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eben. Also ich …«, er lächelte, »… hätte dich als Gewinnerin gewählt. Deine Argumente waren besser.«

      Ich winkte ab. Dabei brodelte es in Wahrheit in mir. Wie konnte es sein, dass ich mir von diesem Chaoten das Wasser abgraben ließ? Und warum konnte ich das nicht auch so locker sehen wie er?

      Julian

      7 »Hey, guckt mal … Nazihirn.« Tariq hielt lachend zwei Hände voller Holzspäne in die Höhe.

      Wir waren mitten in unserer ersten Holzchallenge, mit der Woche zwei der Quali startete, sprich: dem Praxistag. Und diese traurigen Holzlocken waren alles, was von Justins Baumscheibe, die er eigentlich in etwas Rundes, Glattes transformieren sollte, übrig geblieben war.

      Justin stand mit nach unten gestemmten Fäusten schwer atmend nur ein paar Zentimeter vor Tariq und schaute ihn aus wütend zusammengekniffenen Augen an. Justins Kombination aus cholerisch, aber völlig harmlos war einfach zu verlockend, um ihn nicht immer wieder mal aus heiterem Himmel hochgehen zu lassen. Jetzt tat er mir trotz all meiner Antipathie aber schon etwas leid. Ja, er machte einen auf böser Nazi, aber eigentlich war er nichts weiter als eine arme Wurst. Ich zog die beiden auseinander und blitzte Tariq streng an.

      »Komm schon«, rechtfertigte sich Tariq, »das war lustig.« Er grinste schief und zuckte resigniert mit den Schultern.

      Ja, okay – es war lustig. Aber damit sich alle mal wieder einkriegten, klopfte ich Justin lieber beruhigend auf seine Schulter, die sich unter der wattierten Jacke sehr knöchern anfühlte, und drückte ihm an der Restebox ein neues Holzstück in die Hand.

      Hugo schritt derweil durch den Raum, prüfte unsere Kunstwerke und spendierte großzügig Tipps, wahrscheinlich, wenn er der Meinung war, dass etwas ganz besonders scheiße geworden war.

      Ich blickte stolz auf mein erstes selbst gemachtes Kunstwerk aus Wurzelholz. Okay … eigentlich sollte es ja ein Topfuntersetzer werden. Die Schleifmaschine und ich hatten uns allerdings so perfekt eingegroovt, dass schließlich nur noch ein winziges, garantiert zwecksfreies, aber sehr handschmeichlerisches Stückchen übrig geblieben war.

      Alle, die schon was zustande bekommen hatten, durften sich Holz für die nächste Challenge – »Erstellt aus einer Baumscheibe einen Würfel!« – holen. Da ich ja nun auch hier Mitglied der Fortgeschrittenengruppe geworden war, angelte ich lässig im Holznachschub nach Material für mein nächstes Werkstück. Mit einer armdicken Scheibe kehrte ich zurück und wollte direkt mit der Schleifmaschine an meinen ersten Erfolg anknüpfen. Leider stoppte mich Hugo noch im letzten Moment.

      »Das kriegst du aber nicht zu einem Würfel geschliffen, Junge!«, lachte er.

      »Doch … kein Ding, Mann«, hielt ich lachend dagegen und wollte voller Tatendrang starten. Aber Hugo ging das anscheinend gegen seine Holzwurmehre.

      »Nix da.« Er verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. »Miss mal erst, wie die Kantenlänge sein muss, dann zeichnest du an, wo geschnitten werden muss. Du weißt ja: Alle Kanten gleich lang und alle Winkel tausend Grad. Außerdem muss noch Cosinus eins dem Sinus geben und die elfundzwanzigste Wurzel aus dem Quotienten von …«

      Als ich Kanten und Winkel hörte, war ich wieder raus und verstand nichts mehr. Hugo redete und redete und in meinem Kopf schienen sich alle Mathebegriffe, die ich schon mal gehört hatte, fröhlich zu toben.

      »Hallo? Noch jemand da? Hörst du mir noch zu?« Die Reste von Hugos rechter Hand winkten vor meinen Augen hin und her, mit der anderen rüttelte er sanft an meiner Schulter.

      Wahrscheinlich wirkte ich wie kurz vor dem Kollaps. Kalkweiß, Schweißausbruch, stierer Blick. Ein Therapeut hatte mir erklärt, dass es sich bei solchen Zuständen um Panikreaktionen handelte und wir Menschen da immer noch genauso ticken wie unsere Vorvorvorfahren: bei Gefahr Hirn aus und weglaufen. Und was brachte mir dieses Wissen? Klar, ich hatte verstanden, dass in so einem Moment keine echte Lebensgefahr bestand, aber dummerweise glaubte mir mein Körper das nicht – der befand sich gerade wieder einmal im Nahtodmodus und wollte lieber wegrennen.

