Скачать книгу

Schwindelgefühl packte ihn.

      Prasselnder Hufschlag sickerte her­an. Zunächst erreichte er nur Tex Dudleys Unterbewusstsein, aber dann konnte er seine Trägheit abschütteln und er begriff kalt und nüchtern, dass er kämpfen musste. Weitere Flucht war aussichtslos. Es schoss wie ein eisi­ger Strahl in sein Bewusstsein. Und es nahm die Furcht von ihm. In blitz­schnellem Entschluss warf er sich hin­ter sein Pferd. Der Ladebügel seiner Winchester knackte. Tex Dudley war bereit.

      Sie jagten in einer auseinander ge­zogenen Linie auf ihn zu. Verkniffen starrte er ihnen entgegen. Yard um Yard schmolz unter den fliegenden Hufen dahin. Schweiß lief dem Cow­boy über das sonnenverbrannte Ge­sicht. Der Gewehrschaft lag auf dem Leib des toten Pferdes. Er dachte an Cole Turpin, der hilflos auf der T-Bar Ranch in der Scheune lag, den das Fie­ber und furchtbare Alpträume schüt­telten. Er dachte an Lane, von dem er nicht wusste, ob er überhaupt noch lebte, und sein Denken bewegte sich um Charles Turpin und Dave, die der Great Sand-Ranch zum Opfer gefal­len waren. Er zielte ruhig und drückte ab.

      Mit hartem Schlag fuhr seine Kugel John Landers Pferd in die Brust. Das Tier überschlug sich mitsamt seinem Reiter, wälzte sich im Todeskampf und verendete. Landers lag am Boden und rührte sich nicht mehr. Sofort hatten die anderen die Gefahr begrif­fen, schwärmten noch mehr auseinan­der und schwenkten ab.

      »Einkreisen!«, heulte Big Jim wie von Sinnen. Er hatte die Sharps nach seinem Meisterschuss zurückgegeben und zog nun seine Winchester aus dem Scabbard.

      John Landers' Besinnungslosigkeit war nur von kurzer Dauer. Einer der Cowboys sprang vom Pferd und half ihm beim Aufstehen. Sein Gesicht war aufgeschürft und schmutzig. Wü­tend schüttelte er die helfenden Hän­de des Weidereiters von sich ab. »Das wird mir dieses Stinktier büßen!«, ras­selte es böse aus seinem Mund. Er hol­te sein Gewehr und heftete seinen lo­dernden Blick auf den Pferdekada­ver, hinter dem sich Dudley ver­schanzt hatte. Seine Kiefer zitterten vor Zorn, in seinen Augen irrlichterte es. Aber da war noch mehr - da war etwas Raubtierhaftes, Unberechen­bares, und da war die tödliche Gier.

      Big Jim hatte sein Pferd pariert und wartete nun ab, bis seine Männer ei­nen Ring um Tex Dudley gebildet hat­ten. Im Westen färbte der Wider­schein der untergegangenen Sonne den Himmel blutrot. Tiefe Schatten lagen im zerfurchten Gesicht des Ran­chers. Aus den Felsklüften und Tälern schlich violette Abenddämmerung.

      John Landers stiefelte zu seinem Boss hin und knurrte: »Wenn wir ihn haben, überlassen Sie ihn mir, Mister Forsyth. Ich möchte ihm eine Lektion erteilen, die er den Rest seines Lebens nicht vergisst.« Die letzten Worte wa­ren fast mit einer gewissen Andacht gesprochen.

      Die Great Sand-Reiter hatten Posi­tion bezogen. Tex Dudley erkannte, dass seine Lage aussichtslos geworden war. Ihn verließ aller Kampfgeist. Müde Resignation erfasste ihn, und die Düsternis ringsum verstärkte das Gefühl von Unsicherheit, Verloren­heit und Angst. Big Jims Stimme trieb heran - laut, fordernd, wie eine schlimme Verheißung: »Wirf deine Waffen weg und komm hinter dem toten Gaul hervor, Dudley. Wenn ich meinen Männern den Be­fehl gebe, dann verwandeln sie dich in ein Sieb!«

      Die Gnadenlosigkeit in Big Jims Stimme trieb den Cowboy immer tie­fer in Mutlosigkeit und Verzweiflung. In seinen Schläfen hämmerte das Blut, Entsetzen durchfuhr ihn wie ein Fieberschauer. Sein Gesicht war grau wie verwittertes Gestein. Sein Mund stand halb offen, sein Blick irrte rast­los hin und her.

      Big Jim jagte ein Stück Blei in den Pferdekadaver. Tex zuckte zusam­men, als hätte das Geschoss ihn getrof­fen. Und etwas in ihm zerbrach. Er schleuderte sein Gewehr fort, den Colt hinterher, richtete sich auf und hob die Hände in Schulterhöhe.

      »Da hast du ihn, Landers«, dehnte Big Jim. »Bevor du ihn aber fertig ­machst, will ich ihm einige Fragen stellen.«

      Der Kreis zog sich immer enger zu­sammen, und dann sah sich Tex Dud­ley aus nächster Nähe mehr als einem halben Dutzend Gewehrmündungen gegenüber. Ein Blick in die Augen Big Jims sagte ihm, dass er kein Mitleid zu erwarten hatte. Sie zeigten eine un­heimliche Drohung.

