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Strich eine höhere vierstellige, mir Respekt einflößende, Summe vor dem Komma zeigt. Diese muss ich nun erst einmal innerhalb einer Frist von zwei Wochen überweisen, ohne zu wissen, wie viel ich davon wieder zurückerstattet bekomme, denn Eigenanteile müssen immer geleistet werden.

      Apropos Respekt: Ich könnte mir vorstellen, dass es sicherlich nicht verkehrt wäre, wenn auch nicht privat versicherte Patienten erfahren würden, welche Summen ihre Krankenkassen für ihre Genesung ausgeben. Vielleicht würden sie dann unser Gesundheitssystem mehr zu würdigen wissen und nicht alles für selbstverständlich ansehen. Viele neigen dazu, über das hohe Niveau auf niedrigem Niveau zu meckern.

      Die vier Wochen zuhause sind schnell um. Nun heißt es wieder, den Koffer zu packen. Auch Strümpfe werden eingepackt. Doch wer soll sie mir in der Reha-Klinik anziehen? Eine vor mir niederkniende Frau oder gar ein anderer Mann? Nein, meiner wollte der einzige sein und so sucht er im Internet eine Selbsthilfelösung und fand den Handtuchtrick: Das Handtuch von beiden Seiten zur Mitte zusammenfalten, in den Strumpf einführen, dann mit dem Fuß Stück für Stück durch die Handtuchschiene in den Strumpf rutschen und das Handtuch wieder herausziehen. Funktioniert super! Gut, dass er erst jetzt auf die Idee kam, danach zu suchen. Die persönliche Zuwendung war schöner.

      Auf zur Reha!

      Einen Tag nach Weihnachten trete ich pünktlich meine Reha an. Die Reha-Klinik befindet sich gleich wenige Meter neben der OP-Klinik. Und auch hier erwartet mich das schon bekannte Prozedere: Aufnahme an der Rezeption, Datenabgleich, Datenspeicherung … Daten, Daten und nochmals Daten … Als alle Zweifel darüber ausgeräumt sind, das ich es auch wirklich bin, erfolgt die Zimmereinweisung durch eine nette Schwester. Mein Technik-Mann will für mich gleich alle Schalterfunktionen der Zimmertechnik erforschen, drückt aber leider auch gleich den Notrufknopf. Und was soll ich sagen …? Er funktioniert wirklich! Die nette Schwester erscheint sofort flotten Schrittes und … bleibt trotz des falschen Notrufs freundlich.

      Wenig später erhalte ich einige Formulare zum Ausfüllen. Sie kommen mir sehr bekannt vor. Immer wieder die gleichen Fragen. Kann man nicht gleich die Unterlagen von der Operation nehmen? Von Bürokratieabbau und Papierersparnis keine Spur. Jeder füllt hier sein eigenes Archiv. Aber ich habe ja schon gelernt … nichts ist umsonst.

      Auch beim ärztlichen Aufnahmegespräch gibt es ein Déjà-vu. Wahrscheinlich verlässt sich kein Arzt auf das geschriebene Wort des anderen, falls er die Schrift überhaupt lesen kann. Nach der körperlichen Untersuchung zur Feststellung der Bewegungsfähigkeit des operierten Beins werden die Reha-Maßnahmen festgelegt.

      Am ersten Tag bekomme ich mein Mittagessen noch auf der Station. An zwei Tischen stehen sechs verschlossene Gedecke bereit. Ob sich wohl unter jedem Deckel das gleiche Essen befindet? Jedenfalls ist nicht zu erkennen, ob hier Vorlieben beachtet werden, vegan, vegetarisch, mit Fleisch oder Diät. Ich könnte ja jeden Deckel kurz anheben, traue mich aber wegen der Hygiene nicht. Ich entscheide mich für ein Gedeck und finde eine Bulette mit Gemüse, Kartoffeln und Soße. Ausreichend! Kein 5-Sterne-Hotel-Essen! Aber das hatte ich ja auch nicht erwartet.

      Der Hunger ist gestillt und ich lasse die ersten Eindrücke auf mich wirken: Die Flure sind funktionell, doch kahl und ungemütlich. Sie wirken eher wie in einem Knast. Damit habe ich zwar keine Erfahrung, stelle es mir aber so vor, nachdem was man aus Filmen so kennt.

      Im Flur befinden sich neben Informations-Tafeln auch für jeden Patienten ein Briefkasten, der so oft wie möglich kontrolliert werden soll, damit veränderte Therapiepläne rechtzeitig zur Kenntnis genommen werden.

      Die Zimmer wirken trotz eines „Gemäldes“ und des sehr schönen Klinik-Kalenders wie ein typisches Krankenhauszimmer. Für die drei geplanten Wochen wird es schon auszuhalten sein, denke ich.

      Den Therapiebereichen wurde hinsichtlich der Ausgestaltung mehr Aufmerksamkeit gewidmet. An den Wänden sind viele Bilder zu bewundern und „Grüne Inseln“ erhöhen den Wohlfühleffekt. Ähnlich wohnlich ist die Ausstattung im sehr großen Speisesaal.

