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wurden an dieser Stelle unterbrochen“, erinnerte er sie und setzte sich auf den Sessel, nahm ihre Hand und zog sie zu sich, bis sie sich auf seine Knie niederließ. Er griff sie am Nacken und obwohl sie wusste, weshalb sie hierhergekommen war, war sie sich sicher, dass sie das Richtige tat und dass es so sein musste.

      Sie erwartete überhaupt nicht, dass ihr Abenteuer sich in eine dauerhafte Romanze verwandeln würde. Dass das, was eine wunderbare Überraschung war, zu einem aufregenden Ritual wurde. Dass das erste Treffen „nur mit Ohrringen“ zu einer Tradition werden würde.

      „Ich will dich nur mit Ohrringen sehen“, bat er am Telefon und sie schaute die Tür von Thomas’ Arbeitszimmer an, als sie die Uhrzeit vereinbarte. Ihr Ehemann arbeitete gerade an einem Drehbuch zur nächsten Folge des Fernsehkrimis. Er war nicht nur begabt, sondern auch enorm fleißig.

      „Du kannst dir nicht vorstellen, was für benediktinische Arbeit notwendig ist, um ein perfektes Verbrechen auszutüfteln, doch ich kann es.“

      Sie küsste ihn auf die Stirn. „Ja, du kannst es.“

      Sie war loyal.

      „Thomas soll damit nichts zu tun haben“, unterstrich sie immer dem Liebhaber. Sie lehnte es ab, zusammen mit ihm ins Theater zu gehen. Sie wollte Thomas nicht blamieren. Keine öffentlichen Auftritte, keine Partys. Nicht mal ins Kino waren sie gegangen, damit sie keiner sah. Doch es gab keine Langeweile. Niemals. Nicht mal einen Augenblick. Es dauerte den ganzen Winter, Frühling, Sommer …

      „Mein Gott, ich ziehe mich immer mittags aus“, stöhnte sie einmal. Die Abende verbrachte sie zu Hause.

      Sie war wütend. Ihre Schneiderin hatte ihren Hosenanzug versaut, dazu hatte sie noch zu wenig Zeit. Das erste Mal trennten sie sich, ohne es zu tun.

      Er soll nicht denken, ich sei sein Eigentum, dachte sie, als er sie am nächsten Tag anrief. „Ich bin nicht zu Hause“, sagte sie rüde und beendete das Gespräch.

      Eine halbe Stunde später stand er vor der Tür.

      „Ich komme nicht zu dir, ich komme zu Thomas“, sagte er und schob sie auf die Seite, weil sie wie eine Salzsäule im Wege stand.

      „Du weißt, dass er nicht da ist.“

      „Deshalb komme ich zu ihm. Ich werde warten.“

      „Wahrhaftig eigenartige Sitten“, neckte sie ihn über seine neureichen Brauchtümer, kombinatorischen Geschäfte und Börsenspekulationen. Er blieb unbeeindruckt. Ohne Vertraulichkeiten zu versuchen, machte er es sich in einem Sessel bequem.

      „Ich denke, dass man dem Freund des Ehemannes ein Glas Whiskey aus Höflichkeit anbieten darf“, suggerierte er.

      „Ich muss leider gehen.“

      „Macht nichts. Du kannst mich einschließen, ich werde nichts mitnehmen. Ich habe wirklich etwas mit Thomas zu besprechen.“

      Sie verspürte eine unbestimmte Besorgnis. Als sie vor Kurzem über ihre Befürchtung gesprochen hatte: „Thomas könnte etwas ahnen“, sagte er gelassen: „Wir beide haben Waffen, wir beide wollen dich haben, wir gehen in den Wald und klären die Angelegenheit.“

      „Ein Höhlenmensch …!“

      „In diesen Angelegenheiten sind wir alle Höhlenmenschen“, lachte er und zeigte ihr das abgedunkelte Zimmer mit zugezogenen Vorhängen. Dunkel wie in einer Höhle.

      „Was hast du mit Thomas zu besprechen?“, fragte sie, gedemütigt durch ihre Angst und Neugier. Er hatte vor einigen Tagen gesagt, sie solle sich scheiden lassen. Was konnte er schon wissen, was sie mit Thomas verband?

      „Mit dir habe ich immer dasselbe.“ Er stand nahe bei ihr und sie hatte keine Kraft mehr, zu widerstehen. Sie waren schon mehrere Tage nicht zusammen gewesen.

      „Es geht nicht“, flüsterte sie, als sie wieder sprechen konnte. Mit einem Kuss brachte er sie zum Schweigen.

      „Er kann wirklich jederzeit zurückkommen“, schaffte sie noch zu sagen, während er sie zum Fenster führte.

