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so bedeutungsvollen Aspekte der traditionellen medizinischen Heilmethoden, der Naturheilkunde sowie der Prävention wären längst – in adäquater Ausbreitung – in die Lehrpläne der medizinischen Studiengänge aufgenommen worden, wenn denn nicht der übermächtige Einfluss bestimmter Interessengruppen wie ein Abwehrschirm auf praktischer, wissenschaftlicher und politischer Ebene in Erscheinung treten würde.

      Die Frage, wer ein ausgeprägtes Motiv an möglichst vielen erkrankten Menschen hat und, in dieser Hinsicht, seit fast zwei Jahrhunderten einen enormen Einfluss ausübt, ist dennoch relativ leicht zu beantworten.

      Cui Bono: Wem zum Vorteil?

      Nutznießer sind in erster Linie die Pharmakonzerne, die Ernährungsmittelindustrie, Unternehmen der Labor- und Medizintechnik sowie Apotheken, die einzig und allein ihre zahlreichen Medikamente und Gerätschaften verkaufen wollen. Dann sind es natürlich auch die Ärzteschaft, Heilberufler und Ernährungsberater, welche bei einer gesunden Bevölkerung ein erhebliches Beschäftigungsproblem bekommen. Aber auch die Krankenkassen profitieren, da die Menschen selbstredend bereit sind, für ihre Gesundheit „mehr“ zu zahlen.66 Nicht zuletzt verdienen auch Medien und Werbeagenturen, die als flächendeckendes und stimmungsmachendes Publicity- und Kommunikationsmittel dienen.

      Speziell die Pharmakonzerne spielen in diesem Bezugsrahmen eine üble Rolle. Aufgrund von „Drittmittelfinanzierungen“67 und „Kooperationsverträgen“ mit den staatlichen Hochschulen bzw. Forschungsinstituten68 sowie durch ihre Optionen, auf politische Entscheidungsträger einzuwirken, verfügen sie über eine latente Kontrolle und Machtposition, vermöge der sie in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Medizin ein erhebliches und richtungsweisendes Mitspracherecht haben.

      Wenn finanzielle Mittel für wissenschaftliche Forschung und Lehre von Konzernen kommen, bleiben sie in der Praxis meist unter Verschluss. Einblicke in die Vertragsinhalte – von öffentlichen Einrichtungen seit Jahren eingefordert – lassen viele Hochschulverwaltungen bis heute nicht zu.69 Es ist zu befürchten, dass die Gelder der Industrie zweckgebunden sind und deren wirtschaftliche Interessen schwerer wiegen als die Freiheit der Lehre. Die Folgen sind leicht prognostizierbar: Mitbestimmungsrecht der Industrie in Forschung, Lehre und bei der Stellenbesetzung.

      Die Institute geben den Einfluss der „leisen Lobbyisten“70 offen zu, mit dem Argument, dass ohne die Gelder der Industrie der erfolgreiche Lehr- und Forschungsbetrieb gefährdet wäre. Ein traurig stimmender Einwand in einem der reichsten Länder dieser Erde.71 Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts kamen auf diesem Weg im Jahr 2015 ca. 1,4 Milliarden Euro aus der Privatwirtschaft an die Universitäten.72

      In letzter Konsequenz bestimmen die Pharma- und Diagnostikhersteller praktisch alles, was an den medizinischen Hochschulen gelehrt wird, aber auch das Hochschulpersonal, Professoren und Dozenten spielen mit. Einerseits sind sie gezwungen, die von der Industrie vorgegebenen Wissenselemente zu vermitteln, da sowohl die medizinischen Gerätschaften und deren Anwendung, ebenso die unterschiedlichen Therapieabläufe und auch die jeweils einzusetzenden Pharmazeutika von ihnen entwickelt wurden. Andererseits werden sie durch Direktzahlungen für Vorträge, Seminare, Veröffentlichungen und Workshops in ein personales Netzwerk eingeschlossen, welches im Sinne der Zahlungsgeber handelt.)

      Objektivität und Unabhängigkeit sind in dieser extrem vernetzten Struktur nicht mehr existent. Das curriculare Ergebnis ist bekannt: Ein medizinisches Lehr- und Lernprogramm für die bloße Symptombehandlung, in dem selbstverständlich die Arzneien, Gerätschaften und Materialien der zahlenden Unternehmen benutzt werden. Dass in diesem Kontext die Themengebiete Gesundheitsvorsorge und Naturheilkunde nur peripher behandelt werden73, ist ein, man muss es so ausdrücken, „Verbrechen an der Menschheit“, aber traurigerweise in unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem, in dem die Gewinnmaximierung alle ethischen Grundsätze außer Kraft gesetzt hat, nicht anders zu erwarten.

