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seinem Glas schwappt. „Meistens Schlechtes“, keucht er. Kleine Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn. Er sollte sie sich abtupfen lassen. Kokett lächelnd schüttle ich den Kopf. „Sie haben einen ausgezeichneten Ruf in den wichtigen Kreisen.“ Vor allem als jemand, der schnell und dubios Geld zusammenscheffelt, das ihm jeder kluge Mensch wieder abluchst. Meine Eltern treiben nur aus einem einzigen Grund Geschäfte mit den Brüdern: Weil sie eine zuverlässige Geldquelle sind.

      „Sie müssen mir wirklich nicht schmeicheln, Chrona“, keucht der dickliche Ungar. Ich würde mich an den Kräftigeren der Brüder halten. Er scheint weder Verstand, noch eine hohe Toleranzschwelle gegenüber Alkohol zu besitzen. „Bei ihrer Kompetenz handelt es sich um einen Fakt“, korrigiere ich Mister Garbarscek charmant und lehne mich zurück. Der Kellner schenkt mir das Wasser ein und ich führe das Glas zum Mund, lächle den Oligarchen darüber hinweg augenzwinkernd an. „Wäre es anders, säßen Sie kaum mit uns beim Brunch”, sage ich. „Haben Sie von den Austern probiert? Hier werden die vorzüglichsten serviert, die ich jemals zu mir nehmen durfte.“ Der Mann lacht grölend auf, so laut, dass ich leicht zusammenzucke. Achim legt mir unter dem Tisch eine Hand auf das Bein und drückt beruhigend meinen Oberschenkel. Ich sehe auf zu ihm. Achim ist so aufmerksam, so offen und mir zugeneigt. Weil er spürt, dass ich ihn so dringend brauche wie die Luft zum Atmen?

      Unwillkürlich verschränke ich meine Finger mit Achims. Nur noch wenige Wochen, dann können wir über dem Tischtuch Händchen halten. Ich träume mich dem Tag entgegen.

      „Sie sind die gefährlichste Hölgy, die ich je gesehen habe“, gluckst der dickliche Oligarch. Sein dünnerer Bruder lächelt schmal und zupft sich an dem Schnurrbart. „Sie ist und bleibt der Clark-Spross“, sagt er. Eine sanfte Warnung schwingt in seiner Stimme mit. Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem winzigen Lächeln. Unstrittig.

      „Und wunderschön dazu.“ Der spanische Monarch betrachtet mich intensiv über sein Glas hinweg. „Sagen Sie, Chrona, ist das Gerücht wahr, dass Sie bereits vergeben sind, oder würde es sich für mich lohnen, Ihnen meinen Sohn vorzustellen.“ Seinen Sohn? Ich habe das vage Bild eines brünetten, jungen Mannes vor mir, der stolz die Orden auf der Brust trägt. Ein durchaus attraktiver Mann, der die Macht hortet und vermehrt. Würde ich Achim nicht seit vier Jahren kennen, sein Zusammenzucken würde ich nicht bemerken. Doch so ist der Schimmer von Unsicherheit derart offensichtlich, dass seine kleine Regung beinahe einer gänzlichen Entgleisung gleicht.

      Langsam legt Achim unsere verschränkten Hände auf den Tisch, so, dass man meinen glänzenden Verlobungsring erkennen kann. „Die Hochzeit ist auf den einundzwanzigsten Juni datiert“, sagt Achim glatt.

      Die Mundwinkel des Spaniers zucken leicht. „Dem entnehme ich, dass Sie der künftige Bräutigam sind.“ „So ist es.“ Achim drückt meine Hand noch einmal fest, ehe er sie loslässt und sich dem Kellner hinter sich zuwendet.

      „Er scheint erstaunlich eifersüchtig zu sein.“ Der Monarch schmunzelt. Mit ruhigen Händen zerlegt er seinen Fisch. „Sie scheinen eine Frau zu sein, für sie es sich zu kämpfen lohnt.“ Ich lächle schwach. „Haben Sie Gegenteiliges erwartet?“ Der König schweigt, bleibt mir eine Antwort schuldig und lädt sich stattdessen Kaviar auf den Teller. Innerlich zucke ich die Achseln und wende mich wieder den ungarischen Oligarchen zu. „Da haben Sie den Herrn aber gekränkt“, stellt der Schlankere von beiden fest. „Mit Sicherheit hat er Sie bereits neben seinem Sohn thronen sehen. Sein neues, glänzendes Kronjuwel.“ Ich verziehe leicht den Mund. Das ist nichts, was ich anstrebe. Lediglich schmückendes Beiwerk? Das vermag jedes Kind. Allerdings eine Frau zu sein, die hinter den Kulissen die Geschäfte lenkt, dafür braucht es Raffinesse, eine gute Erziehung und die gnadenlose Rücksichtslosigkeit, die man mir in die Wiege legte. „Dort, wo ich jetzt stehe, bin ich doch am glücklichsten“, antworte ich dem schlanken Oligarchen und nehme einen weiteren Schluck aus dem Wasserglas.

      Frische Obstplatten werden aufgetragen und der erste Wein entkorkt. Das fruchtige Aroma verbreitet sich langsam im Raum. Die kleinen Augen des kräftigeren Ungarn richten sich auf die kunstvoll geschnitzten, exotischen Früchte. „Eine sehr schöne Zusammenstellung haben Sie hier“, sagt er und grinst mich an. Der Kellner schenkt ihm nach. „Beinahe so atemberaubend wie die junge Gastgeberin.“ Mir wird keine Gelegenheit gegeben, etwas zu erwidern.

