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      Am späten Nachmittag machte die Sweet Travelling die Leinen los und ging in den Strom. Brazos McCord stand an der Reling des Achterdecks und sah auf die schäumende Gischt, die durch das seitlich am Schiff angebrachte Schaufelrad aufgeworfen wurde. Kapitän Biggelow hatte keine Segel setzen lassen. Er überließ es der Kraft des Schaufelrades und der Maschinen, das Schiff über den Golfstrom zu setzen. Langsam entfernte sich die Sweet Travelling von der Landzunge und eine leichte Brise wehte zu Brazos McCord heran.

      Es war schon sehr lange her, seit er sich an Bord eines Schiffes befand und gestand sich ein, dass es ihm gefiel. Von der Seefahrt verstand er nicht viel. Er machte sich auch keine allzu großen Gedanken darüber. Das überließ er erfahrenen Leuten wie dem Kapitän und dessen Mannschaft.

      Cole Ketchum war sicher unter Deck im Maschinenraum untergebracht. Zudem war er angekettet, bedeutete also keine Gefahr für die ahnungslosen Passagiere. Auch seinem Schecken Pedro ging es gut. Es versprach, eine angenehme Reise zu werden, wenngleich diese keine vierundzwanzig Stunden dauern würde, bis sie die Galveston Bucht erreicht hatten.

      Brazos drehte sich schmunzelnd eine Zigarette. Mochte dieser fettleibige Marshal Hardesty sein, wie er wollte. Aber die Idee mit dem Schiff war ein guter Einfall von ihm gewesen.

      Langsam füllte sich das Deck mit den Passagieren. Brazos McCord erkannte viele Frauen unter ihnen. Sie waren teuer gekleidet und traten vornehm auf. Alles an ihnen schien auf großen Reichtum schließen. Vom Kapitän hatte er viel über diese Reisegruppe erfahren. Brazos entfachte ein Streichholz, führte es in der hohlen Hand an die Zigarette und beobachtete dabei, wie sich immer mehr das Deck füllte und sich Menschen an die Reling drängten.

      Es musste herrlich sein, einen Daddy mit viel Geld zu haben und sich das Leben mit einer Fahrt entlang der Küste zu versüßen. Einfach nur so zum Spaß, sinnierte er und räumte gleichzeitig ein, dass es ihm selbst im Grunde auch nicht viel anders erging. Seit jeher hatte er eine Rastlosigkeit im Blut, war von einer Ranch zur nächsten gezogen und hatte sich oft als Trailman verdingt, um große Rinderherden von Texas nach Kansas oder Missouri zu treiben. Der Unterschied zwischen jener Reisetruppe und ihm war lediglich, dass sie einen Haufen Geld hatten, und er nicht.

      Der Wind trug das Geschnatter Vereinzelter zu ihm herüber. Eine Frau fiel ihm besonders auf. Sie war auffallend hübsch, schlank und recht groß. Sie löste sich von einer Gruppe, stellte sich etwas abseits an die Reling und blickte mit arrogant erhobenem Haupt auf die sich immer weiter entfernende Landzunge. Ihr dunkles Haar flatterte munter im Wind. Brazos McCord erkannte trotz ihrer Schönheit die arroganten Züge einer verwöhnten Aristokratin, die es gewohnt war, alles zu bekommen, wenn sie nur mit den Fingern schnippte.

      Brazos fragte sich insgeheim, wie sie wohl wäre, wenn es all den Luxus und das viele Geld um sie nicht geben würde. Nein, dieser Typ Frau lag ihm nicht sonderlich. Er dachte nicht im Entferntesten daran, mit ihr ein Gespräch anzufangen. Zum Teufel, was hätte er dieser verwöhnten Schönen auch sagen wollen?

      Etwa so etwas wie: »Mylady, es weht doch ein ziemlich heftiger Wind. Sie könnten sich hier oben an Deck erkälten. Darf ich Sie unten im Salon zu einem Glas Sekt einladen. Dort ist es sicherlich wärmer und angenehmer zu ertragen.«

      Zum Teufel damit, fuhr es ihm angewidert durch den Kopf. Da halte ich lieber meine Klappe!

      Brazos McCord nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und schnippte sie anschließend über Bord. Als er sich gerade abwenden und gehen wollte, trat Kapitän Biggelow an ihn heran. Er räusperte sich und sagte: »Nun, Mister McCord, wie fühlen Sie sich an Bord eines Schiffes, das voller Aristokraten ist?«

      Dieser Frage entnahm Brazos McCord, dass dieser Käpt‘n alles andere als erbaut über die Gesellschaft war, die er entlang der Küste schippern durfte.

      »Keine Beanstandungen, Käpt‘n Biggelow. Was mich betrifft.« Er grinste und setzte hinzu: »Aber sollten die hochwohlgeborenen Gäste mitbekommen, dass sich unten im Maschinenraum ein zweifacher Mörder eingeschlichen hat, dürfte es wohl die zarten Gemüter in Aufregung versetzen, was?«

      »Um Gottes Willen, Mister McCord. Das ist natürlich unbedingt zu vermeiden. Ich würde in Teufels Küche kommen, wenn der ehrenwerte Mister du Mauret jemals Wind davon bekäme. Aber ich glaube, das wäre mir so ziemlich einerlei.« Der Kapitän grinste und zwinkerte Brazos dabei zu.

