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doch mit rein.“ Ich brauche seine Nähe. Vielleicht weckt sie mich aus diesem elenden Traum. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Achim meiner Bitte tatsächlich nachkommt. Er zieht sich das Oberteil des seidenen Pyjamas über den Kopf und dann die Hose aus. Eine unvergleichliche Verfehlung. Achim akzeptiert sie, ich auch, mitten in der Nacht, noch halb im Schlaf, nicht fähig dieser Versuchung zu widerstehen. Er steigt zu mir in das aufschäumende, blutig rote Wasser und setzt sich hinter mich, beide Arme um meine Hüften geschlungen. In einer fast zögernden Bewegung legt er das Kinn auf meiner Schulter ab. Sein langsames, gleichmäßiges Atmen erinnert mich an meine eigene Erschöpfung. Zäh drängt sich die Müdigkeit an dem schmerzhaften Brennen von Knöcheln und Rücken vorbei. In einer beruhigenden Stetigkeit fließt das Wasser in die Wanne, ein angenehmes Hintergrundrauschen, ähnlich wie das Fahren von Autos und das Plätschern von Regen. Achim tippt den kleinen Strohhalm vor meinem Bauch an. In einem tiefen Seufzen senkt sich seine Brust. „Du solltest die Augen schließen. Es ist spät.“ In wenigen Stunden muss ich am Tisch zum Brunchen erscheinen, bereit für leichte Konversation und erfolgversprechende Investitionen. Mein Kopf nickt von ganz allein. Wenn ich das nächste Mal aufwache, dann liege ich in meinem Bett, Achim neben mir. Ein Zimmermädchen wird mich wecken oder im schlimmsten Fall der Wecker, sollten die Angestellten ihre Pflicht versäumen. Achim küsst meinen Hals, während seine Finger meine Arme hinauf und hinunter fahren, den Schmutz fortwaschen, der ebenso irreal ist wie diese gemeinsamen Momente in der Badewanne. Mutter würde den Verstand verlieren, wüsste sie, dass mein Verlobter und ich gemeinsam ein Bad nehmen. Es widerspricht jedem Anstand. Sollte jemals jemand hiervon erfahren… Ich möchte mir darüber nicht den Kopf zerbrechen. Nicht jetzt, während ich seinen warmen Körper an meinem spüren darf, Schmerzen in den Venen, die mir den Atem rauben. Das leise Plätschern des Wassers, kaum dass wir uns bewegen, und das Rauschen des Wasserhahns lassen mich einnicken. Ich spüre das Gewicht von Achims Kopf auf meiner Schulter, während ich der Erschöpfung nachgebe.

      „Um Himmels Willen!“ Ich reiße die Augen auf und fahre nach oben. Ein leises Schwappen von lauwarmem Wasser, das meine Haut restlos aufgeweicht hat. Hinter mir drückt Achim mich ein Stück von sich und macht Anstalten, sich zu erheben. „Es wäre freundlich, würden Sie mir ein Handtuch reichen und vor der geschlossenen Tür auf mich und die Dame warten“, sagt Achim glatt, während ich noch versuche, mich an das grelle Licht zu gewöhnen, das unbarmherzig auf uns hinabstrahlt. Das Zimmermädchen nickt hastig. Kramen wird laut, dann das Schließen der Tür. Achim atmet erleichtert auf und steigt aus der Wanne. Das Wasser spielt seine Melodie und lässt mich schaudern. Die Müdigkeit hängt in Wolken über mir.

      „Kommst du raus?“ Bei Achims Frage hebe ich träge den Kopf. Der Schaum hat sich aufgelöst. Durch die rötlichen Wellen fällt es leicht, meine Knöchel zu erkennen. Brandblasen ziehen sich den linken hinauf wie ein grausiges Tattoo. Der Strohhalm piekt mich in den Bauch. Ich schlafe noch immer. Meine Oberarme haben inzwischen eine bläuliche Färbung angenommen. Mein rechtes Knie ist oberflächlich aufgeschürft, den Rücken will ich nicht näher betrachten. Mein Zustand bleibt unwirklich, so sehr, dass es mir nicht einmal gelingt, auf die Füße zu kommen. Wie skurril, obskur, krankhaft doch das Ganze hier ist. „Chrona? Komm bitte her.“ Achim hält mir ein Handtuch auf. Das eigene hat er sich bereits um die Hüften gebunden. Allein sein autoritärer Tonfall lässt mich gehorchen. Dieser kühle Unterton, der keinen Widerspruch duldet, zieht mich an Fäden auf die Beine, als wäre ich eine willenlose Marionette. „Natürlich.“ Meine Stimme klingt hölzern und so weit entfernt wie diese ganze, seltsame Situation.

      Ganz der Gentleman, zu dem er erzogen wurde, hilft Achim mir aus dem Wasser und legt mir das Handtuch um die Schultern. „Ich schicke dir die Bedienstete herein.“ Nicke ich? Achim haucht mir einen sanften Kuss auf den Mund. „Wir sprechen später.“ Es zieht wie in einem Nebel an mir vorbei, wie er geht und sie kommt, irgendetwas zu mir sagt und auf eine Antwort wartet, die ich ihr nicht geben kann. Ein statisches Rauschen hat sich in meine Ohren geklammert und lässt mich dumpf geradeaus blicken.

