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      „Hallo?“, sagte Julius Berger.

      „Hallo Herr Minister, Friedrich hier.“

      „Ah, Sie sind´s Endlich mal ein erfreulicher Anruf in diesen aufgeregten Zeiten. Schön von Ihnen zu hören. Kann ich irgendetwas für Sie tun?“

      „Ich wollte Sie nur kurz darüber informieren, dass Sie bei unserem letzten Treffen recht hatten. Es gibt tatsächlich ein Rennen um die Mehrheit bei NEWTEC, offenbar im internationalen Stil. Ich habe gerade einen Versuch abgewimmelt, mich zu ködern. Aber ich denke, Sie sollten aufpassen“, berichtete Friedrich.

      „Wie kam das zustande?“

      „Dieser Conrad hat mich kontaktiert, Sie wissen, dieser Cum-Ex-Mann, den die Bank rausgeschmissen hat. Einzelheiten hat er nicht genannt, aber mein Gefühl sagt mir, dass es bei diesen Größenordnungen eigentlich nur China sein kann.“

      „Cum-Ex? Das ist ein böses Krebsgeschwür. Das wächst. Unter uns gesagt: Da stehen wir erst am Anfang. Das wird noch manchen in die Tiefe reißen“, stieg Bergner spontan auf das Thema ein.

      „Aber bleiben wir bei NEWTEC und dem Übernahmeangebot. Wie haben Sie reagiert?“

      „Ich habe Conrad natürlich abblitzen lassen. Warum sollte ich mich darauf einlassen? Das ist auch so eine bombensichere Anlage. Und außerdem weiß ich doch, dass Sie schon per Gesetz wegen den Daumen da draufhalten müssen.“

      „Sie sind ein wahrer Patriot, Herr Friedrich. Wirklich vorbildlich“, hörte er Bergners Stimme.

      „Übrigens, gute Show mit Ihrer Kandidatur für das Kanzleramt“, schob Friedrich nach.

      „Gut, dass Sie das erwähnen. Ja, das läuft im Augenblick ganz gut. Und denken Sie daran, was ich Ihnen angeboten habe: Wenn das Ding läuft, dann sind Sie mein Kandidat für das Amt des Bundeswirtschaftsministers. Ein Mann aus der Praxis, der was vom Geld versteht, und, wie sich wieder zeigt, ein Mann, der nicht nur an sich, sondern auch an die Interessen des Landes denkt.“

      Bergner machte eine kurze Pause, überlegte offenbar.

      „Soll ich Sie da mal ins Gespräch bringen? Nicht direkt natürlich. So, dass man es immer noch abstreiten kann. Aber es könnte die Debatte beleben, einen so erfolgreichen Namen mit auf der Liste zu haben.“

      Friedrich wollte spontan Nein sagen, sein Bauchgefühl riet ihm, besser die Finger davon zu lassen, kein Teil der Ränkespiele der Berliner Politik zu werden. Damit kannte er sich nicht aus. Er war einer, der selber die Kontrolle behalten und sich nicht anderen ausliefern wollte. Der lieber im Hintergrund die Fäden zog und damit jahrelang sehr erfolgreich gewesen ist. Aber dann brach das durch, was er immer zu unterdrücken versucht hatte: die Suche nach Anerkennung. Endlich aus dem Schatten herauszutreten, endlich nicht immer nur der Investor zu sein. In der Fachwelt genoss er selbstverständlich große Bewunderung für seine zumeist gewinnbringenden Investitionen. Die fanden dann im Handelsblatt Erwähnung; doch stets im Kleingedruckten, stets auf den hinteren Seiten. Seit Gertruds überraschendem Tod vor zwei Jahren spürte er diesen Drang noch mehr. Sie hatte ihm Halt gegeben, Erdung, einen Lebensinhalt. Der fehlte jetzt. Herr Minister Friedrich, das klang doch irgendwie gut. Mit am Kabinettstisch zu sitzen, wenn die großen Entscheidungen fielen, auf der Regierungsbank im Bundestag.

      „Wenn Sie meinen …“, hörte er sich sagen. Fast so, als ginge es um einen Dritten, nicht um ihn selbst.

      „Danke, lieber Herr Friedrich. Sie sind wie immer eine große Hilfe. Ich kümmere mich darum“, sagte Bergner und legte auf. Friedrich hielt noch einen Moment das Handy an sein Ohr, unsicher, worauf er sich da gerade eingelassen hatte.

       Kapitel 11

       London

      Es war schiefgegangen. Peter Conrad hatte nicht geliefert. Das war der einfache Sachverhalt. Das große Geld blieb aus - für Conrad, für die Security International und für ihn. Und natürlich für den Auftraggeber im Hintergrund, der keinerlei Verständnis dafür hatte, dass ihm dieser Milliardendeal nicht gelingen würde. Sollte, konnte er das hinnehmen? Es stand viel mehr auf dem Spiel als nur das Geld. Die Reputation der Firma, sein eigener Ruf.

      Joe Miller war gerade von einem langen Lauf durch den Hyde Park zurückgekommen. Seit seiner Militärzeit gehörte das zu seinen festen Routinen und auch bei seinen Einsätzen für die CIA hatte er immer versucht, fit zu bleiben.

      Obwohl er dazu in der Lage wäre, nahm er nicht an größeren Rennen wie dem London-Marathon teil. Zu viele Handybilder, zu große Fortschritte bei der Gesichtserkennung und er wollte lieber keine unnötigen Spuren hinterlassen. Genauso hielt er es mit seiner Lauf-Uhr, die wie alle anderen Fitness-Tracker über GPS gesteuert wurde und ihre Daten auf einen Satelliten sendete, der sie zurück auf die Erde strahlte. US-Truppen in Afghanistan hatten diese Lektion lernen müssen. Weil viele Soldaten Fitness-Tracker trugen, konnte man die Orte nachvollziehen, an denen sie zum Einsatz kamen.

      Er trank eine Flasche Mineralwasser in einem Zug aus und warf sie ärgerlich in die Mülltonne. Sollte er Conrad völlig abschreiben? Welche Möglichkeiten gab es noch, an Friedrich heranzukommen? Er blieb die Schlüsselfigur, ohne die erst einmal nichts ging.

      Hans, den er mit der Observation in Frankfurt beauftragt hatte, hatte von der Blondine berichtet, die bei Conrad eingezogen war. Es dauerte nicht lange, dann hatte er ein Profil geliefert: Fotos, ihre Aktivitäten, ihre ständigen Besuche bei unterschiedlichen Adressen. Es war nicht kompliziert herauszufinden, was sie trieb. Sie war eine Hure, offenbar eine von den teureren. Und sie lebte jetzt bei Conrad. Warum?

      Vielleicht ein Einstieg, wenn sie den Fall Friedrich noch einmal neu aufrollten.

      Fred war seit zehn Minuten überfällig. Miller hasste Unpünktlichkeit - selbst bei ihm. Endlich klingelte es an der Tür.

      „Es gab einen Unfall. Irgendein Idiot hat sich vor die U-Bahn geworfen“, erklärte Fred. „Seit diesem Virus flippen offenbar noch mehr aus als früher.“ Miller nahm es schweigend hin.

      „Es hilft nichts, wir müssen uns diesen Friedrich nochmal ganz gründlich vornehmen. Keiner ist ohne Fehler, jeder hat eine dunkle Seite. Vor allem, wenn er so viel Kohle hat. Geld ist immer der richtige Ansatz. Hör dich um, setz unsere Experten da dran. Sie sollen alles durchgehen, weltweit. Hörst du: alles, wirklich alles. Ich will Ergebnisse, und zwar schnell.“

      Er ging zu der Kommode herüber, öffnete sie und holte die Whiskeyflasche heraus. Er füllte zwei Gläser und reichte eines davon an Fred weiter.

      „Verdammt nochmal, Fred! Wir haben schon so vieles geschafft, wir werden doch jetzt nicht aufgeben.“

      Fred prostete ihm zu.

      „Und sag Hans, er soll sich ganz besonders diese Blondine noch mal genauer ansehen. Ich glaube, ich sollte selbst mal mit ihr reden.“

       Kapitel 12

       Berlin

      Julius Bergner war pünktlich. Es war genau acht Uhr, als er Unter den Linden das Café Einstein betrat, das mit seiner roten Markise um Aufmerksamkeit warb. Die Morgensonne hatte das Brandenburger Tor, das sich unweit am westlichen Ende der Straße erhob, in strahlendes Licht getaucht.

      „Ihr Gast ist schon da“, sagte einer der Kellner, der ihn regelmäßig bediente, wenn er sich im Einstein mit Vertretern aus der Politik, den Medien oder aus der Welt der Wirtschaft verabredete. Von den Wänden schauten Schwarz-Weiß-Fotos von Willy Brandt, aber auch mehrfach Marilyn Monroe aus großen, braunen Holzrahmen auf die Gäste hinab. Auch an diesem Morgen waren die Tische im hinteren Bereich bereits gut besucht, an denen in Berlin so viele Fäden gezogen, so viele vertrauliche Gespräche geführt wurden. Alles informell, alles ohne Protokoll, aber dafür umso gewichtiger. Der Kellner führte ihn an vielen bekannten Gesichtern vorbei, Gäste, die nur kurz aufschauten, knapp nickten und sich dann wieder ihren Gesprächspartnern zuwandten. Wer sich hier traf, der gehörte zum inneren Zirkel. Niemand wunderte sich, Bergner hier zu sehen und auch nicht, dass er sich mit dem BILD-Mann einließ.

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