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verhindert.36

      Dieses und andere neuere Modelle sehen den Menschen ganzheitlich, „als ein strukturiertes, nach außen hin offenes System, dessen Teile in wechselseitiger Beziehung zueinander, zur Gesamtheit und zur Außenwelt stehen. Faktoren, die hier einwirken, sind die eigene Person (verstanden als Einheit von Körper, Seele und Geist), die soziale Umwelt (Mitmenschen, Gesellschaft), die natürliche Umwelt (Wasser, Boden, Luft, Klima), die künstliche Umwelt (Technik und Wissenschaften) und Übersinnliches (Religion, Glaube).“37 Die Deutung und die Heilbehandlung von Krankheiten dürfen deshalb nicht allein auf der körperlich-physiologischen Ebene erfolgen, wie es die Schulmedizin vorgibt, sondern sie müssen Mensch und Gesellschaft mit ihren psychischen und sozialen Determinanten mit einschließen.

      Unter dem Begriff der Ganzheitlichkeit sind therapeutische Grundsätze subsumiert, die sich folglich nicht allein auf die Behandlung des erkrankten Organs, sondern auf den ganzen Menschen konzentrieren. Ebendies ist zwingend erforderlich, denn die kranken Menschen haben eine persönliche Vergangenheit, welche mit dem jeweiligen sozialen Umfeld verwoben ist. Ziel der medizinischen Behandlung darf es nicht sein, einen statistischen Mittelwert herbeizuführen (Pathogenese), sondern es gilt ein neues, individuelles Gleichgewicht zu finden. „Kranksein ist weder auf eine biologische, soziale oder psychologische Dimension zu reduzieren, sondern muss die Gesamtheit der Bezüge aus der Perspektive der Patienten berücksichtigen.“38 Auf diese Weise können die wesentlichen Variablen gefunden werden, um den Menschen wieder auf den erstrebenswerten Pol in Richtung Gesundheit zu bewegen. Nicht die Krankheitsursachen und die Risikofaktoren stehen im Vordergrund der Behandlung, sondern der Prozess des Gesundwerdens und die Gesunderhaltung.

      In der Praxis hat sich der ganzheitliche Ansatz der Salutogenese als äußerst erfolgreich bewährt.39 Ungeachtet dessen praktizieren gegenwärtig die meisten Ärzte weiterhin nach dem klassischen Konzept der Pathogenese, welches auf dem schulmedizinischen Weltbild des 19. Jahrhunderts aufbaut.40 Dies ist fraglos auf die gegenwärtig immer noch traditionellen Inhalte der medizinischen Ausbildungsgänge zurückzuführen. Daneben spielt die Zeitspanne der Anamnese41 (sie beträgt in Deutschland durchschnittlich ca. 7,6 Minuten42, Kritiker sprechen von „Minutenpraxis“) eine ebenso mitentscheidende Rolle. In dieser kurzen Verweildauer beim Arzt kann eine sinnvolle, ganzheitliche Therapie nicht stattfinden.

      Obgleich die medizinischen Modelle – Pathogenese und Salutogenese – im Grundprinzip stark voneinander abweichen, ist die allgemein übliche Behandlungsweise der Ärzte, auch bei offiziell differentem Denkansatz, weitestgehend identisch. Unter Zuhilfenahme der Anamnese und der Auswertung der Untersuchungsergebnisse43 wird eine Diagnose44 erstellt. Diese ist routinemäßig die Grundlage für die Entscheidung über eventuell notwendige Therapien und dient der Prognose über die weitere Entwicklung der Krankheit sowie entsprechender Präventionsmaßnahmen.

      Unser gesamtes medizinisches System ist nach heutigem Stand durchgängig auf dieser konservativen pathogenetischen Verfahrensweise aufgebaut: Wer krank ist, geht zum Arzt und wird hinsichtlich seiner Beschwerden therapiert; wer gesund ist, geht gegebenenfalls zur Vorsorge, andernfalls meidet er nach Möglichkeit die ärztliche Praxis.)

      Ein Beispiel:

      Ein Patient hat hohen Blutdruck. Er geht zum Arzt und dieser verschreibt ihm eine Arznei, um den Blutdruck zu senken. Wirkt das Medikament, so sind Arzt und Patient zufrieden!

      Fatalerweise ist diese Form der Behandlung ein großer Fehler, denn die Frage (bzw. Ursache), weshalb der Patient einen hohen Blutdruck hat, ist nicht beantwortet (bzw. nicht gefunden) und wird meist nicht behandelt.

      Ein Grund könnte Sauerstoffmangel in einem Organ oder im Gehirn sein. Rezeptoren melden dem Gehirn, dass Sauerstoffmangel irgendwo im Organismus vorhanden ist. Der Körper reagiert mit der Erhöhung der Herzfrequenz und damit des Blutdrucks, um den Sauerstoffmangel auszugleichen.