      Achim bedeutet dem Angestellten, den Stuhl hervorzuziehen und erhebt sich. Bietet mir seine Hand an. Sacht hebe ich eine Braue. „Dürfte ich dich für ein paar Minuten entführen?“, fragt Achim mich sanft. Ich kämpfe meine Überraschung nieder und setze das gleiche, charmante Lächeln auf wie immer. Tue so, als wäre es nichts Ungewöhnliches, dass mein Verlobter mich bei einem offiziellen Essen darum bittet, mit ihm gemeinsam den Raum zu verlassen, scheinbar ohne sich darum zu scheren, was die Anwesenden über unser Verschwinden denken könnten. Wenn die Öffentlichkeit hiervon erfährt, wird das Tuscheln kein Ende nehmen. Wir verstoßen gegen jede Etikette. Achim tut das. Weil er sich um mich sorgt? „Natürlich.“ Meine Antwort ist dem Kellner Befehl. Fast lautlos wird mein Stuhl zurückgezogen. Ich stehe auf und lege meine Hand in Achims. Mutter nickt uns knapp zu, während Achim und ich den Saal verlassen, unzählige Blicke im Rücken.

      Schweigend gehen wir ein paar Meter bis zu der verglasten Rückwand des Korridors. Dort angekommen, blickt Achim sinnierend auf die Straßen unter uns. Menschen wuseln wild umher, eine graue Mischung aus bedeutungsleerem Leben. Ampeln schalten um, Läden werden betreten und verlassen, oft beladen mit Tüten.

      „Du standest heute Nacht völlig neben dir“, stellt Achim nach einigen schweigsamen Minuten fest. Er lässt meine Hand nicht für eine Sekunde los. Seine Berührung schenkt mir mehr Kraft, als ich mir eingestehen möchte. „Ich habe mich ernsthaft um dich gesorgt.“ Ich schlucke. Diese intime Form der Gefühle hat er nicht einmal zu unserer Verlobung geäußert. Ein kurzer Kuss, der die Presse erfreut und zeitweiliges Händchenhalten, aber mehr nicht. Überschwängliche Nähe würde sich nicht gehören. Umso mehr schockiert mich Achims Wortwahl, die an den zweiten Gefühlsausbruch binnen von Minuten grenzt. Sorge?

      „Mir ist selbst nicht ganz begreiflich, was letzte Nacht geschehen ist.“ Achim nickt und streicht mir schweigend eine der Locken aus dem Nacken. „Den Eindruck hast du auf mich gemacht, ja.“ Kurz zögert er. „Mich beschäftigt in erster Linie: Hat man dir mutwillig wehgetan?“

      Männerhände scheinen für einen Moment an meinem Kleid zu reißen und den Mantel von meinen Schultern zu ziehen. Sie stoßen mich vor sich her, heben mich hoch und tragen mich wie Vieh über den Schultern, behandeln mich wie Abschaum. Der Mann, der das Stroh vor meinen Füßen anzündete, lächelte. Die Erinnerungen haben sich fest in meinen Kopf gebrannt, dabei ist nichts davon je geschehen. Darf nicht geschehen sein. Wäre es anders, würde es bedeuten, dass ich den Verstand verlöre und obendrein auch noch mit einem triftigen Grund. Dem Grund, dass ich durch Zeit und Raum gereist bin. Ich muss die Person finden, die mir das angetan hat, bevor sie ein weiteres Mal zuschlagen kann und mich in eine verschleierte, mittelalterliche Welt schickt, die schon lange nicht mehr so existiert.

      „Ich weiß nicht, ob man handgreiflich wurde“, wispere ich und klammere mich fester an Achim. Meine Hände wirken winzig auf dem schwarzen Stoff seines Jacketts. Winzig und blass. „Alles, woran ich mich erinnere, ist nicht wahr.“ Flehend sehe ich zu ihm auf, suche Bestätigung. „Es ist nur eine kranke Einbildung. Jemand muss mich unter Drogen gesetzt haben und…“ Ich halte inne, höre selbst wie erbärmlich ich klinge. „Bitte sage ihnen nichts davon. Meine Eltern würden umkommen vor Sorge.“ Was geschieht mit den Anlagen in meine eigene Modekette? Wenn die Gründerin instabil wirkt, wäre das ein gefundenes Fressen für sinkende Kurse. Wie ernst kann man die Gesellschaft meiner Familie noch nehmen, wenn die Tochter auf psychiatrische Behandlung angewiesen ist? Verhandlungspartner würden wegfallen und Investitionsriesen nicht länger auf unsere Unterstützung pochen. Ich kann es mir schlichtweg nicht leisten, dass Details meiner Zweifel an die Öffentlichkeit geraten.

      Achim schüttelt leicht den Kopf und schlingt beide Arme um mich. Jede Angst, jede Sorge rückt in den Hintergrund. Er umarmt mich in einem frei zugänglichen Korridor. Vergräbt das Gesicht in meinen Haaren. Das Herz springt mir aus der Brust, klopft so laut, dass er es hören muss. Jeden Moment könnte jemand um die Ecke biegen und uns sehen. Ganz genau

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