      Seit Jahren gibt es für „gutbetuchte, junge Menschen“ die exklusive Alternative an einer privaten Hochschule Medizin zu studieren. Diese Institute finanzieren sich durch die Pharmaindustrie, industrienahe Trägerschaften, öffentliche Zuschüsse und die sehr hohen Studiengebühren74, und ihre Absolventen sind die prädestinierten Nachfolger in den entscheidenden Positionen des gesamten Medizin-Establishments. Wer die Bildungseinrichtung finanziert, der nimmt maximal möglichen Einfluss. Es erübrigt sich bei diesem Sachverhalt über die Institutsstrategie, die Lehrpläne, Vorteilsgewährung und die Sichtweisen der zukünftigen leitenden Mitarbeiter zu sprechen.

      Dieser Interessenkonflikt in den medizinischen Disziplinen ist weitverbreitet und allseits bekannt. Selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrachtet die enge Verstrickung zwischen Politik, Forschung, Lehre, medizinischer Praxis und der Pharma- /Ernährungsindustrie mit großer Sorge.)

      Die jungen Ärzte und Ärztinnen können zunächst nur Kenntnisse und Kompetenzen an die Patienten weitergeben, welche sie in ihrem Studium erlernt haben, und das sind vornehmlich Maßnahmen und Mittel zur Symptombehandlung, die von der pharmazeutischen Industrie zur Verfügung gestellt werden. Dies bedeutet fatalerweise auch, dass den angehenden Medizinern elementare Aspekte der Gesundheitslehre vorenthalten werden, nämlich die so gewichtige Gesundheitsprophylaxe und die seit Jahrhunderten bewährte Naturheilkunde.

      Allein die tradierten Inhalte der Schulmedizin werden gelehrt. Alternative und naturheilkundliche Therapiemaßnahmen und die so wichtige Ernährungsund Bewegungslehre als Gesundheitsvorsorge bleiben unvermittelt und werden überdies in der Hochschullehre und in der Öffentlichkeit in Misskredit gebracht bzw. der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Medien als Stimme des Medizin-Establishments tragen in diesem Kontext eine große Mitschuld, denn sie sind absolut verantwortlich für die Situation, dass fundamentale gesundheitsrelevante Wissenselemente der Öffentlichkeit vorenthalten werden.75

      Diese universitäre Konditionierung der angehenden Mediziner im Sinne der pharmazeutischen Industrie behält über viele Jahre, oftmals sogar über die gesamte praktische Tätigkeit, ihre Wirkung, denn die ehemals erlernten Qualifikationen und Kompetenzen werden über Jahrzehnte in der Praxis angewandt. Obwohl Ärzte sich regelmäßig weiterbilden und neue gesicherte Erkenntnisse zeitnah umsetzen müssen, finden in dieser Angelegenheit de facto keine nennenswerten Fortbildungen statt.

      Generell sind weiterführende Schulungen, vornehmlich bei niedergelassenen Ärzten, ein bekanntes Problem – sie werden in der Regel nicht durchgeführt. Die Argumente vieler Mediziner lauten: Pharmareferenten informieren vor Ort über die momentan aktuellen Medikamente/Gerätschaften, und aufgrund der enormen beruflichen Belastung sind keine Freiräume mehr vorhanden, um sich neuen fachlichen Studien oder alternativen Theorien zu widmen.76)

      Die massive Einflussnahme der Industrie auf die Studierenden beschränkt sich nicht auf die Inhalte der jeweiligen Studiengänge. Bereits während der Ausbildung kommen die zukünftigen Ärzte auf vielfältige Art und Weise in zweifelhaften Kontakt mit Repräsentanten der Pharmaindustrie; Geschenke und kleine Aufmerksamkeiten sind längst allgemein gebräuchlich.

      Klaus Lieb und Cora Koch haben diesbezüglich 2012 eine Untersuchung an acht deutschen Universitätskliniken durchgeführt und festgestellt, dass etwa 65 % der Studierenden zumindest kleine Präsente77 erhielten und ca. ein Viertel der Befragten bereits eine kostenaufwendige Veranstaltung – von der Pharma- und Diagnostikindustrie gesponsert – besucht hatten. War die persönliche Sichtweise der Studierenden in Bezug auf Geschenke der Pharmaunternehmen bei Kontaktaufnahme zu Beginn des Studiums eher skeptisch, so änderte sich die Haltung sehr schnell; vorteilhafte Offerten wurden mehrheitlich angenommen.78

      Auf diese Weise vermittelt Big Pharma den angehenden Ärzten ein positives Bild ihrer Tätigkeit. Fast die Hälfte der Studierenden vertraten laut Lieb und Koch den Standpunkt, dass gesponserte Lehrveranstaltungen hilfreich und informativ sind. 60,4 % fanden sogar, dass Materialien, wie zum Beispiel Arzneimittel, Pockets, Nachdrucke von Publikationen oder Hochglanzbroschüren, ihr Studium fördern. Die Hälfte der Studierenden fand die Annahme von Geschenken in Ordnung, „weil sie sich durch sie nur minimal beeinflusst fühlten, beziehungsweise weil sie glaubten, die schlechte finanzielle Lage, in der sich Studierende meist befinden, rechtfertige dieses Verhalten“79.)

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