      Brazos legte den Kopf schief. »Ich habe so das unbestimmte Gefühl, dass es nicht allein an dem Geld gelegen hat, das ich Ihnen in Ihre Hände gelegt habe, stimmt‘s?«

      Biggelow griente bis über beide Ohren. »Stimmt.«

      »Dachte ich mir.«

      »Mister McCord, ich will ehrlich zu Ihnen sein. Ich habe für Menschen nicht viel übrig, die sich in Reichtum und Wohlstand sonnen und andere für sich arbeiten lassen, um noch reicher und verwöhnter zu werden. Schlimm für mich, mitanzusehen, wie diese Menschen dann auch noch herablassend auf andere herunterblicken, denen es nicht vergönnt ist, mit Geld nur so um sich zu werfen. Keiner von denen«, er deutete mit einer missbilligenden Kopfbewegung zur Seite, »dürfte jemals ernsthaft gearbeitet haben. Und das Wort Verantwortung würde ein Fremdwort in ihren Augen sein. Und was diese reizende Gesellschaft hier an Bord der Sweet Travelling betrifft …«, er winkte verächtlich ab, sammelte sich und fuhr fort: »Nun, Sie dagegen sind ein ganz anderer Schlag, McCord. Ich zolle Bewunderung einem Mann, der den Mut aufbringt, ganz allein einen Mann wie Cole Ketchum zu überführen. Eine Aufgabe, bei der diese versnobte Gesellschaft dort jämmerlich scheitern würde.«

      »Freut mich, dass Sie‘s so ansehen, Käpt‘n.«

      »Glauben Sie mir, Mister McCord. Es hat eine Zeit gegeben, in der ich eine solche Expedition wie diese hier strikt abgelehnt hätte. Ich bin schon zu ganz anderen Zeiten zur See gefahren, hatte so was nie nötig. Aber wenn man älter wird …« Er brach ab und ergänzte die fehlenden Worte durch ein mitleidiges Lächeln.

      In diesem Augenblick trat eine Frau an sie heran. Sie war mittelgroß, dunkelblond und mit etwas sehr üppigen Proportionen. Zu üppig, um richtig schlank zu sein. Ihre Kurven zeichneten sich unter ihrem eng anliegenden Abendkleid deutlich ab. Alles an ihr war etwas zu rund, dennoch war sie hübsch und sich gewiss dessen auch bewusst. In ihren großen, haselnussbraunen Augen zeigte sich der Glanz von Überheblichkeit, als sie sich dem Kapitän zuwandte, und gleichzeitig aus den Augenwinkeln Brazos McCord betrachtete.

      »Wie ich sehe, haben Sie einen neuen Passagier mit an Bord genommen, Kapitän Biggelow. Ich hätte es doch sehr begrüßt, wenn ich von Ihrer Handlungsweise unterrichtet worden wäre.« In ihrer Stimme klang der typisch nasale Tonfall einer Aristokratin.

      Biggelows Haltung versteifte sich. »Miss du Mauret, darf ich Ihnen Texas-Ranger Mr Brazos McCord vorstellen?«

      Sie warf Brazos einen Blick zu, der ihm nicht gefiel. Es war, als betrachtete sie einen geringgeschätzten Gegenstand. Es fehlte nur noch das Rümpfen der Nase. Das blieb allerdings aus.

      Vorerst jedenfalls.

      »Ein Texas-Ranger? An Bord dieses Schiffes? Was ist, Ranger, wollen Sie uns alle verhaften?« Ihr Spott gefiel ihm noch weniger. Brazos spürte, wie leichter Zorn in ihm aufkeimte. Bevor er sich eine Antwort abringen konnte, hatte sie sich wieder dem Kapitän zugewandt.

      »Kapitän Biggelow, in Zukunft wünsche ich, dass ich darüber unterrichtet werde, wenn Sie jemanden an Bord nehmen möchten. Es ist das Schiff meines Vaters, wenn ich Sie daran erinnern darf.«

      Der Kapitän setzte zu einer Erwiderung an. Aber Brazos McCord kam ihm zuvor.

      »Langsam, Lady. Der Käpt‘n und ich sind alte Compadres. Ich bat ihn, mir ‘nen kleinen Gefallen zu tun, wenn er mich mit dem Kahn hier bis zur Galveston Bay bringt. Nichts Aufregendes also. Kein Grund, deshalb gleich die Nerven zu verlieren.«

      Miss du Mauret stemmte die Hände in die Hüften. »Sie verfügen über eine seltsame Ausdrucksweise, Mister Texas-Ranger, oder was Sie darstellen sollen! Und ich weiß nicht, ob mir das gefällt. Wohl eher nicht, denn sie klingt primitiv.«

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