      Durch das Medikament wird zwar der Blutdruck des Patienten gesenkt, das Problem im Organismus jedoch nicht beseitigt. Im Gegenteil: Es könnte sich sogar verschlimmern, da die Signale des Körpers nicht beachtet oder, wie in unserem Fall, ausgeschaltet werden. Es kann zu Gewebeschäden, selbst zu Organausfällen oder Gehirnschlag aufgrund des Sauerstoffmangels kommen.

      Das Beispiel zeigt deutlich, dass die gegenwärtige medizinische Praxis der Symptombehandlung nicht ausreicht, da die konkreten Krankheitsursachen vielfach nicht erfasst und folglich nicht beseitigt werden.

      Dies gilt teilweise auch für die heute neben den allophatischen Techniken und Verfahrensweisen angewandten komplementären Heilmethoden45. So wird beispielsweise auch die Naturheilkunde in der Regel nur dann von den Patienten in Anspruch genommen, wenn konkrete gesundheitliche Beschwerden (Symptome) vorliegen.

      Auch wenn von den Patienten zunächst eine bloße Symptombehandlung erwartet wird, so sind die Therapieansätze naturheilkundlicher Praxen gleichwohl grundlegend anders. Von essenzieller Bedeutung ist gerade hier die umfangreiche, ganzheitliche Analyse der medizinischen Vorgeschichte, und die Therapiemaßnahmen erfolgen auf naturheilkundlicher Basis mit möglichst chemiefreien Substanzen.

      Traurigerweise werden viele komplementärmedizinische Verfahren – obwohl über Jahrhunderte erprobt und erfolgreich angewandt – durch die materialistisch orientierte Schulmedizin vielfach als wenig wirkungsvoll, und deshalb ohne Daseinsberechtigung, diskreditiert. Unterstützt durch die mächtige Lobby der Pharmaindustrie, welche mit den natürlichen Substanzen kein Geld verdienen kann, sowie der fehlenden politischen Wertschätzung, bleiben sie meist unbeachtet. Damit beschneidet sich die Medizin selbst, denn die „natürlichen Heiltherapien“ sind nachweislich überaus effektiv und vermögen die Menschen im Regelfall – ohne Chemie – von ihren spezifischen Leiden zu befreien. Nicht Ablehnung, sondern Komplettierung, vielmehr Bereicherung, muss die Maxime lauten.

      Dieses vorherrschende Vorgehensschema „Krankheit – Arzt – Symptom – Therapie“ in der medizinischen Praxis war de facto nie und ist in der heutigen Zeit definitiv nicht hinreichend geeignet, um die Menschen nachhaltig zu heilen und ihnen ein dauerhaft gesundes und vitales Leben zu ermöglichen. Für bereits erkrankte oder verunfallte Menschen, welche unmittelbar ärztliche Hilfe benötigen, ist die beschriebene Vorgehensweise – ob klassisch, ganzheitlich oder auch alternativ – zweckmäßig und äußerst erfolgreich, und sie wird auch in Zukunft der wesentliche Teil medizinischer Versorgung sein. Für (noch) gesunde und bereits genesene Patienten, die auch gesund bleiben wollen, bedarf es allerdings mehr. Um dieses Mehr zu erreichen, muss eine grundlegende Korrektur in der heilkundlichen Denkweise stattfinden.

      Nicht die Symptombehandlung, also die Reparatur des Organismus, darf ausschließlich im Zentrum ärztlichen Handelns stehen; daneben muss – gleichberechtigt – die detaillierte Theorie und Praxis im Hinblick auf mögliche Vorbeugemaßnahmen Platz finden. Prävention ist die Zukunft der Medizin. Wenn keine Krankheiten ausbrechen, ist keine Symptombehandlung erforderlich! Die Ärzte, ja, alle Heilberufler müssen Vorreiter einer neuen medizinischen Denkweise werden. Sie müssen sich verpflichtet fühlen, ebenfalls Lehrer für Gesundheit zu sein, denn das primäre Ziel heißt nicht mehr Erkrankungen zu bekämpfen, sondern Krankheiten zu verhindern.

      Prävention ist – da sie Krankheiten verhindert – gleichfalls die Chance der Menschen auf ein deutlich längeres und im Alter gesundes und vitales Leben.

      Laut Statista betrug die durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 2020 bei Frauen 84,1 Jahre und bei Männern 79,1Jahre; die Prognose für das Jahr 2060 lautet: Frauen werden durchschnittlich 88,8 Jahre und Männer 84,8 Jahre alt.46

      Altersforscher auf der ganzen Welt gehen davon aus, dass diese Schätzungen, aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, erheblich übertroffen werden können, wenn der Bevölkerung die existenziellen Informationen zur Krankheitsvermeidung – diese sind wissenschaftlich längst bekannt – zur Verfügung stehen würden. Insider sprechen in diesem Zusammenhang von dem „am besten behüteten Geheimnis“ unserer Zeit, denn es ist äußerst zweifelhaft, ob sich der Neo-Kapitalismus zukünftig eine beträchtlich ältere Bevölkerung leisten will!

      Zunächst stellt sich die Frage: Welches Alter kann der Mensch, und zwar in einem vitalen

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