      *

      Big Jim fletschte die Zähne wie ein angreifender Wolf. Und als seine stählerne Stimme ertönte, klang sie präzise, voller Autorität und zwin­gend. In der sinkenden Dämmerung wirkte alles an ihm gefährlich, wild und unberechenbar. Er grollte: »Bevor ich dich John Landers überlasse, Dud­ley, will ich von dir wissen, was sich wirklich zugetragen hat, als Turpin meinen Sohn erschoss. Ich will von dir die Wahrheit hören. Verstanden? Du lässt nichts weg, und du fügst nichts hinzu. Sprich!« Diese Aufforderung kam scharf und ungeduldig.

      Ein gepresstes, bitteres und abgeris­senes Keuchen entrang sich dem Cowboy. Verständnislos, fast ver­wirrt, stierte er Big Jim an. Aber dann fing er an zu sprechen. Zunächst fiel es ihm schwer. Sein Hals war so trocken, so dass er nur flüstern konnte. Aber dann gewann seine Stimme an Festigkeit, und zuletzt sprudelten die Worte geradezu über seine Lippen.

      Mit verschlossener Miene lauschte Big Jim, ohne ihn auch nur ein einzi­ges Mal zu unterbrechen. Erst als Dudley geendet hatte, stieg es brum­mend aus seiner Kehle: »Lane Turpin hat Bill also herausgefordert, mit ihm zu kämpfen. Und dann erschoss Bill versehentlich Charles Turpin …«

      »Yeah, und ehe Bill begriff, was ge­schehen war, knallte ihn Lane Turpin ohne jede Vorwarnung nieder wie ei­nen räudigen Hund!«, fiel John Lan­ders hastig seinem Boss ins Wort.

      Tex Dudley hatte eine Erwiderung auf den Lippen, aber ein Blick in Lan­ders' flammendes Gesicht ließ ihn schweigen.

      In Big Jims Augen erschien ein Grü­beln, ein Forschen, und es war deutlich von seinen Zügen abzulesen, dass er scharf nachdachte. Schließlich frag­te er dumpf: »Wo warst du in der ver­gangenen Nacht, als wir das Nest der Turpins aushoben, Dudley?«

      »Ich bin nach Alamosa geritten, um den Sheriff zu informieren. Es war aber nur sein Deputy da. Renslow be­fand sich in Monte Vista.«

      In Big Jims Miene vermischten sich unvermittelt Spannung, Grimm und Sorge. Er starrte Dudley durchdrin­gend an, und plötzlich rief er in uner­warteter Wildheit: »Was für eine Sto­ry hast du dem Deputy erzählt, heh? Etwa auch die Notwehrgeschichte?«

      »Ich beschönigte nichts, Mister Forsyth, aber ich ließ auch nichts weg. Der Deputy wollte Renslow informie­ren und meinte, dass der Sheriff wohl kommen würde, um den Vorfall zu untersuchen, sobald er aus Monte Vista zurückgekehrt ist.«

      »Du behauptest also, Bill zog in ei­nem Moment den Colt, als keiner der Turpins auf ihn achtete. Deine Worte beinhalten nichts anderes, als dass er Lane Turpin auf heimtückische Art und Weise erledigen wollte. Charles Turpin sprang dazwischen und ihn traf die Kugel, die Lane gegolten hat­te. Und dann erst reagierte dieser.«

      »So und nicht anders war es, Mister Forsyth.« Tex hatte plötzlich, das Empfinden, in Big Jim eine Saite zum Klingen gebracht zu haben, die er in ihm nicht vermutet hatte.

      Der Rancher nickte bedächtig. Doch dann veränderte sich seine Mie­ne unversehens zur teuflischen Frat­ze. »So etwas habe ich mir schon ge­dacht, Dudley!«, klirrte seine Stimme. Panik breitete sich schrill in Dudleys Denken aus, als er begriff, dass er ei­nem tödlichen Irrtum aufgesessen war. »Yeah, Dudley, ich vermisste dich in der vergangenen Nacht auf der Ranch und ich ahnte, dass du den She­riff aufsuchen würdest. Allerdings hat die Sache einen Haken. Das Gesetz interessiert mich nicht. Hier draußen ist mein Name Gesetz. Und Lane Tur­pin hat meinen Jungen ermordet. Du wirst umdenken müssen, Dudley. Und wenn wir mit dir fertig sind, wirst du beschwören, dass Lane Turpin zuerst auf meinen Sohn feuerte und sich erst dann aus dessen Colt die Kugel löste, die Charles Turpin tötete. Lan­ders - du bist dran!«

      Auf einen Wink des Vormanns sprangen die Reiter von den Pferden. Lediglich Big Jim blieb im Sattel. Tex Dudley schluckte, aber er vermochte den Geschmack von Angst und Grau­en nicht hinunterzuwürgen. Sie nä­herten sich ihm mit erstarrten Mie­nen, in denen sich nicht die geringste Gefühlsregung abzeichnete. Brutale Hände packten ihn, rissen ihm die Ar­me auf den Rücken und hielten ihn fest. John Landers schob sich bis auf Armlänge an ihn heran. Ein sadisti­sches Grinsen spielte um seinen Mund, gemein und widerwärtig.

Скачать книгу