      Die Essenzeiten gefallen mir nicht so. Ich gehöre zur ersten Schicht: um 7 Uhr Frühstück, um 11.15 Uhr Mittagessen und bereits um 17.15 Uhr Abendbrot. Die zweite Schicht ist jeweils eine Stunde später eingetaktet. Aber irgendwie muss die Masse ja versorgt werden.

      Da die Klinik als ursprüngliche Tuberkulose-Heilanstalt mitten im Wald an einem See liegt, bietet sich hier eine herrliche Landschaft zum Wandern, sofern man dazu in der Lage ist. Außer der schönen Umgebung wird den Patienten seitens der Klinik viel Abwechslung direkt vor Ort geboten. Tagsüber laden mobile Verkaufsstände mit den unterschiedlichsten Angeboten zum Geldausgeben für Mode, Bücher, Schmuck, Kosmetika, Taschen und andere notwendige oder weniger notwendige Dinge ein. In regelmäßigen Abständen kann man sich auch ohne Talent in Koch-, Mal- beziehungsweise Schmuckgestaltungskursen ausprobieren. Eine Bibliothek, Billard, Tischtennis, Darts und natürlich immer wieder die Nutzung der herrlichen Wanderwege durch den Wald und um den angrenzenden See lassen keine Langeweile aufkommen. Naturliebhaber können allerhand Wildtiere beobachten. Angefangen beim bereits wiederholt genannten Damwild, über Füchse, Wildschweine, Eichhörnchen, Enten, Gänse, Schwäne und Eichelhäher, bis hin zum Seeadler, der regelmäßig über dem See seine Kreise zieht.

      Der abendliche Fernsehfrust kann durch ein gutes Angebot von Kulturveranstaltungen bekämpft werden. Zaubershows, Kabarett, Konzerte und Filme werden kostenlos angeboten. Na, wer das nicht nutzt, ist selber schuld!

      Eine besondere Freude ist es immer wieder, die Küchenfrauen täglich zu erleben. Sie sind freundlich, hilfsbereit und stehen in ihren Startlöchern parat, um das ausgewählte Frühstücks- und Abendessen von Patienten mit Gehhilfen zu deren Platz zu bringen. Das Mittagessen wird dank eines ausgeklügelten Bestellsystems kurz nach dem Platzieren jedem Patienten am Tisch serviert. Das klappt perfekt.

      Die Küchenfrauen sind aber nicht nur freundlich und hilfsbereit, sie sind auch auf eine lustige Art schlagfertig. Vielleicht wurden sie sogar für nörgelnde Patienten in einem speziellen Rhetorik-Lehrgang geschult. Das Essen ist zwar qualitativ gut, trotzdem nutzen wir zunehmend Belanglosigkeiten, um die Küchenfrauen durch Fragen scherzhaft zu provozieren, um dann mit Spannung ihre Reaktion zu erwarten.

      Frage: „Auf dem Plan stehen doch Kartoffelklöße, die hier schmecken jedoch eher nach Grieß.“ Antwort: „Wees ick nich. Sowat esse ick nich.“

      Der Tischnachbar will sein Rhabarber-Kompott nicht essen. Diesmal kommt die strenge Frage beim Abräumen von der Küchenfrau: „Wer hat denn hier sein Kompott nich jejessen?“ Mein Nachbar gibt es zu: „Ich. Nach Spaghetti mit Käse-Soße und Grüne-Bohnen-Salat wollte ich das vorsichtshalber nicht mehr.“ Ihre Reaktion: „Na, so schlimm wird’s wohl nich werden. Kommt doch allet in die gleiche Grube.“

      Hängt in der Küche vielleicht eine Liste mit möglichen „Beschwerden“ der Patienten und den empfohlenen Antworten?

      Frage: Gibt es heute kein Gemüse zum Essen?“ Antwort: „Doch, Se ham doch Petersilie uff de Kartoffeln.“

      An einem anderen Tag steht Wildschweinkeule auf dem Speiseplan, auf dem Teller liegt jedoch nur ein kleineres Stückchen Fleisch. Frage: „Das ist alles! Wo ist denn die angekündigte Keule?“ Antwort: „Die hat Obelix!“

      Das Kompott sieht auf den ersten Blick wie Vanillepudding aus, ist aber höchstwahrscheinlich nur Vanillesoße, die eine rötliche Masse versteckt. Skeptisch fragt eine Dame: „Ist das unter der Soße eventuell Grütze, die ich nicht esse?“ Die Küchenfrau reagiert prompt: „Na, wenn da sowat drunta is, würd ick’s ooch nich essen!“

      Frage: „Die Pilze schmecken irgendwie säuerlich.“ Antwort: „Na, dann denken Se sich die süß.“

      Frage: „Warum gibt es statt der angekündigten Spirellis Spaghetti?“ Antwort: „Wahrscheinlich hatte die Köchin die Lockenwickler noch inne Haare.“

      Feststellung: „Der junge Mann hat sein Kompott schon wieder nicht gegessen.“ Reaktion: „Sowat würd ick ooch nich essen.“

      Und dann gibt es wiederholt nicht eindeutig definierbare Kartoffel(?)klöße.

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