      „Du wirst sehen, wenn er zurückkommt“, wisperte er, während er ihre Dessous hinunterschob. Auf die Ellenbogen gestützt, stöhnend, empfing sie seine zornigen, mächtigen Stöße. Die Erfüllung kam schnell, sie vereinte die beiden wie immer in derselben Sekunde.

      „Es war abstoßend“, beklagte sie ohne Überzeugung, während sie ihren Slip heraufzog.

      „Ich will es wirklich nicht. Ich wollte es nicht“, verbesserte sie sich. „Du hast mich vergewaltigt.“

      „Gibst du mir endlich den Whiskey“, er versuchte seinen Atem zu beruhigen, immer noch unverschämt.

      „Vergewaltigt?“, fragte er dann mit einem Glas in der Hand. „Tu nicht so als ob. Übrigens eine Frau ist auf eine Vergewaltigung angewiesen. Sie findet bei ihr eine physiologische Genehmigung. Ich könnte es nicht tun, wenn du nicht vorbereitet wärst. Ärgere dich nicht, sonst wiederholen wir es gleich.“

      „Thomas“, flüsterte sie ratlos, denn sie wusste, sie würde tun, was er wollte.

      „Nun gut, doch du kommst morgen …“

      „Um zwei“, antwortete sie und spürte diese köstliche Unruhe des Unterleibs.

      Gerry wartete artig auf Thomas.

      „Hey, mein Alter, ich habe eine wunderbare Nachricht“, begrüßte er ihn in der Tür. „Wir gehen zusammen auf Hirschjagd.“

      ***

      Sie hatte sich überreden lassen. Natürlich von Gerry. Der Wald, die fantastische Jagdhütte. Wir werden zusammen sein.

      „Wir? Und Thomas?“

      „Was soll’s, in Berlin gibt’s ihn ebenfalls“, sagte er lässig.

      Und so kamen sie zusammen. Die Jagdhütte war wirklich ausgezeichnet. Unten ein großes Jägerzimmer. Hirschgeweihe, Leder, vier Sofas. Sie hatte sich nicht von Gerry überreden lassen und bezog zusammen mit Thomas ein kleines Zimmer im Dachgeschoss. Schließlich sollten auch die beiden Korbachs bald kommen.

      Sie war sich nicht sicher, ob es nur an Gerry lag, dass ihr das Ganze angefangen hatte zu gefallen. Der Wald, der glücklicherweise die ganze Zeit in der Septembersonne ruhte. Diese Männer, die unermüdlich hinter dem liebestollen Hirsch her waren. Sie hörte abends sein Gebrüll und empfand eine nicht näher definierte Erregung. Gerry war ständig bei ihr, doch sie war immer noch für ihn unerreichbar. Dieses tolle Gefühl eines Weibchens, das das Aufbrausen des Männchenblutes verspürte. Thomas, obwohl er eigentlich nichts ahnte, war eifersüchtig. Jeden Abend, nach den erschöpfenden Versuchen, den Hirsch aufzuspüren, beschäftigte er sich mit ihr in einer Weise, die sie aus den ersten Flitterwochen in Erinnerung hatte. Und Gerry, der ahnte, was im Zimmer da oben vor sich ging … Eines Tages flüsterte er, er höre dort unten alles, was da oben geschähe.

      „Wie du deine Schlappen abwirfst. Gestern nur einen.“ Er drückte ihre Hand bis an die Schmerzgrenze.

      „Thomas war so leidenschaftlich.“

      Sie liebte diese Rache an ihrem Liebhaber. Sie rettete die Würde ihres Mannes, indem sie den Liebhaber auf die Folter spannte. Und sie blieb ebenfalls nicht von den Wellen der Regsamkeit verschont. Als sie neben ihm auf einem Sessel vor der Hütte saß und sah, wie der Gänserich nah an ihren Füßen sich mit seiner Partnerin beschäftigte und fest ihren Hals mit dem Schnabel hielt … Gerry, der zu ihren Füßen saß, drückte ihren Knöchel, so dass er schmerzte. Sie riss ihren Fuß weg.

      „Thomas!“ Doch sie fühlte eine Schwäche, die es ihr unmöglich machte, aus dem Sessel aufzustehen.

      Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Sie hatten mit der Jagd bisher keinen Erfolg gehabt. Am vierten Tag ließ sich Thomas überreden und begab sich auf den Beobachtungsturm. Im Grunde verachtete er diese Art des Jagens, wo der Jäger hoch über den Bäumen auf die wehrlose Tiere lauerte, die keine Chance hatten, ihn durch sehen oder durch riechen zu entdecken. Diesmal

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