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Tabletten überhaupt wissen, wohin sie gehören. Acht davon, vier davon und zwei davon. Ich habe die Hoffnung, dass es auch mal wieder ohne funktionieren wird.

      Eine Schwester nimmt mir noch Blut ab, eine andere misst die Temperatur. Ein wenig später werden meine Kühlakkus, mit denen ich den Wundbereich kühlen soll, gewechselt. Der operierte Oberschenkel fühlt sich sehr heiß an, besonders im Bereich der Narbe. Eine Schwester stellt mir verschiedene Getränke bereit. Wiederum nach kurzer Zeit kommt der Reinigungsdienst und eine andere Schwester tauscht die Handtücher aus. Irgendwann kommt auch wieder die Schwester mit dem Speiseplan für den nächsten Tag.

      Und plötzlich sitzt auch die Schmerztherapeutin zum ersten Mal an meinem Bett. „Und welche Schmerzen haben Sie auf einer Skala von 0 bis 10?“, möchte sie von mir wissen. „Ich habe keine Schmerzen.“ Sie schaut mich ungläubig an. „Na klar haben Sie Schmerzen.“ Ja, was soll ich dazu sagen? Auf wundersame Weise scheint sie meine nicht vorhandenen Schmerzen als vorhanden zu spüren. Sie möchte von mir gerne eine Zahl haben: „Sie muss ja nicht hoch sein. Wollen wir uns auf Fünf einigen.“ Ich weiß zwar nicht, wozu dies gut sein soll, also gebe ich ihr eine Vier. Damit ist sie sehr zufrieden und kann etwas in ihren Laptop eingeben. Ich bin auch zufrieden, weil ich den berühmten Wundschmerz, aus welchen Gründen auch immer, nicht habe. Und solange ich keine falsche Bewegung mache, habe ich wirklich keine Schmerzen. Dennoch bin ich unsicher und frage mich, was eine falsche Bewegung wäre. Aber das wird mir mein Körper dann schon sagen …

      Am Nachmittag bekomme ich endlich den erfreulichsten Besuch. Mein Mann ist super zufrieden, mich so fit zu sehen. Stolz filmt er mich bei meinen Gehversuchen und fotografiert das große Pflaster auf der Narbe. Alles wird per WhatsApp an die Kinder und Enkel gesendet, die schließlich mitfiebern und wissen wollen, wie es ihrer Mutter und Oma geht. Da frischer Kuchen gebracht wird, können wir gleich noch zusammen Kaffee dazu trinken.

      Zwischendurch kommt eine Mitarbeiterin der Sozialberatung. Es geht um die Beantragung der Reha. Später, mein Mann ist wieder nach Hause gefahren, heißt es noch einmal laufen üben. Im Beisein der Physiotherapeutin üben wir den Wechselschritt und das Treppensteigen. Im Wechselschritt gehe ich dann stolz zum Abendbrot, natürlich mit den Gehhilfen als Unterstützung.

      Der Tag ist im Nu vorbei und doch ist noch kein Ende in Sicht. Plötzlich heißt es, den Bauch frei zu machen für die Thrombosespritze. Oh, oh, Spritzen mag ich ja überhaupt nicht und schaue vorsichtshalber gar nicht erst zu. Ehe ich überhaupt etwas gemerkt habe, hat die Schwester den Akt auch schon erledigt. Hat sie überhaupt gespritzt?

      Bei der abendlichen Kontrolle werde ich noch gefragt, ob ich schon Stuhlgang hatte. Nein! Mir wird erklärt, dass das nicht ungewöhnlich sei. Durch die Narkose und die starken Schmerzmittel wird der Darm träge. Aber das reguliere sich schon wieder.

      Zur Nacht stellt sich mir die „Nachteule“ vor. Das ist die Schwester, die nur Nachtdienste macht. Sie kann das mit ihrer Familie sehr gut vereinbaren und muss nicht zwischen den einzelnen Schichten zirkulieren. Morgens bringt sie die Frühstücksbrötchen mit, und wenn der Sohn zur Schule geht und der Mann zur Arbeit fährt, legt sie sich schlafen. Mal eine ganz andere Lebensphilosophie, aber für eine „Eule“, denke ich, ganz normal.

       Vierter Tag:

      Ich werde von der Nachtschwester gegen sechs Uhr geweckt. Das heißt, eigentlich bin ich sowieso wach, denn ich konnte so gut wie gar nicht schlafen. Es fällt mir sehr schwer, in der Rückenlage den gewünschten Schlaf zu finden. Auf der Seite zu liegen, geht überhaupt nicht. Um den Rücken zu entspannen, bin ich immer wieder aufgestanden und ein paar Schritte durchs Zimmer gelaufen. Vielleicht bin ich kurzzeitig mal weggenickt, aber als Schlaf würde ich das nicht bezeichnen. Die Nachtschwester verabschiedet sich. Sie beendet für heute ichren Dienst, kündigt mir noch die Visite an und wünscht mir einen guten Tag.

