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beendet hätte.

      Thomas marschierte am Ufer entlang und suchte nach den Spuren von durstigen Hirschen. Gerry drehte sich endlich um und legte sich auf den Rücken. Vielleicht war es ihr Fehler, dass sie auf gewisse körperliche Erscheinungen bei ihm mit einem Lächeln reagierte, denn er legte einen Arm um sie und mit dem anderen streichelte er ihre Oberschenkel.

      „Thomas könnte etwas merken“, versuchte sie sich verärgert wegzureißen, doch er fixierte sie an der Stelle durch einen starken Griff am Nacken. Das wirkte auf sie immer stimulierend. Ein tiefer Kuss hielt sie fest.

      „Lass es“, bat sie ihn und schob ihre Beine etwas auseinander. Als sie sich überstreckte, um nach Thomas Ausschau zu halten, spürte sie, dass seine Finger in sie eindrangen. Es dauerte eine Weile, bis er seine Finger wieder zurückzog, was bei ihr einen Krampf auslöste. Sie hyperventilierte noch vor Vergnügen, als sie dem Liebhaber androhte, dass nie wieder … Seine Hände machten sie wehrlos, wie der Wind das Schilf. Sie reagierte zwar lebhaft, sinnlich und instinktiv, doch nach der Vollziehung fand eine moralische Gegenreaktion statt. So erfuhr er, dass sie von ihm die Nase voll hatte, dass sie es nicht zuließe, wie ein Gegenstand behandelt zu werden und ihren Mann dadurch zu beleidigen.

      Er lachte, nicht ahnend, dass ihre Beziehung sich einer gefährlichen Kurve näherte.

      Thomas kam zurück. Glücklich, männlich, sicher, dass er auf ihrer „Playlist“ die Nummer eins war.

      „Du liegst hier in der Sonne und ich habe die Paarungsstätte ganz in der Nähe gefunden“, sagte er triumphierend. Gerry lachte laut und Liv bedachte ihn mit einem strafenden Blick.

      Jetzt ging alles kaputt. Diese Jagd. Diese auf den Hof der Hütte gelieferten Kadaver von Hirschkühen. Thomas verfolgte vergebens einen Hirschbullen. Der alte Korbach mit einer Trophäe und Edward, enttäuscht, dass Liv nicht ein einziges Mal mit ihm in den Wald gehen wollte, packten ihre Sachen zusammen und verließen die Hütte.

      Gerry, der stets vergebens versuchte, sie zu einem gemeinsamen „Spaziergang“ zu überreden, wechselte anschließend seine Taktik und hörte damit auf. Eines Abends, als sie oben in ihr Zimmer, in dem sie zusammen mit Thomas schlief, kam, schrie sie vor Schreck. Auf der Wand über ihrem Bett hing ein blutgetränkter Hundeschwanz. Sie lief schreiend die Treppe hinunter. Der Förster, der sie zu beruhigen versuchte, erzählte, dass Herr Gerry endlich einen schon lange gesuchten, großen, wildgewordenen Hund erschossen hatte.

      „Für ihn ist das wohl eine Trophäe“, verteidigte er dessen „Dekoration“. Doch sie interpretierte es anders. Nämlich, dass ihr „witziger“ Liebhaber auf diese Art ihren Ehemann – seinen Feind – symbolisch kastrierte.

      Am nächsten Tag verließ sie die beiden und fuhr zurück nach Berlin.

      Noch in diesem Herbst hatte sie einen Unfall. Als moderne Frau machte sie gerne Sport. Schwimmen, Wasserski – wo sie sich gut präsentieren konnte, und das, was sie am liebsten mochte: Reiten. „Unanständiger Sport“, scherzte sie, um Gerry zu erregen, als sie ihn bei ihren Treffen wie eine Reiterin bestieg. Denn er schaffte es, das verlorene Terrain wieder zu erobern.

      Es geschah vor einem Pferderennen im November. Beim Aufsteigen des Pferdes wurde sie von diesem schmerzhaft an die Boxenwand gepresst. Danach fühlte sie sich schlecht, vermutete einen Rippenbruch, verzichtete auf die Teilnahme am Wettbewerb und ließ sich von Thomas ins Auto stecken.

      Der, wie immer in solchen Fällen, furchtbar aufgeregt, fuhr sie in eine Klinik. Sie musste ihm den Weg sagen, musste diktieren, wann er den Blinker betätigen sollte und vor der Glätte warnen.

      „Pass doch auf, sonst verursachst du noch einen viel ernsteren Unfall!“, schimpfte sie, als er bei roter Ampel eine Kreuzung überfuhr.

      Er nahm ihre Kritik schweigend an. Fuhr langsamer weiter, doch nachdem er in die Straße, wo sich die Klinik befand, abgebogen war, drehte er sich zu ihr um und sagte prahlerisch: „Siehst du? Habe keinen verursacht.“

      „Was hast du nicht verursacht?“

      „Einen Unfall“, antwortete er, doch seine Stimme wurde von dem Krach überlagert, der durch den Zusammenstoß ihres Wagens mit einem abbiegenden Taxi entstand.

