen wie es mit mir weitergehen soll. Das hier«, er klopfte auf sein steifes Knie, »Soll mich nicht an meiner Arbeit hindern. Ordentlicher Journalismus braucht nicht zwingend zwei gesunde Beine.«

      »Das ist gut zu wissen und ich kann Dir nur erneut bestätigen, das auch ich mir nicht vorstellen kann von Dir so ausgetrickst zu werden. Ich biete Dir meine Hilfe und Unterstützung an und bin gerne bereit Dich in meine Recherchen mit einzubeziehen, vorausgesetzt Du möchtest nicht etwas eigenes versuchen. Ich teile Deinen Verdacht, das wir erneut ausspioniert werden. Es macht auf mich den Eindruck, als wolle uns jemand bewusst gegeneinander ausspielen, einen Keil zwischen uns treiben. Aber warum? Wer würde so niederträchtig sein?«

      Gemeinsam gingen sie alle Besucher durch, schrieben jeden auf, der die Gelegenheit gehabt hatte an einen der Hausschlüssel zu gelangen. Die Liste war recht übersichtlich. Zusammen überlegten sie, strichen einen nach dem anderen Namen aus und kamen auf kein schlüssiges Ergebnis. Moritz war in seinem Element, er hatte noch sehr genau die Wanzensuche in Erinnerung

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