      Allmählich kam ich wieder zu mir und die Konturen der Umgebung wurden zunehmend schärfer.

      Hugos Scheibenwischer lief noch und aus seinen rot geäderten Augen schaute er mich prüfend an. »Alles gut?« Ich nickte lächelnd. »Hast du verstanden, was ich dir gerade erklärt habe?«

      »Klar, einfach messen, dann zeichnen und wupps ist das Dings fertig.« Ich klatschte selbstbewusst die Hände zusammen. Natürlich hatte ich null Ahnung, aber so ein Würfel konnte ja wohl nicht so eine große Nummer sein, oder?

      »Wenn du meinst …«, sagte Hugo. »Aber melde dich bei Fragen.«

      »Klaro … ist ja nur ein Würfel.«

      Fünftausend Sägeschnitte später starrte ich auf die Reste meiner einst stolzen Holzscheibe. Übrig geblieben war ein vom Sägen noch warmer, streichholzgroßer Holzpimmel. Ich holte aus und warf ihn im hohen Bogen durch die Werkstatt.

      »Autsch!!!« Hugo hielt sich den Kopf an der Stelle, wo ihn das Geschoss getroffen hatte, blickte kurz darauf in meine Richtung und hob es auf.

      »Regel Nummer achtunzwanzig: Werkstücke werden nicht durch die Gegend geworfen.«

      Gemächlich kam er, meine Glanzleistung zwischen Daumen und Zeigefinger zwirbelnd, auf mich zu. Natürlich hatten nun wirklich alle mitbekommen, was ich da fabriziert hatte.

      »Was … was zum Teufel …?« Justin kriegte sich vor Lachen nicht mehr ein, weitere stimmten ein und auf einmal stand ich inmitten eines fegefeurigen Gelächters.

      »Ganz ehrlich … hiermit würde ich keine Runde Kniffel spielen.« Selbst Hugo musste lachen – und ich hatte so langsam echt die Schnauze voll.

      »Schau mal.« Liza stand plötzlich neben mir und stupste mich an. In ihrer Hand hielt sie ein neues Stück Holz.

      »Es ist viel einfacher, w-w-wenn du erst einmal obendrauf ein Quadrat zeichnest.« Sie legte ein Geodreieck auf die Schnittfläche und zeichnete mit einem Bleistift nach einem unverständlichen System routiniert ein paar Striche. Zu viel für mich. Zudem faszinierte es mich viel mehr zu beobachten, wie sie beim Markieren konzentriert die Augen zusammenkniff und sich ein paar Haarfransen hinters Ohr schob.

      »Jetzt einfach nur noch an den Linien entlang abschneiden und dann noch ein b-b-bisschen schleifen«, sagte sie und schaute zu mir. Hoffentlich hatte sie nicht gemerkt, wie ich sie gerade angegafft hatte. Neugierig schaute ich auf die nun schnittfertige Scheibe. Mit den Linien könnte ich es vielleicht auch schaffen. Ziemlich überrascht sah ich wieder zu ihr.

      »Warum hilfst du mir denn?« Eigentlich hatte ich im Laufe der letzten Woche das Gefühl bekommen, ihr ganz fürchterlich auf den Senkel zu gehen.

      »Na ja … ich hatte den Eindruck, du könntest gerade etwas Hilfe gebrauchen. Oder?« Sie lächelte und ging dann Richtung Holzkiste, um sich selber ein neues Stück zu holen.

      Was auch immer Liza da gezeichnet hatte: Als ich mit dem Sägen fertig war, hielt ich in meiner Hand erleichtert ein Ding mit sechs Seiten, das aussah wie die Steinzeitversion eines … Würfels.

      Wow.

      »Lasst uns mal Pause machen und danach reden wir in der Gruppe drüber, um was es sich bei einem Würfel so im Detail handelt. Ich glaube, da gibt es noch bei einigen unter euch ein bisschen Erklärungsbedarf.«

      »Echt jetzt?« Tariq schaute Hugo entgeistert an und ich verstand schlagartig auch, warum: Tariq hatte doch tatsächlich begonnen, ein Backgammonbrett aus unterschiedlich farbigen Hölzern zu bauen! Die bereits fertigen Spielsteine sahen sogar echt edel aus.

      »Wer schon einen Würfel hat, darf natürlich auch an seinem aktuellen Projekt weiterbasteln«, fügte Hugo hinzu und versperrte mir den Weg nach draußen.

      »Und mit dir trinke ich jetzt noch ein Tässchen Kräutertee«, ließ er meinen Wunsch nach Pause platzen. Lieber als Tee wäre mir nach der Pleite eben ein Whisky, Tequila

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