      Zur Visite erscheint mein Operateur mit zwei weiteren Ärzten und der Stationsschwester. Seine Fragen nach dem Befinden und nach Schmerzen kann ich zur allgemeinen Zufriedenheit beantworten. Er schaut sich noch mein Bein an. Natürlich ist es noch geschwollen, was aber normal sei. Das Pflaster ist trocken, also nicht blutig, was auch ein gutes Zeichen ist. Die Hitze im Bein ist ebenso normal, deshalb soll es auch weiterhin gekühlt werden. Ansonsten ist er mit meinem Zustand sehr zufrieden. Und das mit dem Stuhlgang wird sich auch wieder regeln.

      Der Tag verläuft dann ähnlich wie der vorangegangene. Und doch gibt es bereits kleine Fortschritte zu verzeichnen. Mit etwas Geschicklichkeit kann ich mir schon mal die Hose alleine anziehen. Mit den Strümpfen klappt das allerdings noch nicht, da brauche ich weiterhin die Unterstützung der Schwester oder bleibe einfach barfuß. Eine erste Flexüle wird beseitigt, da mir zum Glück kein Blut mehr abgenommen werden muss. Bei der Physiotherapie werden neue Übungen eingeführt. Da ich immer noch keinen Stuhlgang hatte, bekomme ich ein Abführmittel. Und die Schmerztherapeutin stelle ich heute mit einer Drei zufrieden. Na bitte, geht doch!

      Ansonsten besteht der Tag aus einem Wechsel von Naturbeobachtungen, oder daraus, ein Buch oder die Zeitung zu lesen, fernzusehen, zu telefonieren oder eine Decke für meine Enkeltochter zu stricken, was beim Pflegepersonal zur Bewunderung führt.

      So vergeht auch dieser dritte Tag wieder sehr schnell. Er endet im Grunde genommen mit der Begrüßung durch die Nachtschwester, die auch nachfragt, ob es mir schon besser geht. Klar geht es mir insgesamt und den Umständen entsprechend gut, wenn ich mich nur nicht so aufgebläht fühlen würde. Ich hatte immer noch keinen Stuhlgang. Sie versichert mir, dass das normal sei, aber ich könne es ja mal mit einem Glas Buttermilch oder Sauerkrautsaft probieren. Das seien sichere Hausmittel. Jetzt weiß ich auch, warum zu den Essenszeiten ungewöhnlicherweise stets Buttermilch im Angebot ist. Ich hatte mich schon gewundert. Also wofür entscheide ich mich? Sauerkrautsaft hört sich für mich nicht so schön an. Mit Buttermilch habe ich kein Problem. Und so ist die Nachtschwester auch gleich noch so nett und bringt mir davon ein Glas.

       Fünfter Tag:

      Das mit dem Schlafen wird schon besser, zumindest hatte ich das Gefühl, auch mal eine Stunde tief geschlafen zu haben. Außerdem grummelt es im Unterleib. Das Abführmittel oder die Buttermilch oder beides in Kombination zeigen ihre Wirkung. Der Arzt kontrolliert zur Visite wieder mein Bein und ist zufrieden. Er deutet an, dass ich wahrscheinlich schon übermorgen wieder nach Hause kann. Na, wenn sich das nicht gut anhört …

      Mit Eifer mache ich meine Bewegungsübungen und verzeichne wieder kleine Fortschritte. Am besten kann das auch mein Mann einschätzen, der mich heute wieder besuchen kommt und staunt, wie gut ich schon im Wechselschritt „losmarschiere“. Die Ankündigung meiner schnellen Heimkehr erfreut ihn ebenfalls.

      Die Schmerztherapeutin kann nun auch endlich akzeptieren, dass ich wohl doch keine Schmerzen habe und halbiert die Tablettenration. Vier Stück weniger! Juchhu!

      Die Schwestern entfernen schließlich auch die restlichen Flexülen. Das deutet wirklich alles auf eine gute Genesung und eine baldige Entlassung hin.

       Sechster Tag:

      Es wird hauptsächlich ein Tag der Unterweisungen. Ich erfahre, wie es zu Hause weiter gehen soll, und worauf ich achten muss. Meine Medikamentenration wird nochmals minimiert und, da das Wochenende vor der Tür steht, bekomme ich die Dosis für die ersten Tage mit nach Hause. Am Montag muss ich dann für alle Folgemaßnahmen bis zur Rhea zu meinem Orthopäden gehen. Ich bekomme auch noch eine letzte physiotherapeutische Unterweisung mit Übungen für zu Hause.

      Folgende Hinweise sind in den nächsten Wochen zu beachten:

      - Bis vier Wochen postoperativ sollte am operierten Bein ein Kompressionsstrumpf getragen werden, was ich mir mit der frischen Narbe nicht wirklich vorstellen kann, und was ich auch bisher nicht musste.

      - Die Seitenlage sollte gleich nach der Operation trainiert werden, was mich aber sowohl auf der anderen und erst recht auf der operierten Seite viel Überwindung kostet und sich zunehmend von Sekunden auf mehrere Minuten steigert. Schlafen auf der Seite geht jedoch noch gar nicht.

      - Bis zum sicheren und schmerzfreien Gehen sollen die Unterarmstützen genutzt werden. Am besten in Absprache mit dem Physiotherapeuten. „Unterarmstützen“ ist ein sehr langes Wort.

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