      Liv, obgleich wütend, begann zu lachen. Ihre Rippen taten weh, doch sie lachte weiter, bis Tränen flossen.

      „Jetzt werden wir zu Fuß gehen“, sagte sie.

      „Ich nicht“, hörte sie. „Wahrscheinlich ist mein Bein gebrochen!“

      Während Thomas zwei Wochen im Krankenhaus lag, machte es sich Gerry bei ihr bequem. Sie war ratlos. Nicht mal der elastische Verband störte ihn. Nur eine Rippe war gebrochen.

      Einen Tag bevor Thomas entlassen wurde, hatte er wirklich übertrieben. Sie hatte keinen Verband mehr an. Das reichlich mit Wein begleitete Abendessen hatten sie mit einem erotischen Paukenschlag abgeschlossen. Ausgestreckt und auf die Ellenbogen gestützt, spürte sie, wie er sie füllte und weiter unbewegt hielt. Er legte seine Brust auf ihren Rücken und schob ihr ein Weinglas vor das Gesicht.

      So, von ihm gefüllt, nahm sie das Glas und spürte, dass er sein Glas auf ihr Gesäß stellte.

      Mit kreisenden Bewegungen schaukelte er sie. Auf einmal flüsterte er: „Ich sehe mich. Ich sehe mich im Glas. Schade, dass Thomas das nicht sehen kann.“

      Sie befreite sich von ihm. Sein Glas zersprang am Boden. Den Inhalt des ihrigen schüttete sie auf sein Gesicht.

      „Schluss damit! Du bist seiner nicht würdig“, schrie sie, komplett betrunken. „Nie mehr, du wirst sehen, diesmal wirklich nie mehr!“

      So wie eine Frau einen Mann belohnen kann, kann sie ihn in derselbe Art und Weise auch bestrafen. Ein zu eingebildeter Liebhaber kann nur in einer Weise mit dem betrogenen Ehemann gleichgestellt werden – durch Untreue. Liv dachte kurz nach. Edward Korbach kam nicht infrage. Zu offensichtlich wären ihre Absichten gewesen. Solch eine Strafe wäre nicht zielführend. Es ging nämlich darum, dass Gerry sehen müsste, dass es jemanden gab, der besser war als er. Es müsste jemand sein, den er nicht kannte.

      Eine so schöne und attraktive Frau wie Liv konnte natürlich mit einem glücklichen Zufall rechnen. Die männliche Begierde sorgte dafür, dass die Zufälle haufenweise geschahen.

      Ein gutaussehender Jurastudent, der Sohn eines Mannes, der über ihnen wohnte, wurde für diese einmalige Aufgabe auserwählt. Er sollte Gerry, der in seiner Arroganz Liv und Thomas beleidigte, bestrafen. Obwohl eiskalt kalkuliert, erwies sich diese „Initiation“ als viel angenehmer, als erwartet. Doch die eigentliche Befriedigung sollte ihre Beichte vor Gerry werden, die ihn auf die gleiche Ebene wie Thomas degradierte. Auch er war der Betrogene.

      Es war eine köstliche Vorstellung. Sie herrschte über die Emotionen eines entwerteten „König des Lebens“. Über seine bis auf die Grenzen des Obszönen reichende eifersüchtige Neugier. Mit großem Genuss beichtete sie und wunderte sich, wie unersättlich seine Neugier war. Er verlangte von ihr Details, die sie selbst bereits vergessen hatte, obwohl die Muskeln ihrer ermüdeten Oberschenkel noch nicht alles vergessen hatten. Eine wunderbare Möglichkeit der Entwürdigung eines erfolgsgewöhnten Machos. Sie hielt ihn in sich ständig erregt und gleichwohl durch wiederholte Anstrengung körperlich entkräftet. Sie sagte ihm einfach: „Du bist schlechter.“

      Viel, sehr viel Befriedigung gab ihr dieses neue Abenteuer. Der Student sollte ein einmaliges Ereignis sein, dennoch wurde er zu einem konstanten Element ihrer Landschaft. So viel Charme besaß dieser junge Mann. „Was für ein Körper“, jaulte sie unter Gerry, der nicht mal warten wollte, bis sie sich ausgezogen hatte und sie mit seiner glühenden Eifersucht überfiel. Immer wieder fragte er hastig: „War er bei dir? War er wieder hier?“

      Wie könnte er nicht „kommen“. Der Student kam auf die Idee, zu jedem Treffen eine Blume mitzubringen. Zum ersten mit einer, zum zweiten mit zwei …

      „Es sind schon zwölf“, zählte sie zuletzt die Blumen im Blumenstrauß.

      „Du hast ein größeres Schlafzimmer“, sagte er, als er sich, auf die Elenbogen

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