      Etwas unwirsch drückt sie mich auf den Stuhl vor dem Spiegel und beginnt damit, mich zurechtzumachen. Meine Unterlippe wurde aufgebissen. Während ich geschrien habe? Es braucht Unmengen von Make-Up, um die Male an meinen Armen zu überdecken und mit jedem Tupfen, jedem Pinselstrich, jeder Berührung, kehre ich ein Stück mehr in dieses Badezimmer zurück, in dem sie mich zurechtmacht für den Brunch. Ich kehre mit dem Kopf zurück in eine Welt, in der ich Blessuren trage, die nicht hierhergehören.

      Ein weiteres Mädchen erscheint, sorgt sich um mein Haar, die nächste sich um die demolierten Fingernägel. Wann genau sind sie abgebrochen? Die Brandwunde an meinem Rücken bringt die Angestellten zum Tuscheln. Sie tragen eine Lotion auf. Für den heutigen Brunch war ein kurzes, rückenfreies Kleid angedacht. Es fühlt sich an, als müssten wir umdisponieren.

      Mein Kindermädchen spricht mit mir. Das mausbraune Haar fällt ihr in die müden Augen. Wie lange sie letzte Nacht wohl wach war? Als ich bemerke, dass sie auf meine Antwort wartet, richte ich mich auf. „Entschuldige bitte, was hast du gefragt?“ Sie verzieht den Mund. Der Lippenstift wurde nicht sorgfältig entfernt. Dünne Farbspuren, unsichtbar auf die Entfernung, ziehen sich unsauber um ihren Mund. „Woher Ihr diese Brandwunden habt.“ Aus dem deutschen Mittelalter. Der Gedanke lässt mich um ein Haar kichern. „Ich weiß es nicht.“ Oder habe zumindest keine taugliche Erklärung dafür. „Es könnte schwierig werden Euch in dem geplanten Kleid makellos wirken zu lassen“, wirft eine mir unbekannte Angestellte ein. Verbindlich lächle ich sie an. „Ich bin zuversichtlich, dass die Besten dazu fähig sein werden, einige Wunden verschwinden zu lassen. Andererseits sind sie kaum die Besten und sollten ihr Handwerk nicht an mir erlernen.” Meine Aussage ist unmissverständlich. Die Bedienstete presst die Lippen fest aufeinander. Blicke werden getauscht, deren Bedeutungen mir momentan gleichgültiger nicht sein könnte. Es dauert Ewigkeiten, bis der Großteil der Angestellten das Badezimmer verlassen haben und mich mit einem Zimmermädchen alleinlassen.

      „Ich habe einen Brief für Euch erhalten”, sagt es. „Er lag auf der Schwelle zu Ihrem Apartment.“ Stur betrachte ich mein Spiegelbild. Ich möchte die Zeilen nicht lesen. Nichts weiter als mein Name prangt auf dem blütenweißen Umschlag. Nummer sieben und allein bei dem Gedanken an den möglichen Inhalt dreht sich mir der Magen um. Die ersten Worte des gestrigen Briefes stehlen sich in meine Erinnerung.

       Der Mond treibt mich zur Turmuhr. Oh schlüge sie die Stund, oh kämest du, mein Engel, hinab vom Himmel.

      Haftet der Gestank von verbranntem Fleisch noch immer an mir? Das Wasser ist aus der Wanne gelaufen. Vereinzelte rote, duftende Striemen sind auf der hellen Oberfläche zurückgeblieben. Gemeinsam mit einem einsamen Strohhalm.

      „Ich lasse Euch einen Moment allein“, sagt die Angestellte. Sie knickst vor mir. Meine verlängerten und neu modellierten Fingernägel kratzen an dem Papier und reißen es auf. Der Inhalt ist vergilbt. Die Handschrift lässt mich stutzen. Handelt es sich um meine eigene? Unmöglich. Ich zittere am gesamten Körper, als ich zu lesen beginne, atemlos und restlos aus dem Konzept gebracht. Nie habe ich einen Brief geschrieben und ihn an mich adressiert. Eine kranke Fälschung?

      „Es wird für mich schwer werden, das Folgende nachzuvollziehen. Der Gedanke mir die Vorfälle selbst zu erklären, imponierte mir. Schlussendlich ist es simpel: Manche Flüche sind die größten Geschenke und ich wünsche mir nichts, als dieses Geschenk in das zu verwandeln, was es tatsächlich ist. Ich kann versichern, dass mir lediglich bei meinem ersten Sprung ernstzunehmende Verletzungen zugefügt wurden. Jede Zeit beinhaltet ihren eigenen Zauber und ihre eigenen Tücken. Die Kontinuität zu erkennen und die Sprünge zu lenken, ist das Ziel, bei dem ich tatkräftige Unterstützung finde. Ich bringe die Bitte an, dem zu vertrauen, der es bei dem nächsten Vorfall dieser Art anbietet. Was ohne diese Unterstützung geschieht, will ich nicht erfahren müssen. Es ist seine ganz eigene Qual zu wissen, dass jede neue Entscheidung alles bis hierher Erlebte in ein neues, kaum verständliches Licht rücken wird, weswegen Affekte dringend zu vermeiden sind. In keiner Zeit werde ich allein sein. Die Sprünge sind nichts, was gefürchtet werden muss. Man sollte über sie schweigen.“

      Keine Unterschrift. Sie ist nicht notwendig. Das hier ist meine Schrift. Diesen Ausdruck erlernte ich mühsam durch meine Eltern und Achim. Dieser Brief ist der